Nicht im Hier und Jetzt leben können?
Manche Menschen hängen ja ständig gedanklich in der Vergangenheit und trauern irgendwelchen alten Zeiten hinterher oder irgendwelchen Chancen, die sie nicht wahrgenommen haben. Meine Oma sagte früher auch sehr oft, dass "früher alles besser" war, wobei sie sich später auch nicht so recht damit abfinden wollte, dass die alten Zeiten eben vorbei waren. Stattdessen hing sie immer ihren Gedanken über die Vergangenheit nach und sprach auch sehr gerne darüber.
Andere Leute leben ja hingegen gedanklich eher in der Zukunft. Mein Vater "plant" gedanklich auch schon seit mindestens fünfzehn Jahren seine Rentenzeit, auch wenn es bis dahin noch ein paar Jährchen sind. Er freut sich da aber richtig drauf und es wirkt fast so, als könne er es kaum noch erwarten, endlich nicht mehr arbeiten zu müssen. Fällt es euch schwer, im Hier und Jetzt zu leben? Weshalb?
Ich schaue schon lieber nach vorne als zurück und dennoch weiß ich das Hier und Jetzt zu genießen und lebe jeden Tag so, dass ich ihn genießen kann. Ich finde es schlimm, wenn Menschen sich an irgendeiner kommenden Rente orientieren und dann darauf hoffen dass das alles besser wird. So sind meine Eltern leider auch und dabei bekommen sie nicht mit, wie sie körperlich abbauen. Die Pläne sind alle nicht mehr wirklich realistisch und dennoch werden sie immer weiter gesponnen, so etwas finde ich albern.
Jeder Mensch sollte an seine künftige Rente denken, auch Berufseinsteiger. Je jünger desto besser. Denn viele werden nur einen Bruchteil ihres Einkommens in Form einer Rente der Rentenversicherung erhalten. Daher sollte die Rente jeden von uns interessieren. Und jeder sollte für den Renteneintritt finanziell vorsorgen.
Die Rentenversicherung ist fein raus. Sie informiert ja den Berufstätigen regelmäßig über die eventuelle Höhe der künftigen Rente. So liegt es bei jedem einzelnen privat vorzusorgen. Klar war früher für die Oma alles besser. Das lag daran, dass die Oma früher keine Oma war, sondern ein junger tatkräftiger Mensch. Wenn einem aber Empathie fehlt, kann man das nicht nachvollziehen, worum es in Wirklichkeit geht.
Auch erlebt sie im Alter eher einen Tag wie den anderen und es fehlt an Abwechslung und Lichtblicken. Woran soll sie sich denn erinnern, wenn nicht an früher, an schöne Zeiten voller Leben und Ereignissen. Vor einem Jahr ist mein geschiedener Gatte und Vater meines Kindes viel zu früh verstorben. Plötzlich und unerwartet, aus dem Leben gerissen quasi. Tja, und heute denke ich eben sehr oft und jeden Tag an ihn.
Auch nach dem Tod eines guten Freundes, dachte ich sehr lange, was ich ihm alles sagen wollte und war traurig, dass es dafür zu spät war. Aber deswegen bin ich doch trotzdem ein Mensch, der mit beiden Beinen im Leben steht. Wenn wir uns erinnern und dabei auch Glück empfinden, sind wir trotzdem nicht ewig gestrig. Im Hier und Jetzt zu leben ist doch auch nur ein Spruch. Niemand lebt im gestern. Auch wenn der Geist zurückgeblieben ist oder sich auflöst aufgrund von Demenz, lebt der Körper doch im Heute und macht alle weiteren Entwicklungen und Altersprozesse mit.
Von gewissen Lifestyle-Achtsamkeits-Yoga-Gurus wird gerne gepredigt, dass man im Hier und Jetzt leben müsse, und das natürlich möglichst dauerhaft. Es stimmt zwar schon, dass das Leben in der Gegenwart stattfindet, aber sich mit Vergangenheit und Zukunft auseinanderzusetzen gehört in meinen Augen ebenso dazu.
Ich denke daher, dass man im Idealfall eine Balance finden sollte zwischen "im Augenblick leben", den Plänen für die Zukunft und der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Und ich habe auch Verständnis dafür, dass das nicht jedem dauerhaft gelingt. Ein Beispiel wurde ja schon genannt: Erinnerungen an die Vergangenheit sind durchaus etwas Schönes, wenn die Gegenwart nicht mehr so prickelnd und die Zukunft kurz und doch eher düster ist. Und umgekehrt kann es geradezu fahrlässig sein, sich keine Gedanken um die Zukunft zu machen, etwa wenn das Wohlergehen anderer davon abhängt.
Die Frage ist doch, ob mich Vergangenheit oder Zukunft irgendwie in der Gegenwart beeinträchtigen. Wenn ich zum Beispiel meinen Sommerurlaub plane und mich darauf freue und mir schon mal anschaue, was ich alles am Urlaubsort unternehmen kann dann empfinde ich das eher als Bereicherung meiner Gegenwart.
Pathologisches Sparen für "das Alter" und den Glauben, dass ich mir den Urlaub, den ich mir jetzt nicht gönne dann ja später leisten kann wenn ich in Rente bin würde mich dagegen extrem in meiner Lebensqualität beeinträchtigen.
Was ich auch schwierig finde sind lange "to do" Listen, die bei mir gerne mal dazu führen, dass ich gedanklich schon beim nächsten Punkt bin anstatt mich voll und ganz auf das zu konzentrieren, was ich gerade mache. Deshalb habe ich mir diese Listen abgewöhnt.
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