Kaufsucht selbst oft gar nicht bemerken?
Von einer kaufsüchtigen Frau habe ich gelesen, dass diese zunächst lange Zeit gar nicht selbst bemerkt hätte, dass sie kaufsüchtig wäre. Sie meint, dass sie selbst als sie in die roten Zahlen gerutscht wäre und Schulden gemacht hätte, noch nicht gemerkt hätte, dass da etwas nicht stimmt.
Sie meinte, dass sie keine typische Kaufsucht hätte und alles wahllos kaufen würde, sondern durchaus Dinge, die sie benutzt und auch schön findet. So hat sie eben immer viel für ihre Hobbys gekauft, die wohl durchaus auch nicht ganz günstig waren.
Meint ihr, dass es typisch ist, dass man selbst gar nicht bemerkt, dass man kaufsüchtig ist? Habt ihr da schon Fälle erlebt? Ist das nicht bei den meisten Süchten typisch, dass der Betroffene davon nichts merken will oder das nicht wahrhaben möchte? Findet ihr das bei Kaufsucht ungewöhnlich?
Was hat das denn primär mit Kaufsucht zu tun? Wenn man eine Essstörung hat oder von anderen Dingen süchtig ist (sei es Fitness oder was auch immer) merkt man ja auch nicht gleich sofort, ob eine Abhängigkeit vorliegt. Ich kenne auch Alkoholiker und Drogensüchtige, die glauben, gar kein Problem zu haben. Mir erschließt sich nicht, was primär an der Kaufsucht so besonders sein soll.
Ein Süchtiger braucht generell eine ganz schön lange Zeit um das selber einzusehen und eigentlich muss man auch schon ganz schön vor die Wand gefahren sein um das in seiner Sucht zu bemerken, egal was die Leute so zu einem sagen und was man sich so anhören kann. Das habe ich selber mit anderen Süchten in meinem Umfeld erlebt. Ich kenne allerdings auch eine Kaufsüchtige, die jeden Monat wie wild bestellt und jeden Monat tief im Dispo ist. Das interessiert sie aber nicht und sie kauft auch total unsinnige Sachen.
Jede Sucht wird von dem Betroffenen erst mal nicht wahr genommen. Der Betroffene findet es normal und ist sich selbst sehr sicher, dass er nicht süchtig ist. Geholfen werden kann ihm auch erst, wenn er selbst wahr nimmt, dass es nicht mehr normal ist. Ansonsten wird dieser Mensch auch nicht auf andere hören und ihnen Glauben schenken.
Wer aber schon selbst sagt, dass nun doch was nicht stimmt, sollte sich auch schnell Hilfe holen. Denn sonst wird es immer schlimmer. Das gilt bei jeder Sucht und nicht nur bei Kaufsucht, Alkoholsucht, Spielsucht usw.
Jeder redet sich das eigene Verhalten schön, und ganz besonders die, die behaupten, total objektiv und rational an die Dinge heranzugehen. Ich will beispielsweise auch gar nicht wissen, wie viele Alkoholiker es gibt, die sich als "Kenner" ansehen und/oder abends zur "Entspannung" ihren sauteuren Rotwein oder sonstigen Fusel "genießen". Flaschenweise.
Alkoholiker sind immer die anderen, die schon vor fünf Uhr trinken, oder sich nur Bier leisten können, oder ihren Job verloren haben. Oder man nimmt gleich Tabletten, weil diese Art der Sucht appetitlicher ist und sich leichter tarnen lässt als das Saufen, und natürlich ist man deswegen noch lange kein "Junkie".
Und bei der Kaufsucht ist es ja auch offensichtlich. Die anderen sind kaufsüchtig, weil sie sinnlosen, billigen Kram anhäufen, aber ich selber kaufe nur wertige Dinge, die ich wirklich brauche. Also bin ich nicht gestört, sondern habe lediglich Spaß an Shopping. Außerdem haben die "wirklich Kaufsüchtigen" Schulden, ich gebe nur so viel Geld aus, wie ich übrig habe. Und mal ein bisschen in den Dispo zu rutschen ist ganz normal, das gehört heute fast schon zum guten Ton.
Wenn du direkt merken würdest, dass du ein süchtiges Verhalten entwickelst, wäre das Ganze wahrscheinlich wesentlich unproblematischer. Bei Süchten, die sich aus alltäglichen Dingen entwickeln ist wahrscheinlich auch diese Alltäglichkeit ein Faktor, der dazu führt, dass man die Sucht lange ignorieren oder verharmlosen kann.
Natürlich kann ich mir auch einreden, dass ich nicht heroinabhängig bin, obwohl ich das Zeug regelmäßig nehme, aber im normalen Alltag spielt diese Droge keine Rolle, der Durchschnittsdeutsche konsumiert kein Heroin. Der Durchschnittsdeutsche geht aber einkaufen und der Durchschnittsdeutsche kauft auch gerne mal zu viel und unnützes Zeug.
Ich glaube, dass man es von außen immer leichter sieht, wenn jemand eine Sucht entwickelt hat, ganz egal, ob es sich um eine Kaufsucht oder Alkoholsucht handelt. Meist entwickeln sich Süchte zudem ja allmählich. Beim Alkohol trinkt man vermutlich - ich trinke keinen Alkohol und habe keinen Alkoholiker in meinem Umfeld, sodass ich nicht aus Erfahrung schreiben kann - zunächst einfach nur gerne auf einer Feier, und nach und nach wird das immer mehr. Man trinkt dann vielleicht zum Essen daheim ein Glas, und aus einem Glas werden irgendwann zwei, drei, oder eine ganze Flasche.
Ähnlich stelle ich es mir mit einer Kaufsucht vor. Man kauft etwas, um sich zu belohnen, das zählt dann erst einmal nur als Shoppen gehen. Das wiederholt sich immer häufiger, man sucht dann vermutlich mehr und mehr Ausreden, um etwas einkaufen zu gehen, aber es fühlt sich für die betroffene Person wohl noch normal an. Nach und nach gleitet man so langsam aber sicher in die Kaufsucht, ohne es zu merken.
Ich weiß nicht genau, wie Kaufsucht definiert ist. Ich stelle mir dabei Leute vor, die Dinge kaufen, die sie dann manchmal erst gar nicht auspacken, sondern zum Beispiel gleich im Keller lagern oder in der Wohnung. Wenn man viel einkauft, die Dinge aber nur kurz benutzt und dann wegstellt, ist das vielleicht der Anfang der Kaufsucht. Aber zu teure Dinge kaufen und deswegen ins Minus zu rutschen ist für mich keine Kaufsucht, sondern zeugt von einem fehlenden Verhältnis zu Geld oder zu viel Sorglosigkeit.
Eine Sucht bemerkt man selber am Anfang wahrscheinlich nie. Deswegen kann man ja auch immer weiter da hinein rutschen. Man redet sich die Dinge schön. Bei einer Kaufsucht, die schon soweit fortgeschritten ist, dass sich die Gegenstände in der Wohnung doppelt und dreifach stapeln, kann sich der Betroffene vielleicht einreden, dass er die Dinge ja weiterverkaufen kann oder dass er einen guten Vorrat hat, wenn Sachen kaputtgehen. Man kann die unlogischsten Dinge rationalisieren. Daher kann ich mir gut vorstellen, dass manche Menschen die Kaufsucht selbst in einem fortgeschrittenen Stadium nicht als solche erkennt.
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