Generelles Besuchsverbot in Krankenhäusern richtig?
Aufgrund des Coronavirus haben unsere Krankenhäuser, in meiner Stadt jedenfalls, ein generelles Besuchsverbot in den Raum geworfen. Einige nehmen ziehen dies auch komplett durch. Lediglich für Kinder auf den Stationen wird eine entsprechende Ausnahme gemacht und in der Palliativ-Medizin beziehungsweise der dortigen Therapie-Station sind Besuche unter Ausnahmen möglich. All das natürlich, um die Ansteckungen zu verringern.
Viele finden die Idee gut und etliche aber auch nicht. Es geht wohl eben auch darum, dass viele ältere im Krankenhaus liegen, die man besuchen möchte, weil man nie weiß, wie lange ihre Zeit noch ausreicht. Wiederum bitten viele ältere Patienten natürlich auch, gerade auch auf den Krebsstationen, die Enkelkinder usw. sehen zu können. Ebenso berichten die italienischen Ärzte ähnliche Geschichten, was natürlich auch traurig stimmt.
Haltet Ihr, auch wenn es Euch persönlich betreffen würde, ein generelles Besuchsverbot in Krankenhäusern derzeit für unausweichlich oder denkt Ihr, dass dies zu übertrieben ist? Würdet Ihr es akzeptieren oder seid Ihr die Personen, die auch zu „Stress“ neigen, wenn man Euch nicht reinlässt, um vielleicht das letzte Mal die geliebte Omi etc. zu sehen?
Durch meine eigene Berufstätigkeit im Gesundheitssystem kann ich sowohl die Pro- als auch die Kontraargumente gut nachvollziehen und denke, dass es darum geht, einen sinnvollen Kompromiss zu finden.
Wenn man allerorts versucht, Menschenansammlungen oberhalb einer gewissen Zahlengrenze und mit Einbezug potentieller Risikogruppen wie Älteren und Vorerkrankten zu vermeiden, dann kommt man relativ schnell auf den Trichter, dass Krankenhäuser so ziemlich die kritischsten Orte sind, wo man sich bei Sorge vor einer Ansteckung aufhalten kann. Wer aufgrund einer noch größeren Gefährdung als Corona auf die stationäre Behandlung angewiesen ist, der ist natürlich dazu gezwungen, aber wer es vermeiden kann, eine Klinik zu betreten, der sollte es aus Vernunft und zum Schutz der eigenen Person und der Patienten vor Ort sicherlich tun.
Andererseits ist der Leidensdruck eines Menschen, der sein Zimmer oder Bett nicht verlassen, sich unter Umständen nicht einmal selber versorgen und eventuell auch nicht mit Telefon und Tablet hantieren kann, ohne jeglichen Sozialkontakt abseits der völlig überarbeiteten Pflegekräfte und Ärzte immens hoch und für eine gesunde und mobile Person kaum vorstellbar. Kommt noch dazu, dass die Lebenserwartung vielleicht begrenzt und jedes Treffen mit den liebsten Angehörigen gegebenenfalls das letzte ist, grenzt es an Unmenschlichkeit, dies zu untersagen.
Aber wie wägt man nun zwischen den beiden Positionen ab? Ich fände es vernünftig, bei relativ geringem Risiko, Aufenthalten für Routineeingriffen und Patienten, die auch über Medien Kontakt aufnehmen können, die Besuche deutlich zu reduzieren oder vorübergehend einzustellen. Bei hochgradig morbiden und eingeschränkten Patienten sollte - sofern logistisch und personell möglich - eine Besuchsoption unter strengen Hygienevorschriften für eine begrenzte Zeit und vielleicht in einem separaten Raum jedoch irgendwie zur Verfügung gestellt werden. Es gibt zudem bereits Vorgaben wie z. B. maximal ein Besucher pro Patient, maximal eine Stunde Besuchskontakt und Verbote des Aufsuchens von öffentlichen Orten in der Ausgangszeit, die das Risiko einer Übertragung minimieren, aber dennoch einen Kontakt ermöglichen sollen.
Natürlich ist es gerade für alte und schwerkranke Menschen in Krankenhäusern und Senioreneinrichtungen traurig, keinen Besuch zu bekommen, aber ich finde ehrlich gesagt nicht, dass sich die Allgemeinheit in dieser Hinsicht von Sentimentalitäten leiten lassen sollte. Wem ist gedient, wenn ich meine Oma, die Krankenhäuser hasst und sich zu Tode langweilt, unbedingt besuchen muss, und auf dem Weg zu ihrem Zimmer unbemerkt eine Chemopatientin und einen alten Mann zum Tode verurteile?
Noch viel trauriger finde ich es, wenn die Zahl der schwer Erkrankten tatsächlich derart ansteigt, dass die Krankenhäuser (wie zum Teil in Italien schon der Fall) schlimmstenfalls entscheiden müssen, wer beatmet wird und wer nicht, und ob Kranke jenseits der 90 nicht einfach abgeschrieben werden müssen, damit Jüngere und Fittere eine Chance bekommen.
Vorübergehende psychische Einschränkungen und unschöne Gefühle, weil die Enkelchen nicht zu Besuch kommen, sind nicht zu vernachlässigen, aber meiner Meinung nach immer noch eher zumutbar als vermeidbares Frühableben von Teilen der Bevölkerung. Mal ganz davon abgesehen, dass viele Leute speziell in Altenheimen sowieso null Besuch von ihrer Familie bekommen, wie ich bei meiner Oma selig mitbekommen habe.
Die Frage ist doch, was mehr Nachteile mit sich bringt und zwar für die Allgemeinheit und nicht für den Einzelnen. Von dem Standpunkt aus betrachtet finde ich Besuchsverbote richtig, auch wenn Egoismus bei manchen gerade hoch im Kurs steht.
Und es ist total unangebracht Stress zu machen wenn man im Krankenhaus nicht in ein Krankenzimmer gelassen wird. Die Pflegekräfte haben wirklich schon genug zu tun, auch ohne, dass sie sich noch mit nervigen Angehörigen herumschlagen müssen um Regeln durchzusetzen, die sie nicht mal selber gemacht haben.
Besuch unter strengen Hygienevorschriften klingt zwar gut, bedeutet ja aber, dass Ressourcen verbraucht werden. Ich war mal mehrere Tage in Isolation im Krankenhaus weil ein Testergebnis noch ausstand und in der Zeit musste jeder Besucher Schutzkleidung tragen und sich desinfizieren. In normalen Zeiten kein Problem, aber aktuell sind diese Artikel eben nicht unbegrenzt verfügbar.
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