Sich als alternativ sehen, weil man gewaltfrei erzieht?

vom 05.02.2018, 15:45 Uhr

Die Freundin einer Bekannten brüstet sich gerne damit, dass sie ihr Familienleben sehr alternativ und eher außergewöhnlich ist und auch ihre Erziehungsmethoden. Als sie kürzlich von einer anderen Mutter gefragt wurde, wie genau ihr alternativer Erziehungsstil denn aussieht, meinte sie, dass sie und ihr Mann ihre beiden Kinder ohne physische Gewalt erziehen.

Die Mutter fand das ziemlich überraschend und meinte, wenn auch sicher leider noch manche Eltern ihre Kinder schlagen, sei es doch etwas übertrieben, dass man gewaltfreie Erziehung als alternativ ansieht, das sollte doch eher mittlerweile die Norm sein, nicht umsonst sind Schläge ja auch verboten. Die Freundin bleibt dabei, dass sie als gewaltfreie Familie eine alternative Familie sind.

Würdet ihr eine gewaltfreie Erziehung als alternativ bezeichnen oder findet ihr, dass das etwas zu hoch gegriffen ist? Kann man sich damit als außergewöhnlich betrachten oder seht ihr so etwas viel eher als Norm an?

» Schneeblume » Beiträge: 3095 » Talkpoints: -0,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Schneeblume hat geschrieben:Kann man sich damit als außergewöhnlich betrachten oder seht ihr so etwas viel eher als Norm an?

Ich weiß ja nicht. Das würde ja im Umkehrschluss bedeuten, dass es völlig normal wäre, seine Kinder zu schlagen. Diese Zeiten sind doch aber längst vorbei. Sicherlich gibt es bestimmt auch noch nicht wenige Eltern, die ihre Erziehung mit Gewalt durchsetzen. Aber selbst der Klapps auf den Po ist doch nicht mehr normal und vieler Orts überhaupt nicht mehr Gesellschaftstauglich.

Deswegen würde ich einen gewaltfreien Erziehungsstil eigentlich im Geiste der Zeit als völlig normal ansehen. Ich kenne auch niemanden, der das jetzt als alternativ bezeichnen würde. Darunter fällt wohl eher die Ökomutti in Jutekleidern. Wobei selbst das vielerorts schon normal ist.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Das würde ja echt bedeuten, dass alle anderen Eltern ihre Kinder schlagen und eben gewaltvoll erziehen nur diese eine Mutter nicht und das finde ich dann doch ziemlich unrealistisch. Gewaltfreie Erziehung ist gesetzlich so vorgeschrieben und jedes Kind hat ein Recht darauf.

Mag sein, dass das ab und an doch vorkommt, dass Gewalt an Kindern verübt wird, aber auf die gesamte Bevölkerung in Deutschland bezogen wäre das in meinen Augen eher eine Minderheit als die Regel. Daher ist die Aussage der Mutter über ihre gewaltfreie, alternative Erziehung eher ein verzweifelter Versuch, etwas total gewöhnliches und normales als etwas besonderes hervorzuheben, der gänzlich misslingt.

Benutzeravatar

» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Das finde ich ja mal mega lustig, dass sich jemand als alternative Erziehungsperson bezeichnet, beziehungsweise die Art der Erziehung als „alternativ“, weil keine Gewalt im Spiel ist. Nicht, dass vegan demnächst auch alternative Ernährung für Kinder ist usw. Das ist doch in meinen Augen persönlich vollkommener Quatsch und hier möchte man sich wichtiger nehmen, als man letzten Endes ist. Die Mehrheit der Erziehungen läuft vollkommen gewaltfrei ab.

Dann gibt es durchaus die Erziehungen, wo der berüchtigte Klapps auf dem Po oder auf die Finger noch herrscht. Das mag nicht in Ordnung sein, aber um es mit meinem Opa oder meiner Mama & Co zu sagen, davon gestorben ist auch niemand und man kennt es oftmals nicht anders. Ins Zimmer schicken, Internetverbot usw. hilft bei vielen Rotzblagen nun einmal auch nicht, muss man fair sagen. Doch man sollte auch diese Aktion nicht wirklich überstrapazieren.

Gewalt bedeutet wiederum etwas anderes für mich, als ein Klapps auf die Pampers oder auf die Finger. Ins Gesicht schlagen, blaue Flecken, mit Fäuste, Tritte, kleine Babys schütteln usw. All das ist Gewalt in der schlimmsten Form, die man Kindern antun kann, aber ohne Gewalt zu erziehen, ist deswegen auch keine „alternative Erziehung“.

Sie erzieht ihr Kind eben ganz normal und für sie „normal“ ohne Gewalt. Das als Alternativ zu bezeichnen, halte ich doch für überspitzt und wahrscheinlich ein Grund, um mehr Aufmerksamkeit zu erhalten, um wahrlich mit jemanden darüber ins Gespräch zu kommen. Anders erklärt sich mir das nicht und ich sehe das als Quatsch an.

Benutzeravatar

» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Wie ist die Person denn aufgewachsen, dass sie eine gewaltfreie Erziehung als alternativ und nicht als gängig betrachtet? Das klingt ja furchtbar traurig. Das sollte selbstverständlich sein. Meine Frau und ich haben mit dem Thema Kinder gerade noch nichts am Hut, aber für uns steht ganz klar fest, dass Gewalt in der Erziehung nichts verloren hat. Mal davon abgesehen, dass es strafbar ist.

Klar wird man auch mal an seine Grenzen getrieben, vielleicht wird man mal etwas grober (damit meine ich nicht schlagen) als beabsichtigt, aber dann ist das doch ein Ausrutscher den man bereut und nicht der Alltag. Klingt für mich auch etwas so, als würde sich deine Bekannte da wichtiger nehmen als sie ist oder will unbedingt hervorstechen. Oder sie hat ein wirklich bemitleidenswertes Umfeld.

» RyderC » Beiträge: 267 » Talkpoints: 7,57 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ich finde dieses Thema mega schwierig. Zuerst einmal muss man ganz klar festlegen, dass eine gewaltfreie Erziehung sicherlich keine alternative Erziehungsmethode mehr ist. Aber was heißt eigentlich gewaltfrei? Wo fängt die Gewalt an. Dass das Schlagen von Kindern absolut unterste Schublade ist, da muss man nicht drüber reden.

Ich kann mich nicht davon freisprechen, dass ich meinen Sohn auch schon mal einen Klaps auf den Hintern gegeben habe, deswegen gab oder gibt es aber noch lang keine Gewalt in der Erziehung meiner Kinder. Das sollte niemals passieren und es tat mir danach auch irre leid. Das war auch das einzige Mal, das er einen Klaps bekommen hat. Aber Gewalt bedeutet für mich auch noch viel mehr als nur Schläge an die Kinder zu verteilen.

Ich habe in meiner Kindheit auch hier und da schon mal einen Klaps bekommen, wenn ich richtig Mist gebaut hatte. Deswegen würde ich aber nie behaupten, dass meine Kindheit von erzieherischer Gewalt geprägt war. Bei meinem Cousin war es dagegen ganz anders. Der hat ständig eine drüber bekommen und bei den Hausaufgaben, lag der Kochlöffel meist auch nicht weit weg. Das ist aber auch schon knapp 30 Jahre her. Heute würde man sagen, das war früher eben so. Wenn ich mal bedenke was meiner Eltern da noch erlebt haben. Die haben dann vom Klassenlehrer noch eine drüber bekommen, und wenn sie sich dann zu Hause beschwert haben, dann gab es meistens noch eine hinterher.

Es ist total verschieden und hängt auch viel davon ab, ob Eltern mit der Erziehung überfordert sind. Aber die Gewalt beginnt für mich schon weit vor den Schlägen. Es gibt genug Familien, wo Kinder zwar da sind, aber sich nicht mit ihnen Beschäftigt wird, sie Quasi sich selbst überlassen werden. Ob es dann an der Überforderung liegt, oder an etwas anderem, das weiß man dann nicht. Auch verbal kann man Gewalt ausüben. Wenn man seine Kinder ständig denunziert, runtermacht oder sogar anbrüllt, ist das nicht minder zu bewerten. Wahrscheinlich leiden solche Kinder mindestens genauso, wie die, die geschlagen werden, vielleicht sogar noch mehr. Gewalt hat viele Formen.

Für mich ist eine gewaltfreie Erziehung keine alternative, sondern die Normalität. Aber ich finde auch Erziehungsmethoden in denen die Kinder dann keine Grenzen mehr aufgezeigt bekommen, genauso schädlich und gehören für mich genauso verbannt, wie Eltern die Ihre Kinder mit Schlägen versuchen zu erziehen. Jeder, der sich mit dem Thema Erziehung beschäftigt weiß, dass Kinder Grenzen brauchen die man einhalten soll, aber auch hier und da mal überschreiten darf. Was Du nicht willst das man dir tut, das für auch keinem anderen zu. Der Spruch gilt in jeder zwischenmenschlichen Beziehung.

» Kodi » Beiträge: 599 » Talkpoints: 27,19 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Es ist sogar gesetzlich festgelegt, dass Kinder ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung haben. Also ist es "alternativ" sich an Gesetze zu halten? Dann bin ich aber extremst alternativ, weil ich mich nicht nur an dieses Gesetz halte sondern an ganz viele andere gleich noch mit. :lol:

Ich finde es immer wieder lustig wenn Menschen denken, dass sie etwas ganz Besonderes seien obwohl sie eigentlich genau das gleiche machen wie ganz viele andere Leute auch. Findet man vor allem bei Frauen, die denken, dass sie die einzige wären, die Computerspiele spielt oder Fast Food isst oder ungeschminkt vor die Haustür geht. Diese Frau ist wahrscheinlich einfach nur die Weiterentwicklung davon.

Benutzeravatar

» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Irgendwie muss man sich ja heutzutage ständig als "anders" und als etwas "Besonderes" hervortun. Dass man eine gewaltfreie Erziehung in Deutschland als alternativ betrachtet, ist einerseits lächerlich, andererseits traurig. Diese Leute scheinen ja eine sehr verquerte Vorstellung zu haben - oder sehr schlechte Erfahrungen. Vielleicht sogar im eigenen Elternhaus? Wenn eine gewaltfreie Erziehung für beide nicht als Norm sondern als Alternative gilt, stimmt mich das ziemlich nachdenklich. Oder deine Bekannten verdienen den Titel "Special Snowflake". Sie sind wie alle anderen auch, denken aber, gerade das macht sie "special". ;)

» RyderC » Beiträge: 267 » Talkpoints: 7,57 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^