Selbstständigkeitswunsch in Deutschland auf Tiefststand

vom 15.10.2019, 09:17 Uhr

Waren es im Jahr 2000 noch etwa 45% aller Deutschen, die eine Selbstständigkeit für gut und erstrebenswert gehalten haben, so sind es heutzutage gerade mal noch etwa 9%. Damit belegt Deutschland den letzten Platz aller EU-Staaten, wobei Griechenland mit rund 30% vorne liegt. Aber woher rührt das denn, dass die Deutschen so eine Scheu davor haben, sich selbstständig zu machen? Habt ihr da eine Erklärung für dieses Rekordtief und wie sehr ist denn euer eigener Wunsch nach einer selbstständigen Tätigkeit ausgeprägt?

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» mikado* » Beiträge: 3037 » Talkpoints: 1.002,67 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Schau dir an, wie viel Zeit und Geld die Leute teilweise in eine selbständige Tätigkeit investieren müssen. Und dann schau dir an, wie sich die Prioritäten in den letzten Jahren verschoben haben. Freizeit, Freunde und Familie sind wichtiger geworden und solche Sachen wie Geld und Erfolg sind weniger wichtig geworden. Wenn es dir aber wichtiger ist, dass du deine Kinder aufwachsen siehst wirst du keine Firma gründen, die 100 Stunden oder mehr Wochenarbeitszeit verlangt.

Davon abgesehen stellt sich natürlich die Frage, was die Fragestellung hier überhaupt war und was man mit "erstrebenswert" genau meint. Im kreativen Bereich, teilweise auch in Bereichen wie Bildung und Forschung, gibt es zum Beispiel viele freie Mitarbeiter, die faktisch selbstständig sind. Aber wenn du die fragst würden dir viele wahrscheinlich sagen, dass sie diesen Status nicht erstrebenswert finden und viel lieber endlich eine feste Anstellung hätten. Weil sie dann mehr verdienen würden und endlich für die Zukunft planen könnten.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Sehr gute Gründe wurden ja schon genannt. Die "heutige Jugend", sprich die umtriebigen, gut qualifizierten Arbeitnehmer, die noch näher am Abitur als an der Rente sind, haben mittlerweile ganz andere Präferenzen als die Generation, die vor allem nach Wohlstand gestrebt hat. Wie schon erwähnt ist das Bedürfnis, sich "hochzuarbeiten" wohl schon allein deswegen nicht mehr so groß, weil Wohlstand mittlerweile als selbstverständlich angesehen wird.

Und man darf auch nicht vergessen, dass viele Möglichkeiten für den beruflichen Aufstieg längst nicht allen Arbeitnehmern zur Verfügung stehen. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft in unserem schönen Land weit auseinander. Und es gibt zwar nach wie vor immer wieder Erfolgsgeschichten von Leuten aus kleinen Verhältnissen, die sich durch Selbstständigkeit hochgearbeitet haben, aber mehr Leute denn je sind schon allein deswegen abgehängt und chancenlos, weil Mama und Papa die bescheidene Million Startkapital nicht aufbringen können oder weil sie aus einem Brennpunktviertel stammen, das sie dauerhaft stigmatisiert.

Mich selber würde abgesehen vom mangelndem Startkapital vor allem die Bürokratie davor abschrecken, mich selbstständig zu machen. Schon allein mein Nebenjob war ein Albtraum, bis ich steuerlich korrekt verankert war, und zusätzlich zur eigentlichen Arbeit müsste ich noch den ganzen Papierkram erledigen. Selbst bei einer harmlosen Homepage oder einem Online-Shop, der sowieso nichts abwirft, müssen so viele Vorschriften beachtet werden, dass mir schon bei der Vorstellung graust, das alles selber machen zu müssen. Im Zweifelsfall kann man ja schon bei dem Versuch, selbstgestrickte Socken zu verkaufen, einen Haufen Ärger bekommen.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



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