Ist die heutige Generation beziehungsunfähig?
Vor kurzem habe ich einen interessant geschriebenen Artikel über die heutige Generation gelesen. Dort stand drin, dass die Generation immer nach der Perfektion sucht und scheinbar komplett beziehungsunfähig geworden ist. Man will sich nicht auf den einen Partner einlassen, sondern sucht immer nach einem noch besseren.
Glaubt ihr, dass das in der heutigen Generation tatsächlich so ist? Wollen wir immer die Perfektion und streben nach dem tollsten Partner mit den besten Eigenschaften und dem perfekten Körper?
Ich könnte mir schon vorstellen, dass dem der Wahrheit entspricht. Dabei stellt sich mir aber die Frage, wer genau zählt in der Kategorie "heutige Generation"? Alle die Momentan leben? Alle bis 30 Jahre? Oder nur die jungen Erwachsenen?
Ich denke aber, dass ich mit meinen jungen 20 Jahren doch schon dazu zähle. Ich selbst habe einen Partner, der mir sehr wichtig ist, aber auch alles andere als Perfekt ist. Trotz allem würde ich ihn für nichts auf der Welt eintauschen und ich bezweifle, dass ich jemals jemanden kennen lernen werde, der besser zu mir passt als er.
Aber bereits in meiner Jugend ist mir aufgefallen, dass meine gleichaltrigen Mitmenschen, was Beziehung angeht, sehr locker damit umgegangen sind. Selten gab es wirklich Liebe in einer Beziehung. Meist waren die Freunde einfach "süß" oder "scharf". Und sobald jemand besseres aufgetaucht ist, wurde sich gleich an diesen jemand geschmissen. Dieses Verhalten haben viele dieser Personen auch noch heute und einige haben deswegen bereits auch Kinder. Mit den Vätern sind sie natürlich ebenfalls schon lange nicht mehr zusammen.
Ich finde, was das angeht, ist die Gesellschaft heutzutage total verkommen. Ein Spruch, den ich dazu wirklich passend finde ist: "Früher hat man Dinge, die kaputt waren nicht weggeschmissen. Man hat sie repariert." Genau dieses Verhalten, dass alles sofort weggeschmissen wird, sobald etwas besseres auf den Plan tritt, greift auf wirklich alle Aspekte im Leben. Ob es die Beziehungen sind, die man führt, das Smartphone, das man benutzt oder der Job. Es ist nur noch wichtig, wie es nach außen hin aussieht.
Natürlich gibt es da auch Ausnahmen, zu welchen ich mich auch zähle. Ich habe weder das neueste Smartphone noch den perfekten Freund. Er ist wirklich alles andere als perfekt. Ich glaube würde ich ein wenig über ihn erzählen, würden viele die Hände über den Kopf zusammenschlagen.
Ich kenne aber auch wirklich nur sehr wenige, die sich dieser heutigen Philosophie nicht anschließen und ich habe ehrlich gesagt auch keinen Respekt vor solchen Menschen, die sich so von der Gesellschaft beeinflussen lassen.
Mir stellt sich hier die Frage, ob es frühere Generationen wirklich so viel besser hatten. Meine Mutter hat mit 27 Jahren geheiratet, weil sie langsam als "spätes Mädchen" galt. Meine Großmutter wollte sich gerne scheiden lassen, hatte aber Angst, dann mittellos dazustehen und von der Gesellschaft geächtet zu werden.
Also nur, weil früher die Menschen gleich geheiratet haben und ein Leben lang zusammen blieben, heißt das nicht, dass sie sich mehr geliebt haben als heutige Paare. Dass sie total glücklich miteinander waren, weil sie nicht so hohe Ansprüche hatten.
Also ich sehe eher das Positive an der Entwicklung. Niemand verweigert einem eine glückliche Beziehung bis dass der Tod sie scheide. Wenn man den richtigen Menschen dazu gefunden hat, ist das ja problemlos möglich. Aber im Gegensatz zu früher, müssen wir nicht mehr bei einem Partner bleiben, wenn wir unglücklich sind.
Wir müssen nicht heiraten, um Sex haben zu dürfen oder weil Unverheiratet nicht zusammen eine Wohnung anmieten dürfen. Wir müssen nicht zusammen bleiben, um unsere Eltern nicht zu enttäuschen oder um der Kinder willen, die als seltene Scheidungskinder sehr leiden würden oder aus finanziellen Gründen oder weil man sonst von der Gesellschaft verachtet wird.
Das Streben nach absoluter Perfektion ist natürlich absolut utopisch, wenn es um Menschen geht. Kein Mensch ist perfekt. Aber ich würde niemanden als beziehungsunfähig bezeichnen, wenn er nicht bei einem Partner bleibt, mit dem er nicht glücklich ist.
Ich sehe das so wie Bienenkönigin. Meine Eltern sind sehr streng erzogen worden und auch sehr konservativ aufgewachsen, auch wenn die beiden verhältnismäßig noch sehr jung sind. Das bedeutet, dass beide ihren ersten Partner geheiratet haben, also sich. Es wäre nie in Frage gekommen, mehrere wechselnde Partner gehabt zu haben. Für meine Eltern wäre es auch nie in Frage gekommen, mehrere Jahre einfach so zusammen zu sein ohne zu heiraten. Das war bei ihnen quasi ein "muss", auch von der Familie her.
Meine Eltern haben sich mittlerweile mit sich und ihrer Beziehung arrangiert, wobei ich aber weiß, dass meine Mutter einfach sehr lange sehr unglücklich war. Sich scheiden zu lassen war aber nie eine Option. Die Schwester meiner Mutter, also meine Tante hat ein uneheliches Kind und sich scheiden lassen. Aus diesen Gründen wurde sie von der Familie verstoßen und genießt nach wie vor ein sehr schlechtes Ansehen. So etwas gehört sich nicht, weder für meine Eltern und erst recht nicht für die früheren Generationen.
Was hätte man denn auch machen sollen, als sich mit der Situation zu arrangieren und mit dem Partner zusammen zu bleiben, auch wenn man unglücklich war? Früher war es eben nicht üblich, sich scheiden zu lassen, erst recht nicht, wenn Kinder im Spiel waren. Und Kinder zu bekommen ohne zu heiraten oder erst viel später zu heiraten war eben auch ein absolutes No Go.
Das ist ja mittlerweile aber alles anders. Wenn man unglücklich in der Beziehung oder der Ehe ist, trennt man sich einfach oder lässt sich scheiden. Man ist deshalb doch gesellschaftlich nicht weniger angesehen. Und es ist eher eine Ausnahme als die Regel, dass man nur einen Partner im Leben hat und dass die Beziehung auch ein Leben lang hält. Das ist doch aber etwas Positives. Man hat die Mittel und die Möglichkeiten, sein Schicksal nicht einfach so hinnehmen zu müssen, wenn man unglücklich ist. Man kann sich einen neuen Partner suchen oder auch Single bleiben, wenn man das möchte, ohne deshalb direkt von der Familie verstoßen zu werden.
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