Jemanden trösten, auch wenn er es nicht verdient hat?
Mal angenommen, jemand, der euch wirklich nahe steht, hat großen Mist gebaut, der seine eigene Schuld ist und für den niemand sonst etwas kann. Die beste Freundin hat betrunken ihren Partner betrogen oder der Partner hat aus Wut etwas bewusst kaputt gemacht und beide bereuen ihr Verhalten danach zutiefst.
Tröstet ihr andere, obwohl sie es quasi nicht verdient haben, solange ihr selbst aber keinen Schaden davongetragen habt, wie es in den genannten Beispielen der Fall ist? Oder würdet ihr den Personen einfach sagen, dass sie selbst Schuld sind und eben schauen müssen, wie sie nun damit zurechtkommen?
Ich habe selber so oft mit dieser Frage gehadert und über die Jahre bin ich zu folgendem, für mich vertretbaren Standpunkt gekommen:
Ich finde, wenn man jemanden trösten will, sollte man sich selber darüber Klarheit verschaffen, ob man sich bei dem zu behandelnden Thema lieber abgrenzen möchte weil die eigene Emotion (wie Wut oder Frustration) zu sehr mitschwingt oder ob man diesem Menschen mit seiner objektiven Meinung beistehen will. Denn da geht es ja generell einfach darum, jemandem das Gefühl zu geben, dass man selber merkt, dass es deinem Gegenüber nicht gut geht und dich seine /ihre Gefühlswelt trotzdem nicht kalt lässt. Dass die Person weiß, dass sie mit ihren schlechten oder belastenden Gedanken nicht alleine ist.
Falls du dich für das Trösten entschieden hast, würde ich die Problematik eines anderen in jedem Fall dann sachlich behandeln. Oft ist es ja auch so, dass es gar keine Worte braucht, sondern dass man einfach für jemanden da ist, der Person zuhört und sie in den Arm nimmt. Meistens ist das schon genug und es fällt einem persönlich leichter, seine Meinung mal komplett außen vor zu lassen.
Mein persönliches Fazit ist daher: Wenn man jemanden liebt, sollte man ab und zu der Person in einer für die/denjenigen belastenden Situation einfach zur Seite stehen ohne seine eigene Meinung zwingend einbringen zu müssen.
Das kann ich so pauschal absolut nicht sagen. Generell bin ich schon um Empathie bemüht, und ich selber würde schließlich auch nicht immer nur ein schnippisches "Selber schuld!" hören, wenn ich wie jeder Mensch etwas verbockt habe, sondern auch mal ein "Das war jetzt nicht so toll, aber das lässt sich auch wieder glattziehen!" oder so ähnlich. Trösten ist bekanntermaßen nicht meine Stärke, weil ich immer den Eindruck habe, nur Plattitüden abzusondern und ungeschickt Taschentücher anzureichen.
Aber es gibt wirklich vieles an Mist, den man objektiv gesehen selber verbocken kann, und die Auswirkungen sind ganz unterschiedlich in ihrer Intensität. Und mein eigener moralischer Kompass existiert schließlich auch noch. Sprich, für mich macht es einen himmelweiten Unterschied, ob jemand zu Beispiel besoffen am Steuer erwischt wurde, fremdgegangen ist oder von mir aus sein teures E-Bike bei einem saudummen Manöver geschrottet hat. Im letzteren Fall würde ich wohl noch am ehesten "zuhören und in den Arm nehmen", bei den anderen Aktionen unter Garantie nicht. Tiefe Reue hin oder her - irgendwann muss man auch Verantwortung für seine Handlungen übernehmen.
Und vom Charakter des "zu Tröstenden" hängt es bei mir auch ab, wenn ich ehrlich bin. Es gibt ja Leute, die auch noch weit jenseits des Teenager-Dramas quasi kein Quartal ins Land ziehen lassen, ohne irgendwie Mist zu bauen und dann unter Tränenströmen zutiefst zu bereuen, dass das mit der Monogamie oder der Nüchternheit schon wieder nicht "geklappt" hat. Da wäre es bei mir mit dem Trösten auch ganz schnell vorbei, wenn ich nur als seelischer Mülleimer herhalten muss und die Delinquenten sich bei mir nur Absolution holen, um dann genauso weiterzumachen. Das Pfötchen zu halten, während sich jemand im Selbstmitleid suhlt, mache ich nur im Extremfall bei Leuten, die ich sonst als vernünftig und bodenständig kenne, und die tatsächlich nur einen schwachen Moment hatten.
Mir fehlt gerade die Intention spontan zu sagen „ ja oder nein“. Denn ich denke, dass ich hier wirklich sehr situationsbedingt antworten müsste. Natürlich sagt man sich, wenn es deine eigene Schuld war, dann heule am Ende auch nicht herum. Aber ist das manchmal auch wirklich so leicht zu sagen, wie der Satz wirklich daher gesagt ist?
Wenn das eigene Kind einen Fehler macht, auch mit dem Wissen, dass es falsch ist und am Ende traurig ist, sollte man dann trösten? Oder doch mit dem Spruch kommen, du hast es gewusst, also heule nicht? Den habe ich als Kind auch sehr gerne gehört und hat er mir geschadet? Nein, aber gut getan eben auch nicht.
Man macht eben auch wissentlich Fehler, obwohl man es wieder willen doch vorher schon wusste und trotzdem passiert es. Vielleicht ist es dann dennoch auch menschlich zu sagen, man komm her und sei nicht traurig. Das wird schon wieder.
Mir würde jedenfalls keinen Zacken aus der Krone brechen, wenn ich jetzt so reagieren würde. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen fällt mir diese Vorgehensweise sogar sehr leicht, weil sie wirklich nicht immer rational handeln und dann Fehler begehen, die sie vorher auch als Fehler sahen und dann traurig über die Folgen sind. Passiert und abhaken.
Bei Erwachsenen kann es wiederum etwas anders laufen. Fremdgehen? Da braucht man zum Beispiel gar nicht zu mir kommen und herum weinen, dass die Partnerin oder der Partner die Beziehung beendet haben. Das ist ein Thema, wo nichts bei mir mit dem trösten klappt.
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