Fußballspieler betrachten und darüber reden - sexistisch?
Neulich saß ich mit einer Freundin auf dem Balkon und wir sahen jungen Männern beim Fußballspielen zu. Ich beobachte diese Gruppe ganz gerne, weil ich die Körper der jungen sportlichen Männer und deren kraftvolle Bewegungen sehr schön finde. Nicht aus erotischen Gesichtspunkten, sondern aus ästhetischen, so wie ich beispielsweise auch gerne ein galoppierendes Pferd auf der Wiese anschaue.
Mit meiner Freundin habe ich mich natürlich auch über die individuellen Vorzüge der Körper unterhalten. Wir haben uns nun vorgestellt, wie es wäre, wenn sich Männer nur über die Körper einer Mädchengruppe unterhielten. Würden das manche Menschen mittlerweile als sexistisch ansehen, weil man die Frauen nur als Objekt ansieht?
Ist es sexistisch, wenn sich Frauen über die schönen Körper einer Männergruppe unterhalten? Natürlich sollten diese das nicht hören. Das wäre natürlich übergriffig.
Sexismus geht in beide Richtungen. Wenn man der Meinung ist, dass sich Männer nicht an den Körpern junger Sportlerinnen aufgeilen sollen, oder von mir aus auch aus rein ästhetischen Gesichtspunkten an ihrem kraftvollen Muskelspiel erfreuen darf man das umgekehrt auch nicht mit jungen sportlichen Burschen machen. Dadurch werden Menschen auf Objekte zum "ästhetischen" Genuss reduziert, und das ist bestenfalls geschmacklos. Ich finde es absolut verlogen, wenn Männer aus vergleichbaren Gründen mehr oder weniger gleich als Schweine tituliert werden, aber wenn Frauen junge gutaussehende Burschen "betrachten und darüber reden", ist das top in Ordnung.
Ich würde mir selber auch ziemlich pervers vorkommen, wenn ich irgendwelche jungen Burschen ansprechen würde, die nicht gerade für Fotos posieren, sondern eben ihr Ding machen und dabei aussehen, wie sie aussehen. Egal ob Sportler, Handwerker oder die bekannten Bauarbeiter in der Sonnenhitze - ich möchte im Alltag nicht angeglubscht werden, also riskiere ich bei anderen auch maximal einen verstohlenen Blick.
Auch wenn es bei einer durchschnittlichen Weibsperson um die 40 ein unwahrscheinliches Szenario darstellt: Ich würde es schließlich auch zum Kotzen finden, wenn die Nachbarn auf dem Balkon meine "kraftvollen Bewegungen" bei der Gartenarbeit heimlich beobachten und kommentieren, weil meine Oberweite ja so "ästhetisch" rüberkommt. Also mache ich es auch nicht bei anderen. Glänzender Sexgott hin oder her: Man reduziert Menschen nicht ungeniert auf ihr Äußeres.
Nun ist es aber so, dass die Leute direkt vor meinem Balkon ihren Sport treiben. Da sind neben den Fußballspielern auch Jogger oder Frauen, die Yoga auf der Wiese machen. Ich kann ja gar nicht anders als hinzuschauen, sonst dürfte ich gar nicht rausgehen. Ich hole ja nicht mein Fernglas heraus oder muss mich dazu verrenken.
Eine Gruppe macht sonntags morgens immer mit ihrem asiatischen Trainer irgendeine asiatische Sportart, die ich noch nicht zuordnen konnte. Auch da schaue ich gerne zu. Sie stellen sich ja in mein Blickfeld. Das hat überhaupt nichts mit Erotik zu tun und ich mache da auch keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern.
Muss ich meine in Gedanken stattfindende Bewunderung zwanghaft unterdrücken und ein schlechtes Gewissen haben, weil ich diese Menschen schön finde? Sie sind ja direkt vor mir und wissen, dass sie gesehen werden.
Fühlen wir uns ertappt? Ich bin selbstverständlich auch nicht der Meinung, dass wir alle mit zusammengekniffenen Augen und/oder Scheuklappen herumlaufen müssen und schon der Blick durchs Fenster eine Sünde sei, wenn man dabei etwas Ästhetisches sieht.
Aber es ist ja eine Binsenweisheit, dass es weniger darauf ankommt, was man macht, sondern warum. Wenn ich ins Ballett gehe, sind auch ästhetische Körper im Spiel, aber die machen das mit Absicht, sind volljährig und werden dafür bezahlt. Und für mich macht es einen himmelweiten Unterschied, ob man nach der Vorstellung die Ästhetik des gelungenen Adagios im zweiten Akt bespricht, oder die wohlgeformten Hinterbacken der trainierten jungen Tänzer in ihren Strumpfhosen. Ich selber würde meine Bewunderung in letzterer Hinsicht insofern unterdrücken, dass ich sie wenigstens für mich behalte.
Ein Beispiel noch: Bei uns in der Arbeit geistert gerade ein attraktiver junger Elektriker herum, der neulich zufällig gerade im Pausenraum eine Lampe aufgehängt hat, als ich mit meinem Joghurt hereingekommen bin. Er war in meinem Blickfeld und ich fand seine körperlichen Vorzüge durchaus ästhetisch. Er hätte auch gewusst, dass ich ihn sehen kann.
Dennoch habe ich mich samt Joghurt wieder verzogen, weil ich es geschmacklos gefunden hätte, ihm versonnen löffelnd beim Arbeiten über Kopf zuzuschauen, auch wenn ich jedes Recht dazu gehabt hätte. Ich habe auch kein schlechtes Gewissen, weil ich einen trainierten männlichen Mittzwanziger "schön finde". Aber ich hätte eins, wenn ich ihn bei der Arbeit angeglotzt hätte und am Ende noch mit meiner Kollegin außerhalb seiner Hörweite die "individuellen Vorzüge seines Körpers" hervorgehoben hätte. Umgekehrt würde ich ja auch nicht wollen, dass der Fensterputzer, der mich notgedrungen sehen muss, mit seinen Kollegen hinterher darüber redet, welche von den fünf Büroschlampen ästhetisch die meisten Vorzüge hat.
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