Statt Religionsunterricht das Fach Religionen
Ich würde den konfessionsgebundenen Religionsunterricht als Schulfach abschaffen und in die jeweiligen Kirchen auslagern und dafür ein Fach Religionen einführen, in denen man alle Religionen besser kennenlernt. Viele Menschen, auch die Moslems selber, wissen zu wenig über den Islam, der ja in seiner Blütezeit eine sehr tolerante Religion war und viel zur Wissenschaft und Literatur beigetragen hat.
Bei meinen Kindern sind die einzelnen Religionen nur in der Grundschule kurz gestreift worden und danach nie mehr wieder - sie haben es mir zumindest nicht erzählt. Jeder kennt Pythagoras und Euklid, aber niemand al-Chwarizmi, der mindestens genauso bedeutend war.
Im Schulfach Religionen könnte die Geschichte der einzelnen Religionen gelernt werden, mit all ihren guten und schlechten Phasen. Das würde die Toleranz zwischen den Religionen fördern. Was meint ihr dazu?
Ich finde dass das auf jeden Fall ein guter Denkansatz ist. Es kommt zwar immer auf den Lehrer an, was man dann tatsächlich bespricht, deswegen hatte ich auch in Religion andere Religionen, aber an sich wäre das eine gute und vor allem umsetzbare Idee. Mir erschließt sich auch nicht wirklich, warum man das nicht eh schon gemacht hat. Im Ethikunterricht werden doch auch Religionen besprochen, der Religionsunterricht wird ja bisher gerne mal geteilt, so schafft man gar keine Toleranz.
Ich habe sowas ähnliches im letzten Jahr im Rahmen meines interkulturellen Zusatzstudiums gemacht. Es war ein Seminar zum Thema Weltreligionen gewesen, und wir haben unter anderem auch eine Kirche, eine Moschee und eine Synagoge besucht. So etwas in der Art könnte ich mir für den Schulunterricht sehr gut vorstellen, denn es wurden die Religionen in neutraler Weise miteinander verglichen und sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede herausgearbeitet. Ich denke, wenn man so einen multireligiösen Unterricht in der Schule hätte, würden viele Leute später eher zu einer toleranteren Einstellung finden.
Das finde ich mal eine richtig gute Idee. Wenn ich mal einen meinen Religionsunterricht zurück denke, dann bestand der meist daraus, dass wir dort schon mal die Hausaufgaben gemacht haben. Die einzigen die sich da noch drum gerissen haben, waren die russischen Mitschüler, zumindest die weiblichen. Uns hat das nicht interessiert, weil auch die Themen unglaublich langweilig waren. Ich bin nicht gläubig, was aber nicht heißen soll, dass ich mich nicht dafür interessiere. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es vielen anderen Menschen und auch Kindern in der Schule ähnlich geht und durchaus mehr über andere Religionen erfahren wollen.
Ich finde eh, dass viele was Kirche und Religionsunterricht angeht, längst überholungsbedürftig geworden ist. Es gehen immer weniger Menschen in die Kirche und dafür muss es ja einen Grund geben. Manche, grade evangelische Kirchen, haben das schon erkannt und passen ihre Messen schon ein wenig an. Dort verschwindet die Kirchenorgel allmählich aus den Gewölben und werden ersetzt durch Gitarren und Schlagzeug.
Auch der Aspekt, dass man damit auch mal einen Einblick in die Religionen von anderen Menschen auf dieser Welt bekommt, finde ich ebenfalls sehr wichtig. Kaum jemand weiß wirklich wie es mit dem muslimischem Glauben ist, dabei leben doch so viele bei uns. Von Buddhisten, Hinduisten oder welche Glaubensrichtung auch immer, ganz zu schweigen. Ich finde sogar, dass man da noch eins drauf setzen sollte und sogar Sekten ansprechen sollte, die vielleicht auch eher nicht so toll sind. Aufklärung in allen Bereichen.
Auch wenn es vielleicht etwas überzogen klingen mag, aber selbst das Taufen sollte man auf einen späteren Zeitpunkt verschieben, eine Zeitpunkt, an dem man selbst wählen kann, welcher Glaubensrichtung man sich zuwenden will. Zur Zeit ist es ja so, dass man je nach angehörender Religion, in den jeweiligen Unterricht aufgeteilt wird, so war es zumindest zu meiner Zeit.
Kodi hat geschrieben:Dort verschwindet die Kirchenorgel allmählich aus den Gewölben und werden ersetzt durch Gitarren und Schlagzeug.
Wobei ich sagen muss, dass für mich die Kirchenmusik (mit Orgel, Chor und vielleicht sogar einem kleinen Orchester) zu den tollsten Erfahrungen bei Kirchenbesuchen gezählt hat. Gerade wenn eine schöne Bachkantate auf dem Programm stand, war das sogar für mich als Ungläubigem ein Grund für den Kirchenbesuch gewesen. Der Umstieg auf Gitarre und Schlagzeug hatte mich ehrlich gesagt nicht so begeistert, weil mir der häufig vorgetragene Sakro-Pop noch nie wirklich gefallen hat.
Exakt das haben wir seinerzeit in den Neunzigern im katholischen Religionsunterricht gemacht. Ein ganzes Schuljahr war den unterschiedlichen Weltreligionen gewidmet, und zwar völlig wertfrei, nicht im Sinne von: Unser Glaube ist besser oder der einzig Wahre. Dazu kamen noch ethische und philosophische Fragen aller Art, von Tierversuchen bis zu Platons Höhlengleichnis. Es hing zwar wie so oft stark von den Lehrern ab, aber der Katholizismus hat oft nur eine Nebenrolle gespielt und wurde nie als einzig gültige Glaubensrichtung oder was auch immer hochgefiedelt.
Dazu kommt noch, dass der Schulstoff schließlich in jedem Fach schon aus Zeitgründen begrenzt wird, und die Auswahl in vielen Fällen zumindest zu meiner Zeit gelinde gesagt fragwürdig war. Geschichtsunterricht war auch europazentrisch wie nur was, und Literatur aller Art wurde brav aus den Machwerken alter weißer Männer ausgewählt. Wenn es um den Schulunterricht ging, hätte ich von der Existenz von ganz Afrika und dem Großteil Asiens bis heute keinen Schimmer, geschweige denn von kulturellen, geschichtlichen und politischen Errungenschaften außerhalb der westlichen Welt (Europa westlich von Polen und die USA). Von daher erschließt sich mir nicht so wirklich, wieso nur im Religionsunterricht zwanghaft über den Tellerrand hinausgeblickt werden muss.
Und generell bin ich skeptisch, ob sich an den Inhalten eines Unterichtsfaches wirklich nur dadurch etwas ändert, dass man ein anderes Etikett draufklebt. Letzten Endes hängt es meines Erachtens doch immer noch am Engagement der Lehrkräfte, ob die Schüler Päpste aufzählen lernen oder mit den Erkenntnissen von Averroes, Lao Tse oder Moses Maimonides konfrontiert werden. Interessieren wird es sie sowieso kaum.
Gerbera hat geschrieben:Letzten Endes hängt es meines Erachtens doch immer noch am Engagement der Lehrkräfte, ob die Schüler Päpste aufzählen lernen oder mit den Erkenntnissen von Averroes, Lao Tse oder Moses Maimonides konfrontiert werden.
Naja, zum Teil hängt es auch von den Lehrplänen ab. Klar spielt die persönliche Motivation der Lehrer eine Rolle, denn davon hängt es ab, wie der Stoff rübergebracht wird, und ob es die Schüler hoffentlich interessant finden werden oder nicht. Aber über den Inhalt können die Lehrer wohl nur zum Teil selbst entscheiden, und wenn der Lehrplan auch einen guten Überblick über andere Religionen und Weltanschauungen vorschreibt, wird er wohl auch von den Lehrern vermittelt werden.
Zu meiner Schulzeit war allerdings damit noch nicht zu rechnen gewesen, da meine Religionslehrer zum größten Teil dem katholischen Klerus entstammten. Sie waren tatsächlich meistens nur nebenberufliche Lehrer und hauptamtlich Pfarrer oder Diakon gewesen. Da hätte sich wahrscheinlich die Bereitschaft, auch über den Islam oder den Buddhismus zu berichten, in Grenzen gehalten.
In Norddeutschlad wir ja im Fach Religion schon genauso unterrichtet: Religionen-übergreifend, mit Besuchen in den Gotteshäusern der Weltreligionen. Schüler*innen (siehe Religionsunterrichtskampagne mein-reli.de) werden animiert, frei zu denken und sich zu äußern, ohne sofort beschränkt zu werden.
Insofern würde ich dafür plädieren, den Religionsunterricht zu behalten, weil es momentan, neben Ethik- und Philosophie-Unterricht der einzige Rahmen ist, in dem die Kinder in der Schule Zeit haben, das Denken zu lernen und sich rhetorisch zu üben.
Nicht unwichtig ist aber schon, zu erfahren, warum wir in Deutschland eine christliche Tradition haben und eine somit eine christlich geprägte Gesellschaft sind. Totales Wischiwaschi hilft nichts. Was denkt Ihr dazu?
Kirchenbotschafter hat geschrieben:
Insofern würde ich dafür plädieren, den Religionsunterricht zu behalten, weil es momentan, neben Ethik- und Philosophie-Unterricht der einzige Rahmen ist, in dem die Kinder in der Schule Zeit haben, das Denken zu lernen und sich rhetorisch zu üben.
In meiner Schulzeit war ehrlich gesagt der Religionsunterricht weniger gut für solche Dinge geeignet, da es eher darum gegangen war, religiöse Inhalte zu lernen. Das eigene Nachdenken und Hinterfragen war zumindest zu meiner Schulzeit nicht so sehr gefragt gewesen, und rhetorische Übungen haben wir eher im Deutschunterricht gemacht, wo wir ja auch die deutsche Literatur und auch nichtpoetische Texte diskutiert haben.
An meiner Schule hatte man verschiedene Optionen und ich hatte mehrere Mitschüler, die zu mir in den Philosophie Unterricht gewechselt sind weil man Denken eben nicht lernen kann wenn durch den Religionsunterricht der dogmatische Rahmen von vorne herein festgelegt ist.
Ist ja toll wenn man "Gotteshäusern der Weltreligionen" anschauen darf und nicht direkt gesagt bekommt, dass die christliche Religion die beste ist, aber wenn das "freie Denken" das Konzept Religion an sich in Frage stellt ist es schnell vorbei mit der Toleranz.
Für mich macht Religion als eigenständiges Fach eigentlich keinen Sinn, weil Religionen vor allem im geschichtlichen Kontext relevant sind, aber auch in Fächern wie Kunst, Architektur, Musik, Literatur und auch den Naturwissenschaften eine Rolle spielt. Wenn man religiöse Dogmen lernen will kann man das in seiner Freizeit machen, ist in vielen Ländern ja ganz normal, in der Schule würde ich das Thema Religion einfach stärker in die anderen Fächer integrieren.
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