Wird Kaufsucht besonders gerne bagatellisiert?
Ich sah kürzlich eine Dokumentation zum Thema Kaufsucht, wobei dort auch erwähnt worden ist, dass Kaufsüchtige oft das Problem hätten, dass ihr Verhalten ziemlich oft bagatellisiert würde, sobald sie sich eben "outen" würden. Dann würde es heißen, dass man doch einfach weniger kaufen soll, dass das nicht so schwer sein könnte und dergleichen.
Mir erschließt sich nicht, was das primär mit Kaufsucht zu tun haben soll. Ich könnte mir vorstellen, dass Menschen mit Essstörungen ebenfalls mit solchen Problemen konfrontiert sind oder eben Menschen mit Depressionen. Gerade bei Depressionen hört man ja oft so etwas wie: "Mach gute Musik an und alles ist wieder gut".
Wie seht ihr das? Meint ihr, dass Kaufsucht besonders gerne bagatellisiert wird und es Betroffene daher besonders schwer haben? Oder kennt ihr genug andere Probleme, wo man ebenfalls mit Bagatellisierung rechnen muss? Welche Beispiele fallen euch noch dazu ein und wie können Betroffene damit umgehen?
Ich denke schon, dass man es mit Kaufsucht schwer hat, weil es bagatellisiert wird, aber das ist oft bei Süchten so. Man bekommt schnell mal gesagt dass man nur das oder das machen muss und dann ist alles wieder gut. Bei Kaufsucht ist es aber besonders blöd, da man dann auch gerne mal dazu genötigt wird etwas zu kaufen, weil man gemeinsam einkaufen geht und so weiter. Als Alkoholiker hat man es aber auch nicht leichter, weil viele Leute Trinken als Gemeinschaftserlebnis und - gefühl sehen.
Ich glaube auch, jede psychische Krankheit wird früher oder später von irgendwem bagatellisiert, so wie der Depressive an eingebildeter schlechter Laune leidet und der Süchtige sich doch mal ein wenig am Riemen reißen soll. Da gibt es nichts, was es nicht gibt, wobei Süchtige ja generell schon oft denken, sie hätte es am härtesten getroffen und speziell ihnen würde am übelsten mitgespielt und ihr Schicksal würde von der Umwelt nicht genug wahrgenommen. Ich glaube, das liegt auch im Wesen der Krankheit begründet.
Kaufen ist aber schon eine speziellere Sache. Es gibt auch noch andere Süchte, die gar nicht von vielen als solche wahrgenommen werden, neben dem Kaufen ist es besonders das Arbeiten, weil das eben wie der Konsum gesellschaftlich gewollt und gefördert wird. Essen und Sexsucht sehe ich ähnlich. Diese Süchte sind aber besonders schwierig zu handhaben, weil es da keine Möglichkeit gibt, dem vollkommen zu entkommen. Man kann dem Alkohol, den Medikamenten, harten Drogen und einer Spielhalle versuchen für immer zu entsagen, beim Kaufen geht das nicht.
Außerdem kaufen auch viele Nichtbetroffene mit Genuss ein und auch gerne mal zu viel, sodass die Grenzen so fließend sind, dass jeder sich berufen fühlt, etwas dazu sagen zu können und das dann als schlechte Angewohnheit abzutun. Jemand, der gesteht, er wäre dem Heroin oder der Spielsucht entkommen, wird vermutlich wirklich erstmal mehr Mitleid und Anerkennung bekommen als ein Kauf-, Arbeits- oder Sexsüchtiger, weil uns harte Drogen und Spielhallen viel fremder sind, als einfach nur vermeintlich zuviel zu kaufen oder zu essen.
Das Problem ist glaube ich, dass wir eigentlich fast alle zu viel kaufen. Dass wir alle zu viel Zeug haben und, dass fast jeder irgendwelche "Schrankleichen" hat. Dass es normal geworden ist einen Kredit aufzunehmen weil man neue Möbel oder einen größeren Fernseher haben möchte. Nicht weil man die Sachen braucht sondern weil man sie einfach nur haben will.
Ein Süchtiger verhält sich also gar nicht so viel anders als der Durchschnittsbürger. Das ist nicht so wie zum Beispiel bei einem Spielsüchtigen, mit dessen Welt ganz viele Menschen wahrscheinlich überhaupt nichts anfangen können, weil sie nur einmal im Leben in einem Spielcasino waren und nicht mal wissen, wie die Automaten in den Kneipen genau funktionieren.
Unser gesamtes Wirtschaftssystem basiert ja darauf, dass die KonsumentInnen gerade nicht bescheiden und sparsam haushalten und auch mal auf etwas verzichten, sondern kaufen, kaufen, kaufen. Bedürfnisse werden künstlich hervorgerufen, die nur auf eine ganz bestimmte Art gedeckt werden können, und Neid und Gruppenzwang sogar aktiv gefördert. Alles, um an das Geld der Menschen zu kommen.
Von daher ist Kaufsucht wirtschaftlich gesehen sogar eine gute Sache, wie Spielsucht für die Casinos oder Nikotinabhängigkeit für die Tabakhersteller. Der Unterschied besteht in meinen Augen nur darin, dass Konsum in den Augen der Mehrheit völlig normal ist und sogar ein Stück Lebensqualität darstellt. Da fällt es manchen Leuten wohl schwer, sich vorzustellen, dass jemand darunter leidet, zwanghaft "shoppen" zu müssen.
Und dass psychische Krankheiten aller Art gerne heruntergespielt werden, ist ja ein alter Hut. Empathie ist nicht jedermanns Sache, und "unsichtbare" Krankheiten sind in den Augen vieler immer noch eher Charakterschwächen als irgendwas sonst.
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