Hartz aber Herzlich und die Folgen dieser Sendung
Wenn ich nachmittags von der Arbeit nach Hause komme, schaue ich gerne schon mal fern und lasse mich beim Essen dann vom Programm berieseln. Vor einiger Zeit habe ich dann die Reality-Soap Hartz aber Herzlich - die Benz-Baracken. In dieser Soap werden verschiedene Bewohner der so genannten Benz-Baracken für ein halbes Jahr begleitet, um zu zeigen, wie Menschen, die Tag täglich mit Hartz IV über die Runden kommen und mit welchen Problemen sie zu kämpfen haben.
Auf der einen Seite wird gezeigt, wie die Menschen leben, welche Schicksale sie erlebt haben oder durchstehen mussten, aber auch mit welchen Problemen und Vorurteilen sie sich herumschlagen müssen.
Ich bin schon jemand, der Menschen nicht nach ihrem Aussehen ihrer Herkunft, oder sozialem Umfeld beurteilt. Ich habe immer versucht, anderen Menschen völlig unvoreingenommen gegenüber zu treten. Von daher habe ich mir die Sendung auch völlig unvoreingenommen angesehen, denn Jemand der Hartz IV empfängt, ist nicht automatisch ein faule Sau. Sogar ich, mit einer recht guten Ausbildung, war, auf Grund von schlechter Beratung und Informationen sogar schon mal auf ALG II angewiesen. Zwar mit einem guten Monat auch nicht sehr lange, aber es war zu dem Zeitpunkt eben doch nötig.
In dieser Sendung geht es nun also darum, dass man Hartz IV Empfänger über ein halbes Jahr begleitet hat, um damit allen am Fernsehen zu zeigen, wie diese Menschen über die Runden kommen. Allerdings stelle ich mir, nach einigen Folgen, die ich nun schon gesehen habe, was der Sender, der dieser Serie ausstrahlt, sich wohl dabei denkt. Es gibt dort zum Beispiel eine ältere Frau, die mit ihren Enkelkindern insgesamt 10 Kinder großgezogen hat. Sie ist, laut ihrer Aussage, immer arbeiten gewesen. Nun kann sie aber nicht mehr arbeiten und versucht mittels Rentenantrag nun ihrer Rente zu bekommen. Dadurch, dass sie seit längerem schon mit der Bürokratie kämpft um nun endlich ihre Rente zu bekommen, ist sie zur Zeit auf Hartz IV angewiesen und muss dadurch mit ca. 85 € im Monat auskommen. Wenn ich dann sowas sehe, dann frage ich mich schon, ob das wirklich sein muss. Muss man diese Frau noch ewig auf Rente warten lassen und sie dazu zwingen mit lächerlichen 85 € im Monat klar zu kommen? Was das angeht, kann ich sagen, dass das System an der Stelle wohl eher verbesserungswürdig ist.
Leider gibt es aber auch in dieser Sendung Menschen, bei denen man nur die Hände über den Kopf zusammenschlagen kann. Da wurde dann zum Beispiel über eine Familie mit Kindern berichtet, die den hochschwangeren Hund der Freundin in Obhut genommen haben. Dieser Hund musste dann per Notkaiserschnitt die Welpen zur Welt bringen. Natürlich passiert sowas dann ja nicht am Tage, sondern in der Nacht und das dann noch am Wochenende. Beide sind zur Zeit aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage arbeiten zu gehen. Es wurde dann in dieser Sendung gezeigt, wie sich beide über die horrende Rechnung geärgert haben, die sie natürlich nicht bezahlen konnten.
Natürlich kann man immer schnell in merkwürdige Lagen kommen, wo man sich Gedanken darüber machen muss, wie man das alles bewältigt bekommen soll. Aber wenn ich dann sehe, wie sich zwei Menschen am Boden zerstört darüber reden und nicht wissen, wie sie das alles schaffen sollen, dann aber im Hintergrund auf der Küche der neue Thermomix und eine Küchenmaschine vor sich her blinken und blitzen, dann habe ich für diese Situation kein Verständnis. Zum ersten. Wenn ich einen hochschwangeren Hund bei mir aufnehmen, muss ich mit vorher darüber klar sein, was passieren kann. Dann klärt mit dem eigentlich Besitzer sowas vorher ab, oder man muss dann eben ablehnen. Ich kann mich nicht mit Ansage in die Nesseln setzen und mich anschließend darüber beklagen, dass es brennt. Ich finde nicht dass man sich über eine Rechnung von 1400€ beschweren kann, wenn im Hintergrund Geräte von gut 1500€ auf der Küche rumstehen. Bis auf den einen Monat gehe ich Zeit meines Lebens arbeiten und ich habe nicht solche Geräte bei mir auf der Küche stehen.
Ich weiß dann nicht was der Sender mit ihrer Serie bezwecken will. Zum einen zeigen sie tatsächlich Menschen, die ins Hartz IV abgerutscht sind, die nichts dafür können oder auf Grund ihres schlechten Verdienst eben darauf angewiesen sind. Aber wenn man dann Bilder zeigt, wo es Menschen schlecht zu gehen scheint, die aber anscheinend mehr als genug haben, dann weiß ich nicht, ob es dann am Ende nicht doch ein falsches Licht auf diese Menschen wirft.
Da leben diese Menschen finanziell am Limit und auch sonst und dann gibt es da jemanden, der sich das reinzieht und denen hinterher auch noch den Thermomix neidet, falls es überhaupt einer ist. Der kann geborgt sein. Den können die Menschen gewonnen haben. Vielleicht ist der auch ein Erbstück. Aber ich glaube nicht, dass sie den gekauft haben. Wenn sie mal alle Kröten zusammen kratzen und sich vielleicht noch etwas Geld bei Verwandten leihen, dann doch für einen neuen Fernseher, weil es der alte einfach nicht mehr tun will. Warum der Sender diesen billig produzierten Schrott ausstrahlt?
Weil er auf die niederen Instinkte seiner Zuschauer baut und auf deren ausgeprägten Sozialneid. Immerhin werden Werbeminuten verkauft und allein das ist das Ansinnen des privaten Fernsehens. Einfach nur genug Schotter mittels Werbung einzuspielen. Ich gucke mir das nicht an. Ich neide aber Lucie Schmidt auch nicht den gebrauchten Thermomix von Oma Schmidt, den sie sich für ihre Enkelin vom Munde abgespart hat. Wer weiß, ob die erwähnte ältere Frau sich jemals überwinden könnte, Rente zu beantragen, wenn man ihr nicht endlich mal die Leistung gekürzt hätte.
Leider können die Ämter und Behörden nur so die Mitwirkung ihrer Leistungsempfänger durchsetzen. Mit lieben Worten ist da nichts getan. Aber so Knall auf Fall wird auch nichts gekürzt. Da gibt es erst ein Beratungsgespräch, dann eine schriftliche Aufforderung und erst nach der schriftlichen Abmahnung wird endlich gekürzt. Ich bin ein sehr sozial und tolerant eingestellter Mensch, daher wünsche den Betroffenen nur das Beste und lasse sie hiermit und auf diesem Wege wissen, dass ich ihnen ihren Besitz nicht neide.
Was der Sender damit bezwecken will? Möglichst günstig Sendezeit füllen natürlich. Rechte für externe Produktionen sind in der Regel relativ teuer und du bist dann oft auch in den Verwertungsrechten eingeschränkt. Sprich, du darfst die Serie dann auf RTL zeigen aber wenn du sie ein Jahr später noch mal auf RTL 2 oder was es sonst noch so für RTLs gibt zeigen willst musst du noch mal bezahlen, je nach Popularität kannst du den Vertrag nicht mal einfach verlängern sondern musst neu verhandeln.
Ich bin eigentlich der Meinung, dass vor jeder Doku-Soap / scripted reality der Hinweis ausgestrahlt werden sollte, dass sich hier um Laiendarsteller handelt und, dass die von ihnen dargestellten Geschehnisse nicht der Realität entsprechen. Gibt es doch bei Filmen oft auch.
Denn das, was du da siehst, IST nicht die Realität. Es gibt ein Drehbuch und es gibt Rollen, die besetzt werden müssen. Bei den Doku-Soaps sind stereotype Rollen normal, weil der typische Zuschauer genau diese Klischees erwartet und nicht wirklich nachdenken möchte wenn er diese Art von Sendungen schaut.
Und wer kennt nicht das Klischee vom Hartz4 Empfänger, der nicht mit Geld umgehen kann und trotzdem unnötiges und teures Zeug anschafft? Oder das Klischee von der bösen Behörde, die Geld vorenthält? Für dieses Klischee wird wahrscheinlich auch der Teil weggeschnitten, in dem die gute Frau irgendwelche Unterlagen nicht eingereicht hat und deshalb diese Verzögerung bei der Rente hat.
Wer möchte, kann Elvis zum Beispiel höchstpersönlich und jederzeit kennenlernen. Dasselbe gilt im Übrigen für Dagmar und den Rest der Benz-Baracken, um festzustellen, ob es wirklich „Laiendasteller“ sind oder die realen Personen dahinter. Der bisherige O-Ton ist da sehr eindeutig, dass sie sind, wie sie sind. Natürlich wird vielleicht die eine oder andere Frage so bewusst gestellt, dass man antwortet, aber diese Art von „Reality-Dokus“ sind nochmal etwas anderes.
Es könnte aber eben auch, wie Cloudy sagt, alles gecastet sein. Was ich aber vorerst nicht generell unterstellen möchte. Und dann kommt es eben auch darauf an, ob die Story trotzdem real ist, die Leute eben nur nach Drehbuch das „nachspielen“, was im Alltag passiert usw. Ich mach da schon gewisserweise Unterschiede zwischen ganz gefakten Programmen.
Allerdings darf man eben auch nie vergessen, RTL II macht Kohle damit. Und auf den Nacken oftmals naiver Menschen, die natürlich nur sich selbst präsentieren wollen. Doch das hat auch schon zu vielen Problemen für andere geführt. Denn von 6 Monaten a 1-6 Stunden täglich, kriegen wir nur recht geringe Ausschnitte. Gesagtes wurde gesagt, getanes wurde getan und das ist eben auch so. Aber es kann auch zum Nachteil von Bewohnern geschnitten werden, wenn man RTL II etwas Bösartiges unterstellen möchte.
Solche Sendungen sind, wenn man die Leute nicht versucht persönlich kennenzulernen, was bei vielen der Benz-Barackler möglich ist, „Futter“ für RTL II. Das Ziel ist es, die Leute für wenig Geld beim Dreh einschalten zu lassen und sogenanntes „Asi-TV“ läuft deswegen so gut, weil der Ottonormalo denken kann:“sind die asi, da bin ich ja gar nichts gegen“. Diese Formate haben häufig genau dieses Ziel, dass man hingucken muss, hingucken will und sich selbst reflektiert als „weniger asi“, wenn man vielleicht vorher was anderes gedacht hat.
Der Hintergedanke von RTL II ist daher in meinen Augen wahrlich eine Mischung aus „Schock“ und „Neugierde“ und bei vielen auch der Punkt, sehen zu wollen, wie asi im Gegensatz zu mir andere seien oder eben wie „faul Hartzer“ wirklich seien. Das läuft immer und wird immer laufen.
Kätzchen14 hat geschrieben:Es könnte aber eben auch, wie Cloudy sagt, alles gecastet sein. Was ich aber vorerst nicht generell unterstellen möchte.
Das könnte nicht nur so sein, das ist so. "Gecastet" bedeutet, dass du die Menschen auswählst, die in deiner Sendung auftreten werden. Das ist nach deutschem Recht die einzige Möglichkeit wie du überhaupt Menschen ins Fernsehen bringen darfst. Datenschutz, Recht am eigenen Bild und so weiter. Jedenfalls dann, wenn es sich nicht um prominente Menschen handelt.
Und selbst wenn die Mitwirkenden kein Drehbuch haben und keine Beschreibung ihrer Rolle bekommen - die Leute, die später für den Schnitt zuständig sind haben diese Sachen mit Garantie. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem Freund über eine Big Brother ähnliche Sendung, also eine, die täglich Stunden an Videomaterial produziert. Er meinte, dass eine Kandidatin eigentlich ganz normal und umgänglich sei, aber dieses Material dürften sie nicht verwenden.
Vielleicht hast du sogar vollkommen recht damit Cloudy. Ich weiß, dass bei Schwiegertochter Gesucht, auch komplett nach Drehbuch gearbeitet wird, genau wie bei Bauer sucht Frau. Zum Teil sieht man das auch schon mal in gewissen Szenen. Frauentausch ist da auch so eine Beispiel, die man dann in den ausgestrahlten Sendungen immer wieder entlarven kann. Eine Bekannte eines Freundes hat mal bei Schwiegertochter Gesucht mitgemacht. Diese hat dann auch irgendwann mal erzählt, dass da sehr viel nach Drehbuch abläuft. So fehlte wohl an einem Drehtag noch die Szene, wo morgens jemand aufstehen sollte, die wurde dann eben mitten am Tag nachgedreht.
Grade auch bei Frauentausch kann man immer wieder Szenen sehen, wo die Leute nach einer angeblich langen Anreise, sich dann jetzt lieber in Bett legen möchten, also schlafen gehen wollen. Im Hintergrund kann man dann im Fenster sehen, dass es noch Tag hell ist und nicht mal annähernd so aussieht, als wenn es dunkel werden würde. Auch bei Bauer sucht Frau, soll sehr viel nach Drehbuch abgehen. Manchmal kann man das sogar raushören, dann hört es sich wie abgelesen oder eben auswendig gelernt an. Wobei ich mich dann immer noch frage, wie es dann bei Narumol und ihrem Josef gelaufen ist. Schließlich sind die schon einige Jahre verheiratet und ein Kind haben die auch zusammen. Das dürfte dann wohl eher fernab eines Drehbuchs liegen.
Was die Benz-Baracken angeht, da war es mir nicht so bewusst, dass auch das gecastet sein könnte, aber es macht eben dann auch Sinn, grade in Bezug auf den erwähnten Datenschutz und Recht am eigenen Bild. Wie dem auch sei, was mir aber wichtig ist, dass es mir bei diesem Thread nicht darum ging, irgendwelchen Neid kund zutun. Soll jeder sein Zeug haben wenn er es braucht. Aber man kann eben nicht in die Kamera heulen und sich über zu wenig Geld beschweren, wenn sich dann die teuren Geräte auf der Theke tummeln. Das würde bei einem normal verdienenden Menschen auch nicht anders machen. Natürlich könnten diese Dinge auch woanders herkommen, aber das kann ich mir auch nicht so wirklich vorstellen. Geerbt oder geschenkt von den Eltern oder Großeltern, glaube ich eher weniger. Schließlich weiß man inzwischen, dass ein gewisses soziales Umfeld sich immer ein Stück weit prägend auf die nächste Generation auswirkt.
Von daher denke ich, dass Eltern und Großeltern auch nicht viel anders geht, als den betroffenen Personen selbst. Gewonnen? das glaube ich schon gar nicht. Dafür müsste man erstmal an irgendwas Teilnehmen, was zumindest dann auch eine gewisse Investition bedeuten würde. Es kommt ja schließlich niemand bei einem an die Tür und sagt, Glückwunsch, sie haben gewonnen und drückt einen dann ein teures Gerät in die Hand drückt und wieder verschwindet, ohne das man selber was dafür getan hat.
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