Gründe gegen eine Organspende?

vom 16.01.2020, 22:34 Uhr

In der aktuellen Debatte um die Organspende frage ich mich immer wieder, warum sich Menschen in der heutigen Zeit noch dagegen entscheiden, nach dem Tod ihre Organe zu spenden. Früher konnte ich es nachvollziehen, dass man es aus religiösen Gründen nicht möchte oder dass man Angst hatte, dass die Ärzte etwas vorschnell bei der Organentnahme sind und man noch gar nicht tot war.

Aber in der heutigen Zeit verstehe ich es immer weniger. Die Religiosität hat meines Erachtens rapide abgenommen, ich kenne in meinem Bekanntenkreis eigentlich keinen mehr, der einer Religion wirklich zugetan ist. Ein paar Leute sind zwar noch offiziell Kirchenmitglieder, haben aber praktisch seit Jahrzehnten keine Kirche mehr von innen gesehen und halten sich auch an so gut wie kein kirchliches Gebot. Und die Nicht-Christen unter ihnen scheinen ihren Glauben auch nicht zu praktizieren, halten sich an keine der religiösen Vorschriften.

Und der ganze Prozess der Organentnahme ist meines Erachtens so reglementiert und überwacht, dass auch da eigentlich nicht mehr gepfuscht oder betrogen werden kann. Und pietätvoll ist weder das Sterben noch der ganze Vorgang darum herum im Krankenhaus, da erwarte ich auch keine pietätvolle Entnahme.

Welche Gründe gibt es also aus eurer Sicht, die jemanden sich gegen eine Organspende entscheiden lassen? Oder sind viele einfach nur zu faul, sich mit dem Thema aktiv auseinander zu setzen? Falls die Widerspruchslösung gekommen wäre, hättet ihr euch dann gegen eine Organspende entschieden? Was wären die Gründe gewesen?

» SonjaB » Beiträge: 2698 » Talkpoints: 0,98 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Mir fällt da kein Grund ein, außer, dass ich hoffentlich so alt werde, dass meine Organe dann auch unbrauchbar sind. Gründe für eine Lebensorganspende gibt es natürlich genug. Aber ich denke, dass die meisten nur zu faul sind sich einen Organspendeausweis zuzulegen. Mir ist es egal was die Politik da macht. Ich habe einen Organspendeausweis und damit ist die Sache für mich erledigt.

» Sternenbande » Beiträge: 1860 » Talkpoints: 70,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich bin bisher davon ausgegangen, dass es unabhängig von der eigenen Haltung zur Organspende genügend Empathie und Vorstellungsvermögen vorhanden ist, um Gründe für eine Ablehnung zu erkennen. Mir fallen jedenfalls ziemlich viele Gründe ein.

Hirntote sind nicht tot, Organe von Toten können nicht verwendet werden. Mancher möchte lieber einen ungestörten Sterbeprozess. Dafür gibt es sicherlich unterschiedliche Gründe. Der eine möchte im Kreis seiner Lieben sterben und nicht mit einem fremden Transplantationsteam. Der nächste möchte seinen Angehörigen einen leichteren Abschied mit einem verständlichen, gewohnten Tod ermöglichen.

Wieder andere möchten ihrem schwerkranken Körper keine schmerzhafte Diagnostik zumuten. Der nächste lehnt die medizinische Konditionierung seines Körpers zur bestmöglichen Spendefähigkeit zu seinem Nachteil ab. Die meisten haben Angst vor Schmerzen bei der Entnahme, weil niemand weiß, was Betroffene fühlen, und eine Narkose nicht vorgeschrieben ist.

Sicherlich führt die unterschiedliche Definition von Hirntot je nach Land zu Verunsicherung. Denn wie sicher ist die Diagnose, wenn der gleiche Patient in einem Land lebt und im anderen Organe spendet? Skandale und Berichte über Kliniken, die die Protokolle zur Todesfeststellung nicht einhalten, steigern das Vertrauen auch nicht unbedingt.

Für manchen ist die unsaubere Aufklärung ein Grund. Andere lehnen es ab, dass alle profitieren, nur der Spender und seine Familie nicht. Denn die Organe für Schwerkranke sind ja nur eine Seite. An Herzklappen, Bändern, Sehnen, Knochen und so weiter wird kräftig verdient und es geht nicht um Leben und Tod.

Und dann gibt es Menschen, die das Konzept als Heuchelei empfinden.Schwerstkranke bekommen keine Sterbehilfe, die Einhaltung der Vorgaben zur Totenruhe verlangen Angehörige vieles ab, aber für Organe darf man Menschen töten?

Es gibt sicherlich noch viele andere Gründe. Diese hier kann ich mit halt vorstellen. Sicher ist, dass es eben nicht so einfach ist, wenn man länger darüber nachdenkt und auch andere Standpunkte als den eigenen in die Betrachtungen einfließen lässt.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Cooper hat wie so oft schon fast alles gesagt. Toten kann man keine Organe entnehmen und verwenden. Hirntote Menschen sind warm, ihr Herz schlägt, der Brustkorb hebt und senkt sich, und die Angehörigen müssen sich darauf verlassen, dass ein Arzt oder eine Ärztin recht haben, wenn sie sagen: Ihre Frau oder ihr Sohn wachen nie wieder auf. Das mag rein medizinisch gesehen schon so stimmen, aber Entscheidungen an der Schwelle zwischen Leben und Tod sind nie einfach.

Ich habe beispielsweise auch noch gehört, dass sich manche Leute Gedanken machen, dass die Qualität der Behandlung für Organspender schlechter ist, sprich, dass man sie eher "sterben lässt", wenn etwa nach einem Unfall zwar einiges kaputt ist, aber das tolle Herz eines 25-jährigen Nichtrauchers oder die super Nieren doch eher dazu motivieren würden, die Teile zuungunsten des Ganzen weiterzugeben.

Und wie schon erwähnt, man muss sich auf die Urteile Fremder verlassen, die sagen, da ist nichts mehr zu machen, auch wenn die Pumpe noch pumpt. Das ist ehrlich gesagt auch mein Hauptproblem bei der Organspende. Mit Sicherheit wird niemand leichtfertig als hirntot deklariert, aber letzten Endes finde ich nach wie vor, dass hier mit menschlichen, sprich begrenzten und fehlerhaften, Mitteln über Leben und Tod entschieden wird, anstelle der Natur ihren Lauf zu lassen bis zum Erlöschen sämtlicher Organfunktionen.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Der Mythos, dass Organspender irgendwie schlechter behandelt werden, hält sich ja ziemlich hartnäckig und wird immer wieder fleißig nachgeplappert und dann werden auch gerne noch irgendwelche Horrorgeschichten von angeblich Hirntoten erzählt, die jetzt wieder gesund sind. Meistens ohne, dass diese Geschichten überhaupt verifiziert wurden und geschaut wurde, wo diese Geschichten spielen und wie die Begleitumstände überhaupt aussahen.

Ich finde es interessant, dass die Menschen, die diese Geschichten nachplappern, in der Regel vom genauen Gegenteil überhaupt nichts wissen oder nichts wissen wollen. Dabei gibt es zahlreiche Fälle von Angehörigen, die dafür kämpfen mussten, dass der Patientenverfügung eines Angehörigen Folge geleistet wird und die Behandlung eingestellt wird.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


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