Wegen der richtigen Argumente doch noch Geld spenden?
Neulich war ich im Zug unterwegs und es stieg ein Mann ein, der sehr ärmlich gekleidet war. Er ging von Reihe zu Reihe und fragte jeden nach Geld. Die meisten Menschen ignorierten ihn und reagierten nicht auf das Betteln. Einige sagten auch einfach nein. Das ließ der Mann sich aber nicht gefallen.
Er begann zu argumentieren und versuchte die Leute zu überzeugen, ihm doch etwas zu geben. So wies er einen jungen Mann auf seine teuren Sennheiser Kopfhörer hin und meinte ''du hast solche Kopfhörer aber keinen Euro für mich?''. Bei anderen Menschen verwies er auf teure Anzüge oder Aktentaschen, Markenkleidung oder teure Smartphones.
Manche ließen sich tatsächlich überreden und gaben ihm den Euro. Andere aber auch nicht. Hättet ihr euch von solchen Argumenten rum kriegen lassen und hättet ihr dem Mann Geld gespendet? Oder sind selbst teure Markenartikel kein Argument für euch, um jemandem Geld zu geben, der es offenbar nötig hat?
Es ist auf jeden Fall keine schlechte Taktik, aber ich hätte trotzdem nichts gegeben. Ich geben schon ab und zu mal etwas, aber nur an Leute, die ich durchaus schon mal gesehen habe und bei denen ich weiß, dass es auch in Essen investiert wird. Argumente bringen da auch wenig bei mir, wenn ich nicht spenden will, dann mache ich es auch nicht. Das ist eine Entscheidung die bei mir schnell aus dem Bauch heraus getroffen wird.
Ich kann mir schon vorstellen, dass bei solchen Argumenten manche Menschen eher bereit sind, einem Bettler etwas zu geben, aber ich muss sagen, dass es bei mir eher das Gegenteil bewirken würde. Ich finde einfach, dass eine Spende immer freiwillig erfolgen sollte, weil man etwas geben möchte und nicht, weil man sich unter Druck gesetzt fühlt.
Wenn man aber so mit Argumenten konfrontiert wird, dass man selber ja teure Kleidung oder teure Kopfhörer hat, dann finde ich das nicht wirklich hilfreich. Zu so einem Kommentar würde ich nur sagen, dass ich selber arbeiten gehe, damit ich mir beispielsweise den Kopfhörer leisten kann und dass ich auch durchaus zu Spenden bereit bin, aber nicht so.
Wenn ich vorher Mitleid mit dem armen Mann gehabt hätte, wäre das mit Sicherheit verschwunden, wenn er mich wegen meiner eigenen Sachen ansprechen würde. Ich habe mir meine Sachen, die ich habe, nämlich hart erarbeitet und nicht durch betteln im Bus erhalten. Auch mag ich solche Aufdringlichkeiten überhaupt nicht.
Wenn man versucht mich unter Druck zu setzen und mich zu etwas zu zwingen, was ich nicht möchte, dann blocke ich noch mehr ab und der Mann hätte dann weniger als gar nichts von mir bekommen. Ich finde es ziemlich unverschämt, wie manche Menschen abgehen, nur weil sie Geld erbetteln wollen. Mag sein, dass er damit bei einzelnen Individuen Erfolg hatte, aber bei mir wäre er damit an der falschen Adresse.
Wieso "offenbar nötig"? Ich könnte mich auch in meine Klamotten werfen, die ich sonst nur zur Gartenarbeit anziehe und in der Öffentlichkeit Leute belästigen. Und ich habe anderer Leute Kleingeld glücklicherweise absolut nicht nötig. Ich halte mich auch nicht für den Allmächtigen, der durch einen gespendeten Euro einem obdach- oder sonstwie glücklosen Menschen zu einem neuen Leben verhelfen kann. Ich spende Geld und Gebrauchtwaren für Hilfsorganisationen im In- und Ausland, die damit sinnvoller helfen können, als wenn ich blindlings Kleingeld herausrücke.
In der Öffentlichkeit lasse ich mich grundsätzlich nicht in Gespräche oder Diskussionen mit Fremden verwickeln. Ich bin zwar weder schüchtern noch auf den Mund gefallen, aber für gewöhnlich muss ich dann irgendwo hin bzw. will heim und habe absolut keine Lust darauf, mich anzicken zu lassen. Egal ob die Person ärmlich gekleidet ist und mich anbettelt oder zwar Anzug trägt, aber die Manieren offensichtlich daheim gelassen hat. Und schon gar nicht muss ich mich dafür rechtfertigen, wofür ich mein selbst und hart verdientes Geld ausgebe.
Für mich hat der Mann keine Argumente, sondern setzt die Menschen ja einfach nur unter Druck bzw. manipuliert sie. Es wird sicher mehr als nur den ein- oder anderen geben, der nach anfänglicher Ablehnung doch einen oder zwei Euro aus der Brieftasche zückt, um sich seine Ruhe zu erkaufen. Man weiß ja initial nicht, welche Geschütze der Kerl noch auffahren wird, vielleicht will man auch nicht weiterhin unangenehm im Mittelpunkt stehen oder Gefahr laufen, am Ende regelrecht beschimpft zu werden. Bei mir könnte das an manchen Tagen leider sogar funktionieren, vor allem, wenn mein Eindruck von der entsprechenden Person ein sehr distanzloser oder latent gereizter ist.
Richtiger wäre es natürlich dann erst recht nichts zu geben, denn es ist eine bodenlose Frechheit andere Leute so unter Druck zu setzen und in die Enge zu treiben, weil sie eine wildfremde Person nicht unterstützen wollen. Der Verweis auf die eigene Arbeit oder ein hartes Sparen, um sich etwas kaufen zu können wäre in meinen Augen die einzig wirklich richtige Reaktion, aber wer kann schon immer in jeder Minute richtig reagieren.
Je nach Laune, Tageszeit und Zielort könnte es aber auch passieren, dass ich den Herren dann verbal hart abschmettere und ihm eine Standpauke halte, wie unmöglich, frech und anmaßend ich das gerade finde. Das käme aber sehr auf die Situation und auch auf die Person an.
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