Medikamente wie in einem Glücksspiel erhalten?
Immer wieder hat man in letzter Zeit Berichte über sehr teure Medikamente gehört, die vor allem für muskelkranke Kinder hilfreich sein sollen. So ein Medikament kann etwa 2 Millionen Euro kosten, das Kind benötigt oft nur eine einzige Spritze.
Nun soll es eine Art Glücksspiel geben. Der Pharmakonzern möchte nun 100 solcher Medikamente per Losverfahren "verschenken". Man kann sich dafür anmelden und wenn das Medikament für das Kind passend ist, dann kann es in den "Lostopf".
Was haltet ihr von dieser Art und Weise? Ist so eine Maßnahme ethisch überhaupt vertretbar? Oder ist es eine tolle Aktion des Pharmakonzerns, der so 100 Kindern helfen kann?
Du hast vergessen zu erwähnen, dass es sich um ein Medikament handelt, das in Deutschland überhaupt noch nicht zugelassen ist. Das wird bei der ganzen Pseudo-Empörung über diese Aktion immer unterschlagen. Ohne diese Verlosung würden als nur die Kinder in den Genuss der Behandlung kommen, deren Familien es schaffen das Geld für die Behandlung in den USA aufzubringen. Ist das irgendwie "ethischer"?
Und wenn man das Ganze als Medikamentenstudie oder Zulassungsstudie oder was es da noch alles gibt während des Zulassungsprozesses aufgezogen hätte wäre die Situation doch die gleiche gewesen. Die hätten dann 100 Teilnehmer gebraucht und hätten dann auch eine Auswahl getroffen wenn sich mehr als 100 Personen gemeldet hätten.
Ich bin mir außerdem ziemlich sicher, dass der Konzern hierfür eine Zustimmung vom deutschen Ethikrat gebraucht hat. Der kommt schließlich schon bei wesentlich harmloseren Geschichten zum Einsatz und muss seine Zustimmung geben.
Das ist Marketing, ganz einfach. Wenn man das Zeug weltweit per Verlosung zugänglich macht, bekommt es Aufmerksamkeit und der Druck auf die Zulassungsbehörden steigt ebenso wie auf die Krankenkassen, die das in den Leistungskatalog aufnehmen müssen.
Der deutsche Ethikrat hat damit gar nichts zu tun. Wer das Mittel gewinnt, verliert es sofort wieder, wenn die Behörden im Zielland der Gabe nicht zustimmen. Und das ist das perfide an der Nummer. Stimmen die Behörden nicht zu, sind sie der Buhmann, der ein Kind sterben lässt. Gibt es eine Ausnahmegenehmigung, wird der Druck auf Zulassung und Kostenübernahme erheblich größer. Medizinische Bedenken treten in den Hintergrund.
In den Artikeln steht, dass das Institut, das für die Arztneimittelsicherheit in Deutschland zuständig ist, zugestimmt hat und, dass der Ethikrat das Losverfahren gebilligt hat. Laut Hersteller scheint es nicht möglich zu sein aktuell mehr als diese 100 Dosen zusätzlich herzustellen, deshalb kommt diese Zahl zustande. Wobei ich mir aber nicht vorstellen kann, dass man nicht könnte wenn man wirklich wollte.
Cloudy, der unternehmenseigene Ethikrat hat zugestimmt. In Deutschland muss keine Behörde zustimmen. Das Institut in Deutschland hat nur mitgeteilt, dass die Anwendung hierzulande ohne Probleme möglich ist. Das ist die aber eben sowieso.
Denn du kannst im Rahmen eines individuellen Heilversuchs jedes nicht zugelassene Medikament nutzen. Der Arzt muss es für sinnvoll halten, es muss über Risiken aufgeklärt werden und der Patient oder seine Vertreter muss zustimmen.
Außerdem gibt es in Deutschland und in der Europäischen Union Härtefallprogramme für bestimmte nicht zugelassene Wirkstoffe. Da muss der Hersteller aber den Wirkstoff kostenlos hergeben. Im Gegenzug müssen die Ergebnisse zu Forschungszwecken anonymisiert übermittelt werden.
Hier ist es einfach kein Problem, wenn jemand gewinnt. In anderen Ländern sieht das aber anders aus. Denn nicht überall steht die Therapiefreiheit des Arztes über den Gesetzen.
Soweit ich das aus den Medien mitbekommen habe, soll es sich bei dem Medikament um eine Gentherapie handeln, die eh sehr umstritten ist, aber auch in ihrer Entwicklung sehr viel Geld kostet, das ist zumindest mal der Hauptgrund dafür, dass ein Dosis mal eben 2 Millionen Euro kosten soll. Die Kinder mit dieser Erkrankung, die mit diesem Wirkstoff bzw. Therapie behandelt werden könnte, haben eine Lebenserwartung von gerade mal 2 Jahren. Diese Therapie scheint aber sehr vielversprechend zu sein, befindet sich aber auch noch in der Erprobungsphase.
Es muss also erstmal offiziell bewiesen werden, dass dieses Medikament wirkt, um damit dann auch den Druck auf die Krankenkassen zu erhöhen, damit diese dann auch irgendwann mal diese Therapie übernehmen oder übernehmen müssen. Das geht natürlich nur mit einer Studie und was wäre da einfacher, als mit einem Los-Verfahren 100 Probanden zu gewinnen, an denen man das Medikament/Therapie dann ausgiebig testen kann.
Ob das jetzt ethisch völlig sauber ist, mag mal dahin gestellt sein, aber andererseits bekommen 100 Kinder die Chance ein mehr oder weniger normales Leben führen zu können und das ohne die 2 Millionen Euro aufbringen zu müssen. Es ist auf jeden Fall nicht ethischer, dass dieses Medikament nur den Reichen vorbehalten ist, dass würde ja dann eher der Zwei-Klassen-Medizin entsprechend.
Gerade für solche Erkrankungen bin ich sogar sehr dafür, dass man durchaus auch mal neue Wege geht. Ich weiß nicht warum man sich so gegen diese Gentherapien wehrt, wenn es doch so vielen Menschen helfen könnte, aber da stecken dann wohl wirklich die Pharmakonzerne dahinter, mit der Absicht, dass man eben mit kranken Menschen mehr verdienen kann, als mit gesunden.
Wer wehrt sich denn so gegen Gentherapien? Es geht hier doch nicht ansatzweise um den Wirkmechanismus, sondern um die Verlosung. Es gibt Zulassungsstudien und eine Zulassung in den USA sowie eine für eine seltene Erkrankung nennenswerte Anzahl Behandelter. Die Daten der Losgewinner braucht man nicht.
Natürlich ist es für jeden Gewinner eine Wahnsinnschance. Aber was ist mit den anderen? Da liegt nämlich der Hund begraben. So produziert man öffentlichen Druck, um eine schnelle Zulassung durchzubringen und Preisverhandlungen komplett zu bestimmen. Das ist dann nicht mehr so toll.
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