Nur dann essen, wenn man es körperlich verdient hat?
Ein Bekannter von mir ist der Ansicht, dass man nur dann am besten abnehmen würde, wenn man nur dann isst, wenn man es körperlich verdient hat. Soll heißen, man muss das Essen durch ein Kaloriendefizit, das vorher durch Sport verursacht worden ist, verdient haben. Wenn man sich nicht genug bewegt hätte, dürfte man seiner Meinung nach auch nicht essen.
Die Steinzeitmenschen hätten das ja seiner Meinung nach auch so gemacht. Damals wurde das Essen ja noch gejagt über mehrere Kilometer und es war nicht leicht, etwas zu Essen zu verdienen. Dafür konnte man entsprechend zulangen, als das Essen dann endlich bereit war. Seiner Meinung nach müssten die Menschen heute immer noch nach diesem Konzept leben, weil es dann kein Problem mehr mit Übergewicht geben würde. Trinken nimmt er von dieser Regelung übrigens aus.
Ich sehe das Konzept eher kritisch. Wie soll man denn das Frühstück "verdient" haben? Soll man vorher einen Marathon laufen oder wie? Das ist auch nicht gut für den Kreislauf und manche werden dann zusammenbrechen. Wer legt denn dann überhaupt fest, ob man eine Mahlzeit jetzt "verdient" hat? Reicht es schon, wenn man die 100 m zum Supermarkt gegangen ist um eine Pizza zu kaufen oder muss es ein Marathon von München bis Berlin sein? Wie seht ihr das? Sollte man erst dann essen dürfen, wenn man es körperlich verdient hat?
Für mich klingt das ziemlich Blödsinnig und auch nicht umsetzbar. Man hat doch immer Tage, an denen man nicht viel körperliche Arbeit oder Bewegung hat. Muss man dann fasten oder wie? Ich halte es durchaus für sinnvoll, wenn man seine Kalorienzufuhr an die Bewegung und Arbeit anpasst. Das man eben mehr essen darf, wenn man mehr gearbeitet hat und sich da etwas einschränkt, wenn es doch man ein etwas faulerer Tag war.
Aber was dein Bekannter sagt, ist meinen Augen so gar nicht zu verwirklichen. Immerhin kann man sich schlecht sein Frühstück jagen. Man könnte natürlich jeden Morgen vor dem Frühstück erst mal Sport machen oder den Garten umgraben, aber ich denke, dass man dafür auch sicherlich nicht immer Zeit haben wird.
So ganz schlüssig ist das ganze in sich nicht. Denn Fett baut man damit nicht ab, da das nicht 1:1 vom Körper beim Sport freigesetzt wird sondern das ein langer Prozess ist bis das umgewandelt ist. Laufe ich also vorher mehrere Stunden und meine damit mein Fett zu reduzieren und schaufel mir hinterher das pure Fett in den Körper rein, mit mehr Kalorien als ich verbraucht habe, dann habe ich daraus rein gar nichts gewonnen.
Entsprechend sollte der Ansatz auch eher in die Richtung gehen, dass man auch nur das isst, was man im Anschluss auch verbraucht. Denn nur mit einer negativen Kalorienbilanz nimmt es sich im Endeffekt auch ab, wobei gerade bei vorher unsportlichen Leuten das Gewicht erst einmal nach oben geht, denn Muskeln wiegen mehr als reines Fett, verbrauchen dafür aber auch Energie und nicht wie Fett welches sich nur aushalten lässt.
Aber alleine die Tatsache, dass er das Trinken ausnimmt spricht schon für wenig durchdachtes Verhalten. Denn es macht einen gewaltigen Unterschied, ob jemand den ganzen Tag Saft trinkt, Cola oder auch nur Wasser. Saft und Cola liefern ebenfalls Energie, diese Kalorienzufuhr muss beim Essen natürlich ebenfalls berücksichtigt werden und entsprechend dann weniger in Essenform aufgenommen werden.
Auch ist es Blödsinn, dass man auf leeren Magen laufen geht und schon gar keinen Marathon. Die Energie die dafür benötigt wird, die macht der Körper nicht so ohne weiteres aus seinen Schichten locker sondern nimmt erst einmal das, was bereits vorhanden ist im Magen. Natürlich futtert man vorher auch kein Schäufele sondern eher leichte und kleine Dinge wie Bananen, die ein guter Lieferant an Energie sind und nicht zu sehr belasten. Wenn diese verbraucht sind, dann greift der Körper auf die einfachen Reserven zurück, erst der Zucker, dann das Eiweiß und ganz am Schluss erst auf das Fett. Soweit lässt es ein Marathonläufer gar nicht erst kommen, sondern hat vorher über Wochen genug einfache Reserven angelegt um diesen Lauf auch zu schaffen.
Ich esse nur nach einem strengen Muster, wenn es auf einen Lauf zugeht. Da wird dann auch genau darauf geachtet wie die Kalorienbilanz ist, dass genug Eiweiß eingelagert wird, und am entsprechenden Tag auch genug Zucker vorhanden ist, der unter dem Lauf in Form von Bananen und Müsliriegeln nachgeliefert wird. Ansonsten halte ich es für unsinnig, da ein 100 Meter Lauf zum Supermarkt deutlich weniger Kalorien verbraucht als eine Pizza liefert wenn man sie isst.
Für mich ist das schon allein deshalb unsinnig, weil man doch im Laufe des Tages einfach so Kalorien verbrennt, ohne sich dafür bewegen zu müssen. Der Körper hat doch einen gewissen Grundumsatz, wenn mich nicht alles täuscht. Das bedeutet, dass man auch immer dann Kalorien verbrennt, wenn man sich nicht bewegt. Auch die Verdauung verbrennt doch auch Kalorien.
Wenn man also 2000 Kalorien am Tag zu sich nimmt, muss man nicht erst 2000 Kalorien durch Sport und Bewegung abbauen, um abzunehmen. Ansonsten würde man ja nur dann abnehmen, wenn man auch Sport machen würde und das jeden Tag. Das ist ja aber nicht so, da man auch durch eine Ernährungsumstellung allein abnehmen kann.
Jedenfalls halte ich trotzdem nichts davon. Ich habe ganz oft Tage, an denen ich acht Stunden am Stück im Büro arbeite und mich zu Hause noch einige Stunden an den Schreibtisch setze, um da weiter etwas für die Uni zu machen. Ich weiß, dass ich mich an solchen Tagen kaum bewege, aber trotzdem bin ich ja sehr produktiv und natürlich habe ich mir dann mein Essen auch verdient. Ich könnte nicht den kompletten Tag nichts essen, nur weil ich am Schreibtisch sitzen würde. Da wäre die Konzentration bei mir auch recht schnell hinüber.
Ich schließe mich der Meinung und Argumentation von Prinzessin_90 an. Der Grundumsatz des Körpers, der durch Stoffwechselprozesse, Wärmeproduktion und Organfunktionen benötigt wird, bleibt bei einer solchen Einstellung, wie dein Bekannter sie vertritt, ja vollkommen unbeachtet. Wenn man dem Körper diese benötigte Energie aber nicht zuführt und ihn dann auch noch zu Leistung antreibt, ist das auf Dauer sehr ungesund, da dann auf Reserven zurückgegriffen wird, die eigentlich andere Funktionen erfüllen.
Noch dazu finde ich die Vorstellung völlig absurd, dass man die Gesamtzahl der Kalorien, die man über den Tag zu sich nimmt, auch wieder durch körperliche Betätigung verbrennen soll. Ein Erwachsener hat am Ende des Tages bei drei ausreichend großen Hauptmahlzeiten gut und gerne mal 2000 Kalorien auf dem Konto. Um das wieder loszuwerden, müsste er den halben Tag im Fitnessstudio oder im Stadion verbringen. Wie soll das zeitlich bei einem Vollzeitjob und anderen Verpflichtungen und Hobbies denn machbar sein?
Und abgesehen von alldem halte ich es auch für psychopathologisch, so penibel auf jede kleine Kalorienzufuhr zu achten, alles bis ins Detail zu berechnen und der Nahrungsaufnahme auf diese Art und Weise den Stempel des Verbotenen und der Sünde aufzudrücken. Das hat für mich schon deutliche Züge einer Essstörung.
Ach der arme Steinzeitmensch muss für so vieles herhalten. Ich halte diese Anschauung, dass man sich Nahrung erst einmal hart erarbeiten und somit erst im Anschluss verdient. Klar konnte der Steinzeitmensch nicht mit ein paar Kieseln in der Tasche zum nächsten Imbiss gehen oder in einen Supermarkt, um sich Nahrung und Speisen zu beschaffen. Aber die Steinzeit ist doch längst Geschichte.
Und in dieser Zeit hat der Mensch doch eine Menge an Entwicklung durchgemacht. Was ist denn mit den Alten und Kranken? Die dürften doch gar nicht Essen, weil sie nicht vorher körperlich dafür gearbeitet haben oder Sport betrieben. Und letzten Endes verbraucht doch das Gehirn eines jeden Menschen die meiste Anzahl an Kalorien als der Rest des Körpers.
So manch einer, der lange grübelt weil er großen Kummer oder viele Sorgen hat, wird schneller abnehmen, als der welcher für sein Essen harte körperliche Arbeit oder Sport auf sich nimmt. So nahm ich mal in weniger als einem Monat fünfzehn Kilogramm ungewollt ab, nur weil ich vor Kummer und Gram nichts mehr essen konnte. Was passiert denn, wenn ich nur im Büro und nicht im Straßenbau arbeite?
Darf ich dann nur noch ganz wenig an Essen zu mir nehmen, weil ich vielleicht nur 300 Kalorien in acht Stunden verbrannte? Das ist für mich echt eine absurde Denkweise. Oder wenn ich nur an Kinder denke. Die arbeiten ja gar nichts. Dürfen die dann etwa auch gar nichts essen? Hoffentlich bekommen die Kinder desjenigen, der diese verrückten Ansichten vertritt, doch ausreichend Nahrung und Energie obwohl diese nicht arbeiten. Und hoffentlich müssen sie nicht in zartem Kindesalter hart dafür arbeiten oder trainieren.
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