Sauer auf Partner, wenn dieser nicht ehrenamtlich hilft?
Eine Bekannte von mir (T.) kennt meinen Freund, da ihr Partner und mein Freund früher in der gleichen Kanzlei als Referendare gearbeitet haben. Nun arbeiten sie in unterschiedlichen Kanzleien und verdienen natürlich auch nicht gerade schlecht. T. selbst ist wie noch Studentin und versteht einige Handlungen ihres Partners nicht.
Neulich erzählte dieser ihr aufgebracht von einer Mandantin die zu ihnen gekommen wäre, obwohl er gehört hatte, dass sie es sich angeblich nicht leisten könnte. Die Kanzlei nimmt einen Stundenlohn von 340 Euro und die Mandantin würde ihnen wohl schon allein für die Vorbereitung und das Gespräch über 900 Euro Schulden. Nun wolle er aber nicht weiter arbeiten, eben weil er gehört hatte, dass sie nicht zahlen könnte. Er hatte die Mandantin daher darauf hingewiesen, dass er erst wieder weiter machen würde, wenn sie das Geld überwiesen hätte.
Die ganze Sache ist dahingehend sehr traurig, da die Mandantin vor kurzem erst ihre Eltern bei einem Unfall verloren hat und bei der Sache wegen der sie zu der Kanzlei gekommen war, handelte es sich um einen Fehler beim Umbau ihres Hauses zu einem behinderten gerechten Haus, in dem sich der Vater mir dem Rollstuhl hätte bewegen können. Die Stadt hatte aber offenbar bestimmte Einwände und nun streitet sie sich mit der Stadt, da sie auch einen Frist verpasst hat. Natürlich erzählte der Freund von T. das aus seiner Sicht, eine unverschämte Mandantin die seine Arbeit in Anspruch nimmt, obwohl sie es sich nicht leisten kann.
T. war entsetzt über seine Reaktion und fragte, warum er denn nicht trotzdem helfen würde, auch wenn es sein könnte, dass sie nicht bezahlt oder zumindest nicht alles sofort bezahlt. Immerhin ist das ja doch ein sehr tragischer Fall und die Frau ist sicherlich erstmal noch geschockt, wegen dem Tod ihrer Eltern, Ihr Freund betonte daraufhin, dass sie ja keine ehrenamtliche Organisation wären und die Kanzlei müsste ja auch sehr viel Miete zahlen und so weiter. Daraufhin entgegnete T. dass es sicherlich nicht um Miete ginge, sondern eher wohl darum, wer sich demnächst welchen Porsche kauft. Denn am Hungertuch nagt die Kanzlei nicht gerade.
Ihr Freund musste ihr daraufhin recht geben meinte aber, dass er dennoch nichts ehrenamtlich machen wolle. Er hätte ja auch erst gerade bei der Kanzlei angefangen und da wolle er Geld reinbringen. Nun ist T. sauer auf ihren Freund und die beiden sprechen wohl schon seit einigen Tagen nicht mehr miteinander. T. ist sauer auf ihren Freund, weil er als Mitarbeiter einer reichen Kanzlei nicht ehrenamtlich jemandem helfen möchte. Dabei müsste er das wahrscheinlich nicht einmal ehrenamtlich tun, denn die Frau würde das Geld wahrscheinlich bezahlen, nur vielleicht nicht direkt alles auf einen Schlag.
Ich selbst kann T. schon ein wenig verstehen, denke aber, dass man damit rechnen muss, wenn man einen Freund hat der Rechtsanwalt ist. Mein Freund arbeitet auch als Rechtsanwalt und ehrlich gesagt schätze ich ihn auch nicht direkt als Menschenretter ein. Wärt ihr sauer auf euren Partner, wenn dieser wegen unbegründeter finanzieller Vorwände niemandem helfen wollen würde, der es offenbar nötig hat? Wie würdet ihr an T.'s Stelle reagieren? Oder würdet ihr da kein großes Theater drum machen?
Ich bin ein sehr sozial eingestellter Mensch. Mir würde es daher sehr auf den Geist gehen, wenn mein Freund auf diese Art und Weise reagiert hätte. Immerhin kann man sich scheinbar mit wenigen Stunden arbeiten schon sein Leben finanzieren und wenn man dann mal einer Person wirklich hilft, dann kann das ja nicht so schlimm sein.
Immerhin kann er ja auch eine Ratenzahlung mit ihr vertraglich vereinbaren, aber scheinbar ist er dafür zu Geldgierig und zu wenig sozial eingestellt. Ich finde so ein Verhalten wirklich schlimm, weil in so eine Situation wirklich jeder mal kommen kann und man dann auch darauf angewiesen ist, dass man Hilfe bekommt.
Als Jurist arbeitet man neuerdings mit Stundenlohn? Bisher wurde da immer nach Gebührenordnung abgerechnet. Aber wie dem auch sei, man kann es von verschiedenen Seiten her sehen. Zum einen will der Freund von T. ja auch monatlich sein Gehalt bekommen. Daher kann er es sich eigentlich nicht leisten, dass er kostenlos seine Leistungen anbietet. So was spricht sich gern und vor allem schnell rum und dann haben sie dort plötzlich nur noch Leute mit ihrem Anliegen stehen, die am Ende nicht zahlen können.
Man kann aber so einen Fall, gerade wenn es gegen die Stadt geht, auch nutzen, um sich als junger Anwalt einen Namen zu machen. Denn der ist auch wichtig, um langfristig auch wirklich große Fälle auf den Tisch zu bekommen. Von daher wäre es wohl sinnvoll, wenn man hier einen Mittelweg finden würde. Und jeder Anwalt gibt eigentlich auch die Möglichkeit über Ratenzahlungen, wenn finanziellen Nöte des Mandanten bekannt sind.
Allerdings steht dann wieder die Frage im Raum, ob die gute Frau da von Anfang an mit offenen Karten gespielt hat. Denn es macht für mich schon den Unterschied ob man dass gleich klärt, dass man die Kosten auch auf Ratenzahlung machen kann oder ob es erst dazu kommt, wenn klar ist, dass die Rechnungen nicht so bezahlt werden können, wie sie ausgestellt worden sind.
Ich finde die Situation schwierig zu beurteilen. Arbeitet der Freund von T. denn als Partner in der Kanzlei oder als Angestellter? Darauf würde es für mich schon ankommen, denn als Angestellter hat er sicher nicht die Möglichkeit, die Frau einfach ohne Bezahlung zu vertreten. Aber wenn er selber verantwortlich ist, dann kann er das vielleicht machen. Allerdings wirft es auf ihn innerhalb der Kanzlei vielleicht auch nicht das beste Licht, wenn sich so etwas herum spricht.
Und wenn dann noch mehr Menschen ankommen, die es sich nicht leisten können, aber eben Hilfe durch einen Anwalt brauchen, dann ist das sicher nicht angenehm. Von dem Standpunkt her kann ich es schon verstehen, dass der Freund von T. nicht bereit ist, in dem Fall weiter zu arbeiten. Aber ein wenig mehr Hilfsbereitschaft könnte ihm in dem Job trotzdem nicht schaden. Man sollte nicht immer nur den finanziellen Aspekt betrachten.
Moralisch und ethisch gesehen ist es natürlich nicht unbedingt schön, wie der Partner handelt. Aber ich kann das absolut nachvollziehen. In welchem Beruf handelt man denn immer ethisch, menschlich und moralisch korrekt? Man muss in manchen Berufen einfach das menschliche Schicksal ausblenden, um zum einen erfolgreich im Beruf zu sein und zum einen nicht irgendwann selbst psychisch kaputtzugehen. Als Arzt oder Altenpfleger darf man sich das einzelne Schicksal der Menschen doch auch auf gar keinen Fall zu nahe gehen lassen. Ansonsten könnte man die Arbeit doch kein einziges Jahr durchziehen.
Man ist dann einfach eben Anwalt oder Arzt und nicht Mensch an sich. Und natürlich würde man aus menschlicher Sicht manche Sachen eben anders machen. Als Mensch an sich würde man sich wahrscheinlich die Geschichte der Menschen anhören, mehr Zeit für die Patienten widmen oder ein Tier eben nicht einschläfern lassen, sondern versuchen, es doch noch aufzupäppeln. Aber manchmal zählt das nicht, wenn man seinen Beruf ausüben will und dann Entscheidungen treffen muss, die anderweitig wichtig sind.
Ich kann es verstehen, dass die Freundin da eben kein Verständnis hat, muss aber schon sagen, dass ich es gut finde, dass der Partner eben nicht ehrenamtlich arbeitet und bei seinem Standpunkt bleibt. Was wäre denn, wenn haufenweise solcher Leute zu ihm kommen? Soll er denn für alle nur noch gratis arbeiten? Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der Vorgesetzte sonderlich begeistert darüber wäre, sofern dem Freund die Kanzlei nicht selbst gehört. Das wirft doch ein schlechtes Licht auf die gesamte Kanzlei und so etwas spricht sich doch auch herum und dann verliert sie eben auch an Ansehen. So etwas kann man nicht machen.
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