Wie kann man Großeltern von Wohnraumwechsel überzeugen?

vom 15.01.2020, 01:57 Uhr

Meine Oma wohnt alleine in einem sehr großen zweistöckigen Einfamilienhaus in einer kleinen Ortschaft ohne große Einkaufsmöglichkeiten oder ärztliche Anbindung. Inzwischen ist sie 90 Jahre und vereinsamt dort immer mehr. Vor Kurzem musste sie auch ihren Autoführerschein abgeben und ihr Auto verkaufen. Aus diesem Grund ist sie dort abgeschottet und ziemlich allein. Mein Onkel fährt zwar regelmäßig hin und bringt ihr Einkäufe aber viel Zeit für die Besuche kann er sich aus beruflichen Gründen auch nicht nehmen.

Trotzdem reichen unsere Argumente nicht aus sie zu einem Umzug in eine kleine Stadtrandwohnung zu überzeugen. Sie ist für ihr Alter körperlich und auch geistig noch sehr fit sodass ein Umzug in ein Altenheim wirklich nicht von Nöten ist. Aber eine kleine schnuckelige Wohnung mit Anbindung an einen Supermarkt und Ärzte wäre aus unserer Sicht einfach ideal. Außerdem wäre so auch viel schneller jemand von uns bei ihr falls doch einmal etwas ist.

Nicht umsonst gibt es den Spruch " Einen alten Baum verpflanzt man nicht" und uns ist durchaus bewusst dass man nach 60 Jahren Lebenszeit in einem Haus da nicht einfach so umziehen kann und möchte. Dennoch fragen wir uns ob es nicht doch noch Argumente gibt mit denen man sie doch noch von einem Umzug überzeugen kann? Oder ist es vielleicht doch besser sie einfach dort ihre restliche Lebenszeit zu belassen weil sie ein Umzug ggf. zu sehr aufwühlen und ihr mehr schaden würde als allein weiter in dem großen Haus zu wohnen?

» EngelmitHerz » Beiträge: 3943 » Talkpoints: 17,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Das ist leider wirklich eine schwierige Frage. Ich schlage mich gefühlt seit Jahrzehnten mit dickschädligen Senioren herum und habe auch noch keine Lösung gefunden. Es ist natürlich schön, wenn man hochbetagt noch körperlich und geistig "fit" ist, aber das bedeutet eben auch, dass man genauso wie jeder andere zurechnungsfähige Mensch selbst entscheiden darf, wo und wie man lebt. Ich denke mir immer, dass ich es ja auch nicht wollen würde, wenn jemand versucht, mich davon zu "überzeugen", meine Wohnung zu verkaufen oder umzuziehen oder sonst eine Entscheidung zu treffen, die mein ganzes Leben auf den Kopf stellt. Da würde ich jetzt ebenso allergisch reagieren und mich quer stellen wie mit 90. Geistige Fitness vorausgesetzt.

Die einzige Möglichkeit, jemanden zu "überzeugen" ist meines Wissens die amtlich bestellte Betreuung, die aber nur dann greifen kann, wenn ärztlich nachgewiesen ist, dass die Person gesundheitsbedingt nicht mehr für sich selber entscheiden kann. Und damit wird, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, durchaus nicht leichtfertig umgegangen, was mich auch persönlich beruhigt.

Aber umgekehrt heißt das eben auch, dass man eine Neunzigjährige genauso gut oder schlecht von einem Wohnraumwechsel "überzeugen" kann und darf wie eine Dreißigjährige. Manche Senioren sind bis ins hohe Alter vernünftig und logischen Argumenten zugänglich, andere reden sich auch aus verständlichen Gründen lieber ein, dass sie noch gut alleine zurechtkommen und verdrängen die Tatsache, dass sie von heute auf morgen zum Pflegefall werden können.

Ich habe jedenfalls schon oft erlebt, dass auf Oma oder Opa von verschiedensten Seiten eingeredet wurde wie auf das sprichwörtliche kranke Pferd, und das Ergebnis war gleich null, außer dass Oma eingeschnappt war. Und dann war es trotzdem nur eine Frage der Zeit, bis die Herrschaften gestürzt sind oder den Ofen angelassen haben, sodass ihnen die Entscheidung abgenommen werden musste.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Ich kann die ältere Generation wirklich von ganzem Herzen her verstehen! Man lebt in einem Haus oder auch in einer Wohnung sehr lange Zeit, man baut sich das Jahr für Jahr so auf, wie man es gerne hätte, hat in dem Haus viel erlebt und es hängen wirklich viele Erinnerungen in so einer Wohnung oder einem Haus, vor allem eben, wenn man nicht oft umgezogen ist.

Ich bin zwar noch länger keine Seniorin, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass ich auch einmal so "ein Fall" werde. Es soll jeder so machen, wie er möchte, aber ich konnte Leute noch nie verstehen, die öfter umziehen. Gut, wenn es sein MUSS, dann kann man nichts machen, aber so es irgendwie geht, würde ich das verhindern.

Eine Wohnung ist nicht einfach irgendeine Wohnung. Es ist das ZUHAUSE einer Person. Wechselt man die Wohnung, ist das für viele Leute, vor allem für ältere Personen nicht einfach nur ein Ortswechsel, sondern bedeutet viel mehr. Und bei einem Haus, das man womöglich auch noch selber gebaut hat, sind die Gefühle denke ich noch viel viel intensiver!

Ich wohne auch am Land und es gibt bei uns auch hier Möglichkeiten der Altersbetreuung! Dafür muss man nicht unbedingt an den Stadtrand ziehen. Und ich kann mir bereits jetzt vorstellen, dass ich auch im hohen Alter lieber hier alleine in der Wohnung bin, als an einem Stadtrand! Ich würde auch nicht freiwillig in ein anderes Dorf ziehen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass mir vor allem im höheren Alter die vertraute Umgebung sehr sehr wichtig sein wird. Da könnte man mich auch nicht mit besserem Komfort oder besserer Lage locken.

Bei meinen Eltern habe ich mich auch eine Zeit lang gefragt, warum sie nicht einige Sachen ein wenig modernisieren um es einmal freundlich auszudrücken. Aber inzwischen kann ich sie verstehen.

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» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich kann dich voll und ganz verstehen mit deinem Problem, allerdings muss man auch mal deine Oma sehen. Sie hat da nun lange gelebt, hat ihren Alltag und mag es vielleicht auch gar nicht mehr so hektisch. Mit 90 Jahren weiß man auch wie anstrengend ein Umzug sein kann und das möchte man dann auch sicherlich nicht mehr. Meine Oma pflegte immer zu sagen, dass sich das doch nicht mehr lohnen würde. Leider wurde meine Oma dement und musste dann zur Betreuung in ein Heim, weil wir das nicht mehr abdecken konnten.

Was macht deine Oma denn gerne? Ist sie eher ein geselliger Mensch oder jemand, der die Ruhe auch durchaus zu schätzen weiß. Meine Oma hat beispielsweise immer ihren Spaziergang gemacht und nur ab und zu Freunde besucht und wollte auch nicht ständig Besuch bekommen. Sie hat dann gerne gelesen und ferngesehen, sich im Garten beschäftigt und so weiter. Sie hatte Kinder bekommen, musste immer arbeiten, die Ruhe tat ihr dann mal ganz gut, sagte sie immer. Wobei sie auch bis zu der Erkrankung immer gerne auf Reisen unterwegs war.

Auch wenn es jetzt vielleicht abartig und unangebracht klingt, sie ist 90 Jahre und das wird nicht ewig so weitergehen. Sie ist alt und wenn sie so klarkommt und es ihr Wunsch ist, dann sollte man den respektieren. Fragt sie doch mal ob sie sich über mehr Besuch freuen würde, dann könnte man das organisieren. Ansonsten wäre es noch gut zu wissen, wie sie mit moderner Technik klarkommt, da hätte sie ja Videotelefonie machen können, wenn sie das hinbekommt. Ein guter Zeitplan könnte es aber schon bringen. Ab und zu kann man sich mal Zeit nehmen und wenn sie Familie hat, kann man das gut aufteilen und wenn es nur mal anrufen ist.

Abgesehen davon sollte man ihren Wunsch wirklich respektieren. 90 wird nicht jeder und da sollte man der alten Dame doch ihre Ruhe lassen und nicht mit noch mehr Anstrengung belasten, sich umzugewöhnen, umzuziehen und dann wieder im Trubel zu leben ist sicherlich nicht für jeden etwas und wenn sie nicht der Typ dafür ist, dann muss man es als Familie verstehen und akzeptieren.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



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