Gibt es noch richtige Nachbarschaftspflege?

Wir sind vor ein paar Jahren in eine Nachbarschaft gezogen, wo der Altersdurchschnitt relativ hoch war. Nach und nach ändert sich das und man kommt mit den Leuten mehr und mehr in Kontakt und pflegt die Nachbarschaft.

Das scheint aber nicht mehr üblich zu sein, wenn man sich so im Bekannten- und Freundeskreis umhört. Immer wieder hört man von Streitigkeiten die teilweise sogar bis vors Gericht gehen. Das sind dann größtenteils Befindlichkeiten, die den Streit nicht wert sind.

Aus meiner Kindheit kenne ich das noch anders. Meine Eltern haben oft mit den Nachbarn gesessen und gegrillt und wir Kinder haben gespielt. Manchmal habe ich das Gefühl, dass es den Zusammenhalt zwischen den Nachbarn gar nicht mehr so gibt wie es einmal war. Es wird sich über jede Kleinigkeit aufgeregt oder gleich geklagt.

Wie ist das bei euch in der Nachbarschaft? Pflegt ihr den Kontakt oder gibt es hier Streitereien, die unnötig sind?

Wir leben in einem Dorf und dort ist es dann noch mal eine ganz andere Sache. Hier wird sich durchaus unterhalten und auch mehr als nur gegrüßt. So bin ich neulich mit den Kindern durch den Regen die Straße bis zu unserem Haus gelaufen und hatte keinen Schirm dabei, aber meine Kapuze, ebenso wie die Kinder ihre auf hatten. Mir wurde dann gleich von einer Frau aus der Straße ein Schirm angeboten, die andere Frau wollte mich das kurze Stück noch mit dem Auto mitnehmen. So etwas ist schon sehr schön.

Generell bin ich aber auch einfach kein Typ zum Streiten. Es gibt wirklich wenige Dinge, die mich an einem Nachbarn stören würden. Laut kann er sein, den Garten kann er pflegen, was auch immer. Jeder hat doch sein Leben.

Unser Nachbar im Haus neben uns hat beispielsweise früher eine Metzgerei gehabt und wird immer noch mit Tieren versorgt oder besorgt sich selber welche, die er dann entsprechend zurecht macht um sich Vorräte anzulegen. Da hängt dann also das Tier auf seiner Terrasse, direkt uns gegenüber, aber er versucht auch Rücksicht zu nehmen und hat extra etwas gebaut, damit wir das nicht so einsehen können. Das hat er auch angesprochen, weil unsere Kinder ja noch klein sind. Uns hätte das aber nicht gestört. Man muss gegenseitig immer Rücksicht nehmen finde ich und dem Nachbarn nicht zur Last fallen, aber sich auch helfen, wenn es nötig ist.

In meiner ehemaligen Wohnung wurde die Nachbarschaft noch gepflegt. Das war sehr schön. Wir haben regelmäßig im Garten gegrillt und jeder wusste so einigermaßen über den anderen Bescheid, obwohl die Nachbarn unterschiedlich alt waren und in unterschiedlichen Familienverhältnissen lebten. Ich trauere meinen ehemaligen Nachbarn noch immer hinterher. Im Moment wohne ich in einem relativ anonymen Hochhaus.

Als ich mich bei den Nachbarn vorgestellt habe, haben die meisten ziemlich verständnislos geguckt. Sie kannten es anscheinend gar nicht, dass man sich vorstellt, wenn man neu einzieht. Selbst auf meiner Etage finde ich nur schwer Kontakt. Ich habe es mittlerweile aufgegeben, weil Gespräche, selbst wenn es nur Small Talk ist, anscheinend nicht gewollt wird. Es bleibt beim anonymen Guten Tag, wenn man sich begegnet.

Ich finde das sehr schade, denn durch persönliches Kennenlernen kommen nicht so viele Aggressionen auf. Man weiß dann beispielsweise, dass an einem bestimmten Tag ein etwas lauteres Fest gefeiert wird oder dass sonntags mit viel Knoblauch gekocht wird und sieht das gelassener. Ich finde, dass man Nachbarschaften pflegen sollte, wenn es möglich ist. Hier in diesem Haus wäre es möglich, dass jemand wochenlang tot in der Wohnung liegt und es keiner merkt.