Würdet ihr für immer in den Orient gehen?

Wir waren vor kurzem ein paar Tage in Ägypten und haben da eine nette deutsche Reiseleiterin kennengelernt, die uns auch einen interessanten Tagesausflug nach Dendera in einen wunderschönen Tempel organisiert hat. Es waren nicht sehr viele Touristen wie sonst in den bekannten Tempeln unterwegs, was wir für sehr angenehm empfunden haben, es war ein schöner Ausflug. Nächsten Tag haben wir uns bei der Reiseleiterin dafür bedankt und wir kamen mit ihr persönlich ins Gespräch. Sie erzählte uns, dass sie schon lange in Ägypten lebt und hat über ihre persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen über das Land und dessen Menschen mit ihrer Mutter ein Buch geschrieben. Das Buch heißt „Zurück nach Ägypten“.

Ich habe jetzt mal nachgeschaut und habe viele Bücher über den Orient gefunden, wie z.B. Sand in ihren Schuhen, 1001 Tausendundeine Lüge, Dreckiger Orient usw. Die Autorinnen erzählen ihre eigenen persönlichen Geschichten und Erfahrungen, die sie in den orientalischen Ländern gemacht haben. Ich finde diese Länder interessant, aber es würde mir wohl nicht unbedingt einfallen, für immer da leben zu wollen. Wenn man diese Bücher liest, haben die meisten größtenteils schlechte Erfahrungen gemacht. Könntet ihr euch vorstellen für immer im Orient leben zu wollen oder auch eher nur ein paar schöne Urlaubstage verbringen, um die Kultur, Sehenswürdigkeiten und die Menschen kennenzulernen?

Ich persönlich muss zugeben, dass es mich kaum in den Orient zieht. Ich habe nicht einmal eine große Motivation, dort Urlaub machen zu wollen, und leben könnte ich dort wohl noch weniger. Das liegt hauptsächlich an den meiner Ansicht nach recht wertkonservativen Gesellschaften, zu denen ich nicht gut passen würde.

Außerdem scheinen die meisten der dortigen Länder die Menschenrechte nicht sehr hoch zu achten, deren Einhaltung mir aber sehr wichtig ist. Das betrifft allerdings nicht allein den Orient. Aus ähnlichen Gründen würde es mir auch in anderen Ländern schwer fallen, Fuß zu fassen, in denen ähnliche Bedingungen herrschen - unabhängig von der jeweiligen Religion.

Wer verwendet denn heute noch den Begriff "Orient"? Je nach Interpretation und Ära kann damit ja alles gemeint sein von Israel über Saudi-Arabien bis nach Indonesien. Ich dachte, die Zeiten seien vorbei, als man alle Länder und Kulturen außerhalb der westlichen Welt zu großen Klumpen zusammengeballt hat, ohne sich die Mühe zu machen, genauer hinzuschauen.

Für mich ist der Fall ganz klar. Hierzulande habe ich global gesehen das schönste Leben, gerade als Frau. Top Infrastruktur, Sicherheit, alle möglichen persönlichen Freiheiten, von denen in, sagen wir, Ägypten, gerade mal eine winzige Minderheit profitiert. Als Ausländerin würden für mich zwar wahrscheinlich andere Regeln gelten, aber ich würde mich in einem Land auch nicht wohl fühlen, wo ein Großteil der Bevölkerung kein halb so schönes Leben hat wie ich als fettgefressene Europäerin.

Es mag spießig und langweilig sein, aber in vielen anderen Kulturen wäre ich in meiner jetzigen Lebenssituation entweder der letzte Dreck oder eine ewig ausgeschlossene Dauertouristin, die das Schicksal ihrer Schwestern aus der Entfernung bestaunt und dem Himmel dankt, dass sie unbegleitet das Haus verlassen darf.

Gerbera hat geschrieben:Wer verwendet denn heute noch den Begriff "Orient"? Je nach Interpretation und Ära kann damit ja alles gemeint sein von Israel über Saudi-Arabien bis nach Indonesien. Ich dachte, die Zeiten seien vorbei, als man alle Länder und Kulturen außerhalb der westlichen Welt zu großen Klumpen zusammengeballt hat, ohne sich die Mühe zu machen, genauer hinzuschauen.

Ich musste erst mal nachschauen, welche Länder überhaupt unter "Orient" fallen. Das scheint heute ja mehr oder weniger alles zu beinhalten, was man heute als Nahen und Mittleren Osten bezeichnet. Mit dem Begriff wirfst du ganz viele Länder in einen Topf, die überhaupt nichts oder nur sehr wenig gemeinsam haben. Diese Länder haben nicht mal alle eine überwiegend muslimische Bevölkerung.

Da könntest du genauso gut fragen ob man für immer nach Amerika - die Kontinente, nicht die Vereinigten Staaten von - gehen würde. Kanada könnten sich wahrscheinlich viele Leute vorstellen, El Salvador eher wenige.

Natürlich sind Menschenrechte, Sicherheit und solche Sachen ein Thema, vor allem für Frauen, aber davon mal ganz abgesehen wüsste ich auch überhaupt nicht, was ich dauerhaft in so einem Land machen sollte. Ich habe mich zum Beispiel in Marokko im Urlaub sehr wohl gefühlt und hatte nie das Gefühl von Unsicherheit. Ich hätte dort auch gerne noch länger bleiben wollen.

Aber wenn man mit den Leuten ins Gespräch kommt, viele sprechen ja Französisch, bekommt man schon mit, dass es auf dem Arbeitsmarkt alles andere als gut läuft. Ein Taxifahrer, der drei Sprachen fließend spricht und zwei Uniabschlüsse hat ist da keine Seltenheit. Dass jemand sein Land aus verschiedenen Gründen nicht verlassen will und dann lieber in einem Job arbeitet, für den er total überqualifiziert ist, ist verständlich, aber ich würde sicher nicht in ein fremdes Land gehen um dort dann hinter Touristen her zu putzen.

Orient hätte man eventuell etwas genauer eingrenzen sollen. Aber ich finde es nicht so anziehend. Vor allem der arabische Orient, da wo seit Jahren Konflikte herrschen. Zusätzlich dazu kommen auch Lohnunterschiede, kulturelle Unterschiede, Menschenrechte die es in der ein oder anderen Region nicht gibt. Ich finde es hier in Deutschland sehr schön. Ich könnte mir durchaus vorstellen in ein etwas wärmeres Land zu ziehen aber nicht direkt in den Orient.