Bei Gehaltsverhandlungen ruhig auch mal dreist sein?
Von einem Bewerbungscoaching habe ich mal den Tipp mitbekommen, gerade bei einer Bewerbung ruhig mal das Dreifache an Gehaltsvorstellung zu fordern. Soll heißen, dass wenn man 2.500€ Bruttoverdienst haben möchte, ruhig mal 7.500€ verlangen.
Ich habe so eine Forderung noch nie aufgestellt und wüsste auch gar nicht, wie ich da argumentieren sollte. Was haltet ihr denn von derartigen Gehaltsverhandlungen und wie schätzt ihr deren Erfolgsaussichten ein? Findet ihr das dreist oder kann und sollte man das ruhig mal ausprobieren?
Also das dreifach an Gehalt zu verlangen halte ich schon für extrem übertrieben bzw. dreist. Da muss man schon wirklich sehr gefragt sein bzw. in einer Branche arbeiten die total "unterbesetzt" ist. Oder man sagt das damit man den Job nicht bekommt weil es ein ungewünschter Vermittlungsvorschlag war.
Ich arbeite im kaufmännischen Bereich als Angestellte /Sachbearbeiterin und da gibt es in unserer Gegend (Einwohnerzahl 120.000) auf eine Stellenausschreibung oft bis zu 100 Bewerbungen. Teilweise sogar noch mehr. Wenn man dann eine der glücklichen 10-20 % ist, die zum Gespräch kommen darf dann sollte man sich davor hüten solche Gehaltsvorstellungen zu äußern. Das würde ich als Arbeitgeber als totale Selbstüberschätzung einordnen. Wenn der Gesprächspartner einen sehr humorvollen Eindruck macht könnte man vielleicht noch sagen " Am Liebsten hätte ich von Ihnen gern 7.500 € aber mit 3.000 € wär ich sehr zufrieden." Aber selbst das kommt sicher nicht überall gut an.
Ich war auch schon in zahlreichen Bewerbungscoachings bzw. Maßnahmen der Arbeitsagentur. Mir wurde als Empfehlung mit auf den Weg gegeben in etwa 15 % bis maximal 20 % auf die gewünschte Gehaltssumme draufzuschlagen. Sprich bei 2.500 € Wunschgehalt wären das dann 3.000 € als Verdienst. Oder man redet vom Einstiegsgehalt und kommuniziert gleich, dass man in den nächsten Jahren dann konstante Lohnsteigerung erwartet. Dann kann man auch 2.800 € angeben. Grundsätzlich sollte man sich allerdings am "üblichen" Marktwert orientieren. Eine Hilfskraft im Büro kann z.B. bei uns kein Einstiegsgehalt von 3.000 € erwarten.
Also wenn man wirklich das dreifache fordert, dann zeigt man eigentlich gleich, das man sich für was besseres hält und den Job ja eigentlich nicht will. So über den Marktwert bzw. auch über den Wert des Jobs und der Region zu liegen und solche Forderungen zu stellen, ist einfach nur dreist und bringt wirklich gar nichts.
Bei einer Bewerbung zwischen 10% und 15% mehr zu verlangen, das ist argumentierbar und damit rechnet ein Arbeitgeber auch. Etwas Luft nach oben sollte man sowieso immer einkalkulieren, damit man sich dann bei dem Gehalt treffen kann, was üblich ist, mit dem man Leben kann und was der Arbeitgeber auch bereit ist zu zahlen.
Als jemand, der viel im Personalwesen gearbeitet hat, kann ich sagen, dass solche überzogenen Forderungen überhaupt nicht gut ankommen. Wahrscheinlich wird man dadurch gar nicht erst zum Gespräch eingeladen, weshalb ich von solchen Spielchen abraten würde. Wir sind doch nicht auf einem türkischen Basar, wo man dreist mit dem Zehnfachen des Preises anfängt und hofft, der Verhandlungspartner kann nicht verhandeln.
Liegt man mit dem Gehalt etwas über den Vorstellungen des Arbeitgebers, wird dieser einen versuchen runterzuhandeln. Liegt man aber beim Doppelten oder Dreifachen eines realistischen Gehalts, wird ja kaum eine Verhandlung zu einem befriedigenden Ergebnis für den Arbeitgeber führen. Außerdem bleibt immer das Bedenken, der Kandidat wechselt bei der nächstbesten Gelegenheit zu einem höher bietenden.
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