Nicht mit Erkrankung des Partners auseinandersetzen wollen?
Zitronengras hat geschrieben:Sondern die wird sie ihm mitgebracht haben, weil er sich vermutlich nie so wirklich für sie interessiert und möglicherweise wusste sie sich dann nicht anders zu helfen, als es mal auf diesem Weg zu probieren.
Prinzipiell würde ich dir zustimmen, wenn es sich um eine andere thematisierte Erkrankung handeln würde. Da es sich aber hierbei um Depressionen handelt, stimme ich dir nicht zu. Dir scheint nicht bewusst zu sein, wie komplex Depressionen sind und dass man sich immer als "Opfer" sieht, wenn man betroffen ist.
Man ist pauschal der Ansicht, dass es einem selbst am schlechtesten geht (egal wie viel Stress und wie viele Probleme die anderen haben), dass man selbst sich am meisten für die Krankheit interessiert und auch am meisten dafür tut, dass es einem besser geht. Man hat so einen Tunnelblick, ist so auf sich und seine Gefühlswelt fixiert, dass man eine verzerrte Wahrnehmung bekommt und der felsenfesten Überzeugung ist, dass die anderen nichts tun im Gegensatz zu einem selbst. Man selbst kann ja auch am meisten versuchen zu tun, dass es einem besser geht, aber sich selbst in dieser Hinsicht als das Maß aller Dinge zu betrachten, ist doch Irrsinn.
Bei Depressionen hat man Gedanken, dass man minderwertig ist, denn wenn man was wert wäre, würden die anderen sich nonstop bemühen, dass es einem besser geht. Wann tun die anderen etwas, dass es einem besser geht? Wenn es einem besser geht. Wann geht es einem besser? Tja gar nicht, denn du kannst machen was du willst, die Gehirnchemie und damit die negativen Gedanken wird ohne Medikamente oder Therapie kaum beeinflusst. Es ist also ein Teufelskreis und egal was der Partner macht, es ist sowieso alles falsch, denn sonst würde sie sich ja besser fühlen. Ihre subjektive, verzerrte Wahrnehmung hat aber nichts mit seinen realen Handlungen und Taten zu tun.
Die Broschüre hätte in dem Fall auch nichts gebracht. Selbst wenn er sie in die Hand genommen und gelesen hätte, hätte sie hinterher immer noch die Ansicht, dass er viel zu wenig für ihren Zustand tun würde und sich viel zu wenig interessieren würde. Nur, weil sie selbst sich ausführlich dafür interessiert (weil es sie ja betrifft) und sich quasi nonstop damit auseinander setzt, möglicherweise sogar arbeitslos ist und daher sehr viel Zeit hat, sich damit zu befassen, interessiert ihn das doch nicht weniger, wenn er anders als sie agiert.
Prinzipiell würde ich dir zustimmen, wenn es sich um eine andere thematisierte Erkrankung handeln würde. Da es sich aber hierbei um Depressionen handelt, stimme ich dir nicht zu. Dir scheint nicht bewusst zu sein, wie komplex Depressionen sind und dass man sich immer als "Opfer" sieht, wenn man betroffen ist.
Du scheinst sehr negative Erfahrungen mit Depressiven gemacht zu haben. Ich finde, die Einschätzung, dass sie sich immer als Opfer sehen, zu verallgemeinernd. Eine Depression liegt dann vor, wenn jemand über längere Zeitraum niedergeschlagen und interessenlos ist. Mehr nicht, das sind die Hauptkriterien. Es kann jemand zusätzlich Minderwertigkeitsgefügle oder Schuldgefühle haben, sich als Opfer sehen, muss er aber nicht. Es ist nicht so, dass jeder Depressive sich immer als Opfer sieht, also so weit gehe ich da nicht mit. Wenn du einen Depressiven kennst, bei dem das so war, dass er eine Opferhaltung hatte, ist das nicht bei anderen genauso ausgeprägt.
Wann geht es einem besser? Tja gar nicht, denn du kannst machen was du willst, die Gehirnchemie und damit die negativen Gedanken wird ohne Medikamente oder Therapie kaum beeinflusst.
Das stimmt auch nicht. Depressionen verlaufen meistens phasenweise und die meisten haben nur mal eine Phase, die auch von alleine wieder weggeht, selbst wenn man nichts machen würde, weil die Gehirnchemie sich dann selbst reguliert. Das ist vor allem der Fall, wenn es einen Auslöser gibt, beispielsweise einen Verlust, und dann ist man eine Weile niedergeschlagen, erfüllt die Kriterien der Depression, aber irgendwann kriegt man sich wieder ein.
Manche haben mehrere Phasen und manche haben eine chronische Depression, die dann dauerhaft bleibt. Es stellt sich auch die Frage, ob man bei einer kurzen Phase überhaupt etwas machen muss oder ob man dann nicht abwartet. Außerdem gibt es viele Dinge, die die Abläufe im Gehirn verändern, beispielsweise werden Lichttherapien oder Sport bei manchen Depressionen eingesetzt oder Schlafentzug und das alles hat auch Einflüsse. Der Depressive ist also kein auf ewig zum Trauerkloß Verurteilter.
Wenn jemand eine chronische Depression hat, die schon über Jahre besteht, dann könnte man vielleicht wirklich daran denken, dass sich hier nicht mehr viel ändern wird, Manchen bringen ja auch die Therapien und Medikamente nicht viel und es bleibt ein depressives Niveau bestehen. Aber auch dann muss keine Opferhaltung bestehen; manche sind einfach nur sehr interessenlos und können sich zu nichts aufraffen und andere sind vielleicht nur sehr emotional.
Es klingt so, als hättest du mal eine depressive Freundin gehabt. Aber nur weil du es bei ihr so erlebt hast, sind nicht alle so. Ich kenne auch mehrere Depressive und die sind jeweils ganz anders. Ich hatte mal kurz einen depressiven Partner, dem hat man meistens nichts angemerkt, aber wenn er gerade so eine depressive Verstimmung hatte, stand eher die Interessenlosigkeit im Vordergrund, da war er zu nichts so richtig zu gebrauchen. Mein Cousin ist depressiv, auch chronisch, bei ihm ist es genau anders herum, er ist sehr aktiv und macht total viel, aber er hat vor allem Konzentrationsprobleme und wirkt überreizt. Ich kenne eine depressive Frau, die ist vor allem von anderen Leuten überlastet; bei ihr ist es eher der Wunsch, zu Haus zu bleiben, niemanden groß zu sehen, aber sie macht niemandem Vorwürfe.
Eine kurze Zeit hatte ich einen depressiven Bekannten und der war so, wie du es beschreibst. Er jammerte, dass sich andere nicht nett genug verhalten und man musste nur ein falsches Wort bringen, dass so eine Jammerarie losging. Das war in der Tat sehr nervig und für mich auch nicht zu ertragen, sodass ich den Kontakt dann beendet habe, weil man ohnehin nie gut genug war. Aber das war nur ein Beispiel von vielen, bei denen es anders ist. Depression muss nicht bedeuten, dass jemand permanent eine Opferhaltung hat.
Und man kann sich vielleicht vorstellen, dass die Frau in dem Eingangspost generell eine zarte und zurückhaltende Person ist und der Mann ein etwas ignorante Typ (nur Spekulation, aber vielleicht stimmt es?) und dass sie deswegen depressiv ist, weil sie sich in der Beziehung dauerhaft nicht gesehen fühlt, weil er ihre Wünsche dauerhaft nicht wahrnimmt und generell jemand ist, der nicht auf seine Freu so achtet und das erst dazu geführt hat, dass es ihr immer schlechter geht und ihr auch der Elan fehlte, die Beziehung zu verlassen. Denn ich denke schon, dass der Partner wenigstens mal das Heftchen hätte anschauen können. Egal, was nun danach passiert wäre, aber jeder, der seinen Partner schätzt, würde doch an der Stelle zumindest mal so tun als würde es ihn interessieren und sich das Ding angucken.
Man kann ja nicht in den Kopf des Mannes schauen, so dass man einfach nicht weiß, weshalb er so reagiert hat. Ich denke aber, dass er in der gesamten Beziehung mehr als genug Zeit hatte, sich mit der Krankheit seiner Partnerin auseinanderzusetzen. Es ist ja eben nicht so, dass die Partnerin frisch erkrankt ist und es sich eben um etwas Akutes handelt, sondern etwas, was er möglicherweise schon sein halbes Leben lang kennt und womit er sich schon genug auseinandergesetzt hat.
Wenn man den Partner schon so lange kennt und eben damit auch über Jahre damit konfrontiert wird und sich auch immer wieder im Internet oder in Büchern belesen hat, ist es vielleicht auch irgendwann nervig, wenn man dann mit so einer Broschüre vor dem Gesicht herumgewedelt bekommt. Nur weil man nicht begeistert aufspringt, die Broschüre an sich nimmt und direkt anfängt zu lesen, bedeutet das doch noch lange nicht, dass man sich nicht mit der Krankheit auseinandersetzen möchte. Das hat er wahrscheinlich zur Genüge getan. Und auch wenn nicht, dann ist es eben nichts Akutes.
Ob er die Broschüre jetzt sofort oder eben zu einem späteren Zeitpunkt liest, macht ja bei einer Dauer von Jahren bei einer Depression wahrscheinlich nicht so den großen Unterschied. Von daher finde ich es nicht richtig, dem Mann sofort Desinteresse vorzuwerfen. Man hat nicht immer auf alles Lust, auch wenn es die Gesundheit des Partners betrifft.
Aber ob ich mich nun eine Stunde früher oder später oder auch eine Woche früher oder später über die Knieverletzung meines Partners informiere, an der er schon seit Jahren leidet, macht ja im Endeffekt keinen Unterschied. Letztendlich kann ich ihm ja auch nicht helfen, so blöd es klingt. Natürlich nehme ich Rücksicht bei Schmerzen oder Problemen, aber mein Partner muss ja selbst wissen, was ihm am besten tut und was ihm am besten hilft.
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