Welche Erfahrungen habt ihr mit Telemedizin?
Seit einer Herzerkrankung stehe ich unter strenger ärztlicher Kontrolle. Da ich deshalb auch schneller nervös werde und erst wirklich durch einen Arztbesuch beruhigt werden kann, wurde mir von der Krankenkasse eine telemedizinische Untersuchung zugeteilt. Hier kann ich 24 Stunden am Tag anrufen und mit Hilfe eines Gerätes mir jederzeit ein EKG am Telefon schreiben lassen uns somit abklären, ob meine Beschwerden nun vom Rücken oder vom Herz kommen bzw. ob eine weitergehende ärztliche Untersuchung notwendig ist.
Leider gibt es hierbei immer noch einige Probleme. So arbeitet das Gerät bei dem kleinsten Fehler beim Anlegen sehr ungenau. Man muss sitzen und es dauert mindestens 5 Minuten. Gerade wenn man liegen müsste und dann diese Prozedur vollziehen muss, ist es sehr unangenehm. Trotzdem möchte ich das Gerät nicht wieder hergeben, da es mich schon vorab beruhigt und ich dadurch eine gewisse Sicherheit habe. Außerdem hat es mir schon so manchen Notarztbesuch gespart. Welche Erfahrungen habt ihr entweder persönlich oder in eurem Bekanntenkreis gemacht?
Ich kenne die Telemedizin von meinem Beruf her. Bei einem Arbeitgeber bei dem ich vorher beschäftigt war, lief das ganze als Pilotprojekt im Rettungswagen ab. Dabei war der komplette Rettungswagen hinten per Kamera ausgestattet und bei bedarf nach einem Notarzt, wurde dieser per Telefon dazu geschaltet. Der Notarzt konnte von der Leitstelle aus am Monitor alles sehen was hinten im Rettungswagen abgegangen ist, und hat entsprechend seine Anweisungen an uns weiter gegeben.
Das ganze wurde als Versuch ausprobiert, da in der Region in der ich gearbeitet habe zu wenig Notärzte vorhanden waren. Dort hat man schon einmal gut und gerne eine Stunde warten müssen bei einer Nachforderung, oder man hat als Rettungsassistent selbst die ärztlichen Maßnahmen übernommen. Immer in der Gefahr, dass wenn etwas schief geht man dafür komplett alleine gerade stehen muss und immer mit einem Bein im Gefängnis.
Das System mit der Kamera fand ich in Ordnung. So konnte der Arzt auch den Patienten sehen und nicht nur hören wie am Telefon. Denn um etwas beurteilen zu können reicht ein Faktor meistens nicht aus, sondern es spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Gerade bei Herzgeschichten sieht man auf dem EKG erst etwas, wenn es bereits abgelaufen ist. Andere Symptome wie Kaltschweißigkeit gehen dem meistens voraus, das sieht man am Telefon aber nicht.
Noch ist das System zu unausgereift rein mittels Telefon würde ich mich auf diese Diagnose überhaupt nicht verlassen und trotzdem einen Arzt aufsuchen. Gerade wenn ich schon eine solche Vorgeschichte mit dem Herzen habe. Als Unterstützende Maßnahme wie oben beschrieben oder um Laien per Telefon zu Wiederbelebungsmaßnahmen anzuleiten, dafür ist es eher etwas. Den Arztbesuch wird dieses System nie ersetzen können.
Flächendeckend durchgesetzt hat sich die Telemedizin noch nicht, da erst noch Details wegen der Versorgungsstrukturen und der Abrechnung für die Ärzte geklärt werden mussten. Einige Projekte wie unter anderem in Baden-Württemberg laufen ja schon und sind teilweise schon abgeschlossen. Ich finde die Berichte und Papers zur Telemedizin sehr spannend und interessant und informiere mich da gerne über Studienergebnisse was Nutzen und Effizienz angeht.
Leider mache ich seit 2 Wochen eine andere Erfahrung. Eine Stimme am Telefon sagt mir, dass es Probleme mit der Telefonanlage geben würde und ich in dringenden Fällen zum Arzt gehen solle! Die Webseite der Firma zeigt auch nichts an. Im Netz habe ich keine Meldung gefunden. Die Krankenkasse, die mir diesen Service bezahlt, hat mir auch nicht weitergeholfen. 8 Jahre lang hatte ich keine Probleme. Doch nun ist das Vertrauen stark angeschlagen.
Die Idee an sich finde ich persönlich gar nicht so schlecht. Aber leider erlebe ich persönlich in meiner Arbeit eigentlich eher negative Auswüchse der Telemedizin, die unsere Arbeit einfach nur schlechter macht.
Das Problem ist ja leider eher, dass die Telemedizin zu oft für Fälle genutzt wird, wie sie von Sorae beschrieben werden. Das klingt also ganz toll mit dem Notarzt per Kamera, der dann auch den Patienten sehen kann. Aber ganz ehrlich, warum ist das denn nötig? Wird das dazu genutzt, dass auch Patienten von einem Arzt gesehen werden, die früher nur vom Rettungsdienst ohne Arztbegleitung gefahren wurden? Nein wird es eben nicht. Es wird dazu genutzt Patienten zu beurteilen, die man eigentlich mit Arztbegleitung irgendwo hin fahren würde. Statt also das Problem an der Wurzel anzugehen und dafür zu sorgen, dass echte Notärzte schneller zum Patienten kommen, wird so eine halbgare Lösung eingerichtet, wo man mit möglichst wenig Personalaufwand so tun kann als würden alle Patienten bestens versorgt.
Gleiches kenne ich in ähnlicher Art aus meinem beruflichen Alltag. Da wird die Telemedizin für Teleradiologie genutzt. Es gibt also im Krankenhaus zeitweise keinen Radiologen mehr und ein Radiologe in einem Krankenhaus ganz wo anders befundet die Röntgenbilder. Und der schaut sich dann Bilder aus 10 Krankenhäusern an, wo er sich früher nur Bilder aus einem Haus angeschaut hat. Bestenfalls bleibt die Qualität dann noch gleich, wenn er nicht im Burnout landet, aber auf jeden Fall braucht er viel länger. Und wenn der dann sich 10 CT´s von Schädeln gleichzeitig anschauen soll, weil alle einen Schlaganfall haben, dann verlieren einige Patienten massiv Zeit. Und das ist kein Hirngespinst. Das ist gelebte Realität in immer mehr Krankenhäusern.
Die Telemedizin scheint leider mehr und mehr dazu zu verkommen, Ressourcen einsparen zu wollen und Arbeitskraft abzuschaffen mit der bewussten Inkaufnahme, dass dabei auch mal Patienten auf der Strecke bleiben.
Auch stellt sich zum Beispiel wie im Fall von Juri die Frage, was bringt da eine Tante am Telefon, die sich ein EKG anschaut, wenn er einen Nichthebungsinfarkt hat, den man noch gar nicht sehen kann, der aber schon in vollem Gange ist? Da leg man sich noch mal beruhigt hin, weil die Tante ja nichts gesehen hat und dann sterben erst einmal schön die Herzzellen nacheinander ab.
Ich denke da muss man schon sehr aufpassen, wofür wir Telemedizin verwenden wollen. Außerhalb der Notfallversorgung kann das durchaus sinnvoll sein. Da denke ich beispielsweise an Pilotprojekte wo man auch mal eine Reha telemedizinisch machen kann. Da kann man mit seinem Physiotherapeuten auch nach der Reha noch Übung kontrollieren lassen, weil man zu weit weg von der nächsten Praxis wohnt. Vielleicht macht das auch in einigen Hausarztversorgungen durchaus Sinn.
Aber eigentlich lebt Medizin doch nicht von irgendwelcher Telemedizin, sondern ganz viel vom Anfassen, vom Sehen, Riechen und Fühlen. Das sind doch eigentlich die wichtigsten Instrumente eines Arztes und die lassen wir mehr und mehr verkommen.
Ich kenne das hier nur aus der Nachbetreuung nach leichteren Operationen. Sprich, wenn du keine Komplikationen hast und die Verbände selber wechseln kannst oder jemanden hast, der dir hilft, kannst du dich für die Videosprechstunde entscheiden und musst erst zum Fäden ziehen wieder in die Klinik kommen.
Das finde ich schon vernünftig. In den meisten Fällen spart man viel Zeit und wenn der Arzt irgendwas auffälliges entdecken sollte geht man eben in die Sprechstunde, was man ja sonst eh getan hätte. Ich glaube nicht, dass man da irgendwelche Ressourcen spart. Für den Arzt ist das ja mehr oder weniger der gleiche Arbeitsaufwand ob der Patient nun vor ihm sitzt oder zu Hause. Aber als Patient spart man Zeit.
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