Wie psychische Krankheit im Lebenslauf unterbringen?
Ich habe einen Verwandten, der seit seiner Pubertät mit einer psychischen Krankheit zu kämpfen hat, die auch stationäre Aufenthalte erforderte. Im Alter von mittlerweile 30 Jahren hat er die Probleme, so wie es aussieht, überwunden.
Sein Lebenslauf ist nicht sehr kontinuierlich. Abitur hat er abgebrochen, in einer guten Phase auf dem zweiten Bildungsweg nachgeholt, zwei Studiengänge abgebrochen und jetzt aber den Bachelor in Physik geschafft. Wie kann man diese psychischen Probleme, die aber jetzt hoffentlich überwunden sind, am besten im Lebenslauf unterbringen?
Ganz ehrlich, ich würde das überhaupt nicht erwähnen. So eine Information ist hochgradig persönlich und privat und hat niemanden, und schon gar nicht den potentiellen Arbeitgeber, etwas anzugehen. Zum Glück sind psychische Erkrankungen heutzutage nicht mehr so stark tabuisiert und mit Vorurteilen behaftet wie früher, und ich finde es generell auch lobenswert und wichtig, damit in der Öffentlichkeit adäquat umzugehen, aber man weiß ja dennoch im Vorfeld nie, wie eine andere Person auf diese Mitteilung reagiert. Auf der Jobsuche riskiert man mit zu viel Offenheit leider immer noch Diskriminierung, Unverständnis und Benachteiligung.
Es gibt doch tausend andere Gründe, warum jemand einen Schulabschluss zunächst abbricht, seinen Studiengang zwei- oder dreimal wechselt oder ein ganzes Jahr lang „Leerlauf“ in der Vita aufweist. Gesundheitliche Gründe sind nur eine Erklärung, aber es können auch finanzielle Ursachen, familiäre Hintergründe oder schlichtweg ein Wechsel der eigenen Interessen zugrunde liegen.
Ich würde es darauf ankommen lassen, im Lebenslauf gar nichts vorab zu rechtfertigen und abzuwarten, ob im Bewerbungsgespräch gezielt nachgehakt wird. Dann kann man sich, wenn man möchte, eine Erklärung parathalten oder aber, so wie ich es machen würde, in freundlicher und höflicher Art und Weise nicht näher darauf eingehen, indem man auf seine Privatsphäre hinweist.
Ich würde auch sagen: Um Himmels willen, auf keinen Fall! Krankheiten haben im Lebenslauf nichts verloren, da geht es um die berufliche Qualifikation und sonst gar nichts. Wenn die berühmten "Lücken" prinzipiell stören, schafft man es gar nicht erst in die nächste Runde, egal ob die Gründe Krankheit, jugendlicher Leichtsinn oder mangelnde Motivation waren. Und wenn sich die Entscheidungsträger sagen: Etwas unrund, aber schauen wir uns die Person mal an, hat man immer noch jede Chance, im Gespräch eventuelle Fragen zu klären und überzeugend zu verdeutlichen, dass man vorübergehend nicht ganz fit war, aber schon seit zehn Jahren keine Probleme mehr hat.
Ich halte es auch für einen Mythos, dass psychische Krankheiten heute kein großes Problem mehr darstellen. Ich habe selber in dieser Hinsicht zwar keine Probleme, aber schon oft im Alltag und auch hier im Forum sehr despektierliche Ansichten mitbekommen. Von daher halte ich es für ausgesprochen unklug, sich ausgerechnet im eigenen Vorstellungsgespräch für den Abbau von Vorurteilen und Diskriminierung einzusetzen und am Ende gegenüber irgendeinem verknöcherten alten Sack "offen" von der Angststörung oder den Zwangshandlungen zu erzählen. Wenn man den Job mal hat, kann man sich immer noch gegen die Diskriminierung von Menschen aller Art einsetzen.
Im Lebenslauf haben psychische Erkrankungen nichts verloren. Ich antworte auf solche Fragen auch nur im persönlichen Gespräch und nenne es „persönliche Umstände“. Über psychische Erkrankungen kann man meiner Meinung erst reden, wenn man schon länger im Betrieb ist und bemerkt, dass das Umfeld dort offen reagiert. Sollte es dies nicht, dann lässt man diese Schatulle weiterhin verschlossen und sorgt dafür, dass es einem trotzdem gut geht.
Psychische Probleme würde ich auch auf keinen Fall schon im Lebenslauf erwähnen. Natürlich mögen diese der Grund für die Unbeständigkeit und auch mögliche Lebenslauflücken sein, aber das erwähnt man frühestens bei einem Vorstellungsgespräch, aber eigentlich auch nicht mal dann. Außer man schreibt nur Pseudobewerbungen wo man es tatsächlich darauf anlegt, dass man nicht zur Vorstellung eingeladen wird.
Ich kenne natürlich jetzt den Lebenslauf deines Verwandten nicht, aber ein abgebrochenes Abitur ist ja im Grunde genommen nichts Negatives. Nach der 10. Klasse hat man ja automatisch die mittlere Reife erreicht. Da zwingt einen keiner zu einer Rechtfertigung warum man zu diesem Zeitpunkt keine Lust mehr hatte auch die Hochschulreife zu erwerben. Zumal er diese ja sogar dann noch zu einem späteren Zeitpunkt gemacht hat.
Auch ein abgebrochenes Studium ist keine Seltenheit. Als ich selbst studiert habe, habe ich mehrere Leute kennengelernt, die mindestens ein Studium zuvor schon abgebrochen hatten. Manchmal merkt man einfach erst während der Studienzeit, dass der gewählte Bereich doch nicht den eigenen Interessen entspricht.
Kürzere Lebenslauflücken muss man auch nicht immer gleich auflisten oder begründen. Viele Abiturienten nehmen sich z.B. auch eine Auszeit nach dem Abi um die Welt zu erkunden. Gerade junge Menschen, die noch ungebunden sind, machen oft solche Rucksackreisen und Co. Da will normalerweise kein Arbeitgeber Reisebelege dafür sehen.
Ein / zwei Lücken mit "arbeitssuchend" sind auch kein Beinbruch. Notfalls würde ich also mehrmonatige Lücken einfach mit "arbeitssuchend" ausfüllen. Eine Lücke in der Zeit vor dem nachgeholten Abitur könnte man zum Beispiel auch als "Vorbereitungszeit für Abiturprüfung" betiteln.
Im Endeffekt scheint dein Verwandter ja doch fleißig gewesen sein und Durchhaltevermögen bewiesen zu haben, sonst hätte er ja sein Abitur nicht nachgemacht und keinen Bachelor.
Und 30 Jahre ist für abgeschlossenes Studium ja auch noch nicht wirklich ein außergewöhnliches Alter. Mein Bruder zum Beispiel hat seinen Bachelor auch erst mit 29 Jahren gemacht, obwohl er keine psychischen Probleme hatte. Er hat lediglich im Gymnasium zweimal eine Klasse wiederholt und sich fürs Studium viel Zeit lassen.
Würde man dies im Lebenslauf erwähnen, würde für den Personaler nicht im Vordergrund stehen, dass er es geschafft hat, was eine sehr große Leistung ist, sondern dass er labil ist und damit nicht belastbar. Solche Sachen sollte man daher vermeiden, auch weil man dann immer mit einem Rückfall rechnen würde, den es vielleicht nicht geben wird. Wenn es passieren sollte, dann ist es doch besser vertraglich unter zu sein, aber wenn man das so zugibt, bekommt man diesen unbefristeten Vertrag sicherlich eine ganze Weile lang nicht.
Ich würde daher schauen, wie man die Lücken sinnvoll lösen kann. Eine Arbeitssuche, Weiterbildung oder was auch immer sind Lückenfüller, allerdings sind diese immer noch besser als das Zugeben von Krankheiten. Etwas aufhübschen kann man den eigenen Lebenslauf also durchaus, wenn man das machen muss.
Krankheiten zuzugeben ist an sich eine löbliche Angelegenheit, weil man zu seinen Fehlern steht, aber wenn man sich bewirbt, dann sollte man sich keine Fehler eingestehen und einfach nur das beste Bild von sich zeigen und nicht die Schwächen aufzeigen, die man so in sich trägt.
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