Wie vermeiden, jemandem zu schnell zu verzeihen?

Ich verzeihe jemandem meistens entweder recht schnell oder gar nicht oder zumindest über eine lange Zeit nicht. Ich halte nichts davon, jemanden bewusst und absichtlich über Wochen schmoren zu lassen. Ich suche lieber gleich das klärende Gespräch und schaffe das Problem somit dann aus der Welt.

Jedoch wird ja immer wieder davor "gewarnt", anderen Menschen nicht zu schnell zu verzeihen. Doch wie kann man sich davon abhalten? Ist es denn ratsam, jemanden bewusst schmoren zu lassen, obwohl einem klar ist, dass man der Person ohnehin verzeihen wird und will?

Wo bzw. wer warnt denn davor, dass man Personen nicht zu schnell verzeihen soll? Das ist mir ehrlich gesagt völlig neu und würde mich wirklich interessieren was für diese "Warnung" die Begründung ist. Momentan fällt mir dazu keine nachvollziehbare Begründung ein, weswegen ich mich von nichts und niemanden abhalten lassen Menschen zu verzeihen zu einem Zeitpunkt den ich für richtig halte.

Ich würde gar nicht auf die Idee kommen jemanden absichtlich zu quälen wenn ich mir bereits schon sicher bin, dass ich der Person verzeihen möchte und es auch emotional kann. Ich sehe auch keinen Sinn darin eine Person um Verzeihung bitten und betteln zu lassen. Was soll das bewirken? Wenn sich eine Person bei mir entschuldigt und wir über das Thema reden können, dann geh ich davon aus dass die Person den Fehler eingesehen hat. Da brauch ich keine extra Woche Sendepause.

Ich finde auch, dass es generell besser für die eigene Psyche ist, wenn man jemandem verzeihen kann, gerade wenn es um Alltagskram geht. Wenn jemand ein Verbrechen an dir begangen hat, sieht die Lage ganz anders aus, als wenn man sich eben mal streitet oder ein Missverständnis eskaliert. Was im Leben schließlich öfter vorkommt.

Ich kann schließlich jemandem verzeihen und dennoch meine Lektion im Umgang mit dieser Person lernen und entsprechend Konsequenzen ziehen. Beispielsweise hat mich ein Kollege neulich beschuldigt, krank zu feiern, weil er selber von "dem bisschen Erkältung" nicht daran gehindert wird, in die Arbeit zu gehen.

Habe ich diesem Menschen "verziehen", dass er mir völlig ungerechtfertigt Betrug vorwirft? Klar. Ich weiß ja schließlich, dass gegen Dummheit kein Kraut gewachsen ist. Werde ich weiterhin mit ihm in der Pause nett über Gott und die Welt plaudern? Nein. Schließlich weiß ich jetzt, wie es charakterlich um ihn bestellt ist und kann mir mit gutem Gewissen denken: Einer weniger, den ich grüßen muss.

Wenn ich länger emotional in die Situation involviert wäre, mich ärgern, Rachepläne schmieden oder darauf warten würde, dass er den Irrtum erkennt oder sich gar entschuldigt, mache ich mich nur selber verrückt und verschwende Zeit und Energie, die mir dann an anderer Stelle fehlen. Jemandem zu verzeihen heißt in meinen Augen nicht, weiterzumachen wie vorher, sondern lediglich, seine Aufmerksamkeit wieder auf wichtigere und interessantere Dinge zu lenken. Und gerade den Leuten, die offensichtlich nicht für fünf Pfennig Verstand haben, verzeihe ich in der Regel besonders schnell.