Wird das Vorleseritual von moderner Technik verdrängt?

vom 03.11.2019, 00:38 Uhr

Eine Studie von Stiftung Lesen hat ergeben, dass ein Drittel aller Eltern von 2-8 jährigen Kindern diesen nicht (mehr) oder höchstens einmal wöchentlich vorliest. Vorlesen ist allerdings ein wichtiger Baustein für das spätere richtige Lesen & Schreiben in der Schule.

Besonders Eltern mit niedriger Bildung sträuben sich gegen das Vorlesen (52%). Nicht berufstätige Mütter, fast 40%, greifen wesentlich seltener zum Buch als Berufstätige (27%). Fast 60% der Väter lesen ihren Kindern so gut wie nie vor.

15 Minuten tägliches Vorlesen würde laut der Stiftung Lesen schon ausreichen. So könnten die Kinder gefördert werden. Es muss nicht mal klassische Lesen von Büchern sein.Auch Comics und Bilderbücher anschauen oder das Erzählen von Geschichten würde schon helfen.

Einige Eltern greifen allerdings lieber zum Hörspiel, Alexa oder der Tonie-Box. Sind diese neuen Medien eurer Meinung nach Grund für die Tatsache, dass das Vorleseritual der Eltern "einschläft"? Liegt es eventuell auch an den Kindern selbst, also dass diese das Hörspiel mit "Effekten" dem normalen Vorlesen vorziehen?

» EngelmitHerz » Beiträge: 3943 » Talkpoints: 17,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ich denke, dass hat gar nicht so viel mit Technik zu tun, sondern damit, dass Eltern heutzutage weniger Zeit für ihre Kinder haben und gar nicht mehr so die Lust sich um ihren Nachwuchs zu kümmern. Denn Hörspielkassetten gab es ja früher schon.

» Sternenbande » Beiträge: 1860 » Talkpoints: 70,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Der Zeitmangel ist für mich ehrlich gesagt kein stichhaltiges Argument, denn eine Kurzgeschichte von 15 Minuten lässt sich ja wohl irgendwie in einen 24-Stunden-Tag einbauen. Ich kann zwar verstehen, dass gerade alleinerziehende Eltern neben Job, Haushalt, Basisversorgung und persönlicher Psychohygiene oftmals kaum mehr Energie und Motivation für zusätzliche Aktivitäten haben, aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass manch andere Erziehungsberechtigte auch schlicht und ergreifend lieber ihre Ruhe haben und die Bequemlichkeit der heutzutage verfügbaren Alternativen aus dem Kreis der digitalen Medien schätzen. Wenn man den Kids eine Tonie-Box oder ein interaktives Hörspiel auf dem iPad präsentieren und selber auf der Couch seine Serie genießen kann, ist das vielleicht verlockender als die Auseinandersetzung mit dem Vorlesen.

Vorlesen ist in meinen Augen schon wichtig und kann die Eltern-Kind-Beziehung positiv stärken. Daher finde ich es sehr schade, wenn dies zunehmend in Vergessenheit gerät. Ich selber habe mich zumindest immer über eine vorgelesene Gute-Nacht-Geschichte gefreut und das auch ganz anders angenommen als eine Vertonung auf Band. Allerdings finde ich, dass sich das klassische Vorlesekonzept und beispielsweise Hörspiel-CDs dennoch nicht gänzlich gegenseitig ausschließen. Ich kam als Kind auch in den Genuss von beidem und sehe Vorzüge auf beiden Seiten. Das Vorlesen ist natürlich persönlicher, emotionaler und fördert soziale Lernerfahrungen am Modell. Hörspiele allerdings sind tolle Dauerbeschäftigungen, die ich sinnvoller und gesünder finde als Daddeln an der Konsole und stundenlanges Ansehen von Cartoons im Fernsehen.

» MaximumEntropy » Beiträge: 8472 » Talkpoints: 838,29 » Auszeichnung für 8000 Beiträge



Seit wann sind Hörspielkassetten "neue Medien"? Ich war in den Achtzigern Kind und bin wie viele heutige Eltern mit Bibi Blocksberg und Co. groß geworden. Und meine Eltern haben mich durchaus auch mal vor der Glotze geparkt. Vorgelesen hat mir meine Oma netterweise, aber eben auch die klassischen Märchen von den Brüdern Grimm, die nie wirklich für Kinder gedacht waren. Vom rein pädagogischen Standpunkt ist bestimmt ein modernes Hörspiel oder sonstiges Medium "wertvoller" für Kinder als Omas Rotkäppchen vor gut 30 Jahren.

Kurz, ich halte es für Schwachsinn, mal wieder die modernen Medien zu verteufeln, wenn Eltern sich nicht genügend mit ihren Kindern beschäftigen. Im Endeffekt geht es ja hier gar nicht nur ums "Vorlesen", auch wenn es sich um eine durchaus sinnvolle Art handelt, sich mit seinen Kindern zu befassen. Aber manche Kinder haben vielleicht gar keinen Bock auf das Gesäusel und würden mit ihren Eltern lieber Fußball spielen oder basteln oder backen. In jedem Fall halte ich es für eine völlig realitätsferne Vorstellung, dass mal wieder Alexa und das Tablet schuld sein sollen, dass Muttis Gutenachtgeschichte ausfällt. Die hat es in der oft propagierten Form auch "früher" sowieso nicht gegeben.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



MaximumEntropy hat geschrieben:Der Zeitmangel ist für mich ehrlich gesagt kein stichhaltiges Argument, denn eine Kurzgeschichte von 15 Minuten lässt sich ja wohl irgendwie in einen 24-Stunden-Tag einbauen.

Genau weil Eltern ja auch 24 Stunden am Tag Zeit haben sich um die Kinder zu kümmern. Also mal ehrlich, was für ein Unsinn. Natürlich sind 15 Minuten nicht viel Zeit. Aber man muss das ja mal realistisch betrachten. Wenn Eltern berufstätig sind, sind sie in der Regel mindestens 10 Stunden am Tag weg von zu Hause, die Kinder sind meistens ähnlich lange in der Kita oder der Schule. Dazu kommt noch Schlafenszeit und schon hat man ein Zeitfenster von vielleicht noch 16 oder 17 bis 21 Uhr wo man unter Umständen gemeinsam zu Hause ist. Und schon ist aus deinem 24-Stunden-Tag noch ein 4/5-Stunden-Tag geworden.

Und auch da wollen die Kinder etwas spielen, dann soll gemeinsam Abendbrot gegessen werden und unter Umständen muss mit größeren Kindern auch noch etwas für die Schule am nächsten Tag gemacht werden. Das mag mit einem Kind noch irgendwie gehen, aber hat man eine größere Familien mit drei oder vier Kindern, dann ist jede Minute, die man irgendwo am Tag noch findet sehr wertvoll.

Wir haben drei Kinder und wenn wir die ins Bett bringen sind wir auch zu zweit schon eine dreiviertel Stunde, manchmal auch eine ganze Stunde beschäftigt. Da wird zwar versucht möglichst oft etwas vorzulesen, aber das klappt nicht immer oder die Kinder wollen es nicht immer. Manchmal nutzen sie dann auch einfach mal ihre ganz eigenen persönlichen 15 Minuten um sich irgend etwas von der Seele zu reden. Und ganz ehrlich ich fange dann nicht mehr um 21 Uhr noch an, des Lesens wegen jetzt noch einmal zwanghaft ein Buch herauszuholen, weil wir heute mal die 15 Minuten "verredet" haben. Dann bleibt es eben und es gibt dann nur die Gute-Nacht-Geschichte aus dem Radio.

Ich finde es ganz ehrlich immer völlig lachhaft und irgendwie auch krank, wenn man uns mal wieder erzählen will, wie wenig Zeit wir Eltern mit den Kindern verbringen, aber auf der Gegenseite tut die Gesellschaft dann doch eigentlich nur herzlich wenig um es Eltern einfacher zu machen. Die Zeiten haben sich nun einmal geändert. Früher war ja alles besser, aber da hockte auch oft genug die Frau den ganzen Tag zu Hause und konnte sich um alles mögliche kümmern. Heute erwartet man dass alle Eltern Vollzeit arbeiten gehen, dass man gefühlt mit den Kindern jeden Tag irgend etwas machen, entweder zum Schwimmverein, Reiten, Turnen oder etwas anderes. Dann müssen die Kinder immer vorzeigbar sein und wenn man auf Arbeit mal krank wegen seinen Kindern ist oder Elternzeit nehmen will, dann wird man immer noch schief angeguckt. Mal ganz zu schweigen davon, wenn man morgens etwas später kommen möchte, weil die Kinder sonst auch noch morgens eine Extrastunde in der Kita oder im Frühhort sind, wenn es so etwas dann gibt.

Heute wird doch kaum noch ein Alltag um die Kinder herum aufgebaut, sondern Kinder irgendwo in unsere durchgetakteten Alltage eingebaut. Und dann wundern wir uns eben, warum Kinder sich heute womöglich anders verhalten als früher und Erwachsene eben auch.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Es gibt doch genug Eltern die ihre Kinder morgens aus Zeitmangel schnell mit dem Auto zur Schule fahren anstatt mit ihnen zur Bushaltestelle zu laufen. Von daher finde ich das Argument durchaus plausibel.

» Sternenbande » Beiträge: 1860 » Talkpoints: 70,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Wir lesen unseren Kindern jeden Abend ein Buch vor. Zur Zeit ist es der Grüffelo. Inzwischen können die Kinder schon mitsprechen. Diese gemeinsame Vorlese- und Kuschelzeit fordern die beiden sich auch ein. Ich finde es schön, zusammen zur Ruhe zu kommen und mit den beiden zu lesen. Eine Kassette oder ein Hörbuch hören sie meistens trotzdem noch, aber mit den Eltern zusammen lesen ist ihnen und uns wichtig.

Das Zeitargument kann ich dabei nicht ganz nachvollziehen. Man bringt die Kinder doch so oder so ins Bett. Ob man dann noch kuschelt oder etwas zusammen schaut oder eben vorliest ist doch egal. Es benötigt die gleiche Zeit.

» sugar-pumpkin » Beiträge: 661 » Talkpoints: 67,64 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich mache meinem Sohn durchaus auch gerne mal ein Hörbuch an, weil er es einfach mag und manchmal möchte man abends nicht noch lesen, sondern einfach ein bisschen kuscheln und reden. Das machen wir auch sehr gerne, er fordert manchmal einfach sein Hörspiel ein. Ansonsten lese ich meinem Sohn aber auch gerne Bücher vor und davon dann gerne mal 2 Kapitel am Stück, er mag die Bücher eher für größere Kinder, Bücher für Kinder in seinem Alter mag er nicht, weil die Geschichten so kurz sind.

Meiner Tochter singe ich dann gerne nochmal etwas vor, wobei sie der Typ ist, sie kuschelt gerne und braucht dann aber auch ihre Zeit für sich und will eher ihre Ruhe haben. Das wird sich aber sicherlich auch noch ändern.

15 Minuten am Tag sollte man schon haben und selbst wenn man nur 5 Minuten etwas liest, beispielsweise ein kleines Gedicht, dann ist das schon schön. Man muss die Kinder doch eh ins Bett bringen und ob man nun noch etwas redet, etwas vorliest oder sonst was macht ist doch recht egal. Ich finde es für den Abschluss des Tages ganz schön etwas vorzulesen. Ich kann aber auch verstehen, dass man nach der Arbeit und vielleicht auch Stress mit den Kindern nicht jeden Abend die Lust dazu hat sich dann noch hinzusetzen und zu lesen. An solchen Tagen ist ein Hörspiel oder ein Hörbuch vollkommen okay, dennoch ist lesen wichtig und es wird immer weniger gelesen.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


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