Corona-Lockerungen zu verfrüht und zu riskant?
Wenn man sich mal aktuelle Umfrageergebnisse zu den Corona-Lockerungen anschaut, dann sind bei den meisten Menschen der Meinung, dass diese zu früh kämen. Also ich empfinde diese Lockerungen nicht als verfrüht und finde diese schon recht ausgewogen und sehne schon förmlich die nächsten herbei. Welches Gefühl habt ihr denn im Zusammenhang mit den Corona-Lockerungen? Findet ihr auch, dass zu schnell gelockert wird oder hättet ihr euch sogar noch mehr Lockerungen und Aufhebungen an Beschränkungen gewünscht?
Ich persönlich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, weil ich kein Experte für Epidemien und Viren bin. Daher kann ich nicht gut abschätzen, ob nun bald die Fallzahlen wieder in die Höhe schnellen werden oder nicht,da ich nicht weiß, welche Faktoren hier maßgeblich eine Rolle spielen. Ich würde daher denken, dass man den gegenwärtigen Status der Lockerungen nun einige Zeit beibehalten sollte, um festzustellen, wie sich die Fallzahlen entwickeln werden. Sollten diese weiterhin stabil bleiben, können weitere Lockerungen folgen.
Derzeit sehe ich allerdings einige der Lockerungsregelungen in sich widersprüchlich und zum Teil sogar kontraproduktiv. Es dürfte aus virologischer Sicht keinen Vorteil bringen, wenn die Gastwirte in Bayern ihre Gäste nach 20 Uhr in die Innenräume schicken müssen, wo vermutlich das Infektionsrisiko größer ist als im Freien. Und warum man beispielsweise einen Tierparkbesuch in München nur dann unternehmen darf, wenn ich spätestens am Tag zuvor online gebucht und außerdem das Onlineticket unbedingt ausgedruckt habe, erschließt sich mir auch nicht unbedingt.
Ich kann hier auch nur von meinen subjektiven Eindrücken ausgehen und bin entsprechend hin und her gerissen: Einerseits sind die Fallzahlen ja sehr schön gesunken, und dadurch schwindet eben die wissenschaftliche Argumentationsgrundlage für harsche Beschränkungen bis hin zum Lockdown. Ebenso habe ich Verständnis dafür, dass auch wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle spielen, wenn es um Lockerungen geht - schließlich möchte ich auch nicht, dass nur die großen Konzerne überleben und jeder kleine Laden, jedes Café und jede private Kulturinitiative Pleite machen.
Andererseits sehe ich aber auch, dass die Lockerungen anscheinend bei vielen ein Gefühl der falschen Sicherheit erzeugen. Als alles noch ernst und finster war, wurden die Maßnahmen meiner Erfahrung nach in der Bevölkerung gut angenommen und umgesetzt, und exakt darauf kommt es ja an. Aber die Lockerungen erzeugen ein in meinen Augen verfehltes Gefühl der Wurschtigkeit, auch weil sie teilweise widersprüchlich sind.
Wenn man auf die Vernunft der breiten Masse setzen könnte, die sich nicht nur an die Regeln hält, deren Überschreitung teuer wird, sondern weiterhin vorsichtig, rücksichtsvoll und solidarisch bleibt, wären die Lockerungen meines Erachtens einwandfrei zu vertreten und überhaupt nicht riskant. Aber "Vernunft" und "breite Masse" schließen sich gegenseitig aus, sodass nur der Holzhammer funktioniert, und mit dem kann man nicht dauerhaft von oben draufhauen.
Mir geht es immer noch so, dass ich mich nicht beschränkt fühle und auch nie beschränkt gefühlt habe, von daher wüsste ich nicht, was ich da herbeisehnen soll. Obwohl, das Eis essen mit Mindestabstand zum Eiscafé ist schon etwas störend, weil man da eigentlich schön sitzen kann in der "Eislecksperrzone", der Mindestabstand wird von Bäumen ganz von selber geregelt.
Sicher besteht immer ein gewisses Risiko wenn sich wieder mehr Menschen versammeln dürfen, aber das realistische Ziel war ja nicht, dass es überhaupt keine Infektionsausbrüche mehr gibt sondern, dass man die Infektionsketten wieder nachvollziehen kann. Das scheint ja weitestgehend wieder zu funktionieren. Ich habe jedenfalls in letzter Zeit nichts von unerklärlichen Ausbrüchen gelesen.
Aber bei der Vernunft der Masse bin ich auch skeptisch. Wir hatten als eine der ersten Städte Versammlungsverbote, Betretungsverbote von Parks und solche Sachen und der Grund dafür war die breite Masse. Es wurde erst mal auf Vernunft und Freiwilligkeit gesetzt und das Ergebnis war dann, dass mehrere große Partys stattfanden, obwohl zu dem Zeitpunkt ganz in der Nähe, im Elsass, die Hölle los war und die Krankenhäuser nicht mehr wussten wohin mit den Patienten.
Das ist wirklich schwierig zu beurteilen. Da hat man nun Länder, in denen es trotz aller Maßnahmen drunter und drüber geht und in denen sich die Leichen stapeln. Und dann hat man Länder, die so gut wie keine Maßnahmen ergreifen und trotzdem nichts passiert.
Unterm Strich halte ich aber Isolation und Quarantäne für den falschen Weg. Länder, in denen sich das Virus weiter ausbreiten konnte wie Schweden, haben zwar zunächst höhere Sterberaten. Dies liegt daran, dass sich das Virus dort schneller ausbreiten konnte, als in Ländern mit Schutzmaßnahmen. Aber dafür haben wir dort auch eine wesentlich höhere Immunisierung in der Bevölkerung, sodass Schweden einer zweiten Welle entspannt entgegentreten kann. Im Falle einer zweiten Welle könnte es also Länder, die die Infektionsrate gering gehalten haben, wesentlich schwerer treffen als jene, in denen sich das Virus schon verbreiten konnte.
Nun war es aber auch nie Sinn der Sache, dass sich möglichst wenig Menschen infizieren. Es ging nur darum, die Geschwindigkeit der Verbreitung zu kontrollieren, damit es nicht alle auf einmal bekommen und das Gesundheitssystem zusammenbricht. Insofern ist bei der entspannten Lage hierzulande eine Lockerung und kontrollierte Weiterverbreitung des Virus in meinen Augen akzeptabel, denn nur mit flächendeckender Infektion und somit Immunisierung kann man dem Virus wirklich die Gefahr nehmen.
Es ist aber auch so, dass die Leute langsam die Schnauze voll haben von Kontaktverboten usw., sie halten das langsam nicht mehr aus. In meinem Umfeld interessiert das die meisten Leute auch nicht mehr, wenn man sich treffen will, trifft man sich, auch wenn dann eben vier Haushalte zusammen kommen, anstatt der vorgeschriebenen zwei. Man darf sich im Wartezimmer beim Arzt oder in Schulen etc. mit einer beliebigen Zahl an Haushalten zusammen setzen, insofern der Mindestabstand gewahrt bleibt, wofür hier in Niedersachsen nicht einmal eine Maskenpflicht gilt. Aber ich darf das Gleiche nicht mit Freunden in einem großen Wohnzimmer. Es wird langsam anstrengend das noch zu verstehen.
Man soll sich Regeln unterwerfen, die der menschlichen Natur komplett zuwider laufen, während man beobachtet, dass außer eher lächerlichen Zahlen in den Nachrichten rein gar nichts passiert. Lockerung oder nicht, die Menschen machen das so oder so nicht mehr lange mit.
Paulie hat geschrieben:denn nur mit flächendeckender Infektion und somit Immunisierung kann man dem Virus wirklich die Gefahr nehmen.
Klingt so als wäre das eine feststehende Tatsache, dabei weiß man noch nicht mal ob eine Infektion überhaupt zu einer Immunität führt und wenn ja, wie lange die dann hält. Ein weiteres Problem ist, dass man immer mehr Spätfolgen sieht. Da ist nicht nur die Lunge betroffen sondern teilweise auch andere Organe oder das Nervensystem.
Und das trifft nicht nur die sogenannten Risikogruppen, da sind auch junge, gesunde Leute dabei, die gar keinen so schweren Verlauf hatten, aber auch noch Monaten noch keine Treppen steigen können ohne aus der Puste zu kommen oder die keinen Geschmackssinn mehr haben. Klingt erst mal nicht so dramatisch, mindert die Lebensqualität aber wahrscheinlich schon erheblich.
Natürlich muss man abwägen und kann nicht alle in Quarantäne schicken bis das Virus verschwunden ist, aber manche glauben anscheinend, dass eine überstandene Infektion bedeutet, dass man dann gesund und immun sei und werden deshalb vielleicht leichtsinnig.
Cloudy24 hat geschrieben:Mir geht es immer noch so, dass ich mich nicht beschränkt fühle und auch nie beschränkt gefühlt habe, von daher wüsste ich nicht, was ich da herbeisehnen soll.
Das ist bei mir schon anders, da ich ein recht vielseitig aktiver Mensch bin, der normalerweise gern reist, häufig ins Kino, in Ausstellungen, Museen und ins Theater geht, Bibliotheken und Fitnessstudios nutzt, und so weiter. Das sind lauter Dinge, die in den letzten Monaten geschlossen bzw. nicht möglich waren und nun allmählich unter Beschränkungen wieder möglich werden. Ehrlich gesagt vermisse ich schon meine geliebten Kino- und Theaterbesuche, und auch die Büchereien habe ich vermisst, denn da bin ich normalerweise alle paar Tage zu finden.
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