Nimmt die Peinlichkeitstoleranz im Leben zu?

vom 28.09.2018, 03:55 Uhr

Ich las kürzlich die Aussage von Cher, dass ihr irgendwann gar nichts mehr peinlich gewesen sei. Cher ist mittlerweile über 70 Jahre alt. Findet ihr, dass die Peinlichkeitstoleranz im Leben zunimmt und man da irgendwie unempfindlicher wird im Laufe der Zeit? Oder hängt das mehr vom Charakter oder sogar vom Beruf ab, den man ergriffen hat?

Benutzeravatar

» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass mit zunehmender Lebenserfahrung sich einfach die Perspektive verändert. Wenn man noch jung ist, besonders als Teenager, hält man sich naturgemäß noch für den Nabel der Welt und ist sehr darauf bedacht, was die Umwelt von einem denkt und hält. Schließlich ist die eigene Stellung noch nicht sehr gefestigt. Und dann ist es natürlich meistens ein Weltuntergang, wenn einem etwas "Peinliches" passiert oder wenn man falsch angezogen ist oder vor dem "Schwarm" über seine Füße stolpert.

Aber irgendwann ist man (oder zumindest ich) oft genug über seine Füße gestolpert oder hat sonst etwas "Peinliches" gemacht und die Welt hat sich einfach weitergedreht und die anderen Leute haben es entweder gar nicht bemerkt oder es war ihnen egal. Wenn sich diese Erfahrungen häufen, lässt das Gefühl der Peinlichkeit irgendwann nach, weil man ja weiß, dass man nicht bis in alle Ewigkeit als "die, der das Eis heruntergefallen ist" oder "die mit dem unsexy Faschingskostüm" in die Annalen eingehen wird. Ich bringe auch die emotionale Energie oft schon gar nicht mehr auf, mich peinlich berührt zu winden, wenn es ein Schulterzucken auch tun würde. Als jüngerer Mensch hat man auch noch mehr Sinn für Dramatik.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


An das Interview mit Cher kann ich mich auch noch vage und dunkel erinnern, aber inhaltlich hat sie sich eigentlich dort auf etwas ganz anderes bezogen und nicht auf ihr Alter. Sie reflektierte den Werdegang und die Anforderungen, die an sie als junge Frau hinsichtlich ihrer immer knapper werdenden Kostüme gestellt wurden, als sie noch in den Händen von Männern war, mit ihrem Gefühl nach einigen Jahren, als sie ihre Schamgrenzen gezwungenermaßen überwinden musste, weil ihr nichts anderes übrig blieb. Mit ihrem jetzigen Alter hatte das aber gar nichts zu tun, denn es ging um eine Entwicklung vor vielen Jahrzehnten.

So etwas würde ich gar nicht unter gestiegener Peinlichkeitstoleranz, sondern mehr unter Resignation und Abstumpfung verbuchen. Ist schon großer Mist, wenn einen der Manager derart unter Druck setzt, sodass man selbst innerlich jede Gegenwehr aufgegeben hat, weil man ansonsten beruflich seinen Hut abgeben müsste. Von daher ist das für mich nicht die positive Sache, für die man es im ersten Beitrag hätte halten können.

Ansonsten sehe ich es wie Gerbera, man nimmt sich irgendwann nicht mehr so wichtig, wie man das noch als Teenager getan hat. Wenn ich überlege, dass mir damals schon mal ein ganzer Tag verhagelt war, weil ich die "falschen" Stiefeletten trug, für die ich einige Kommentare kassierte, kann ich heute nur drüber lachen. Damals war mir aber gar nicht danach zumute. Und das ist jetzt nur eines von unzähligen Beispielen. Außerdem hat man nach einigen Jahren auf der Welt ja auch diverse Peinlichkeiten anderer mitbekommen und merkt, dass jeder nur mit Wasser kocht. Und dass das abgeglichen mit vielen anderen Dingen im Leben alles nur schrecklich unwichtig ist.

» Verbena » Beiträge: 4938 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Ich würde der Aussage schon zustimmen. Zumindest trifft das auf mich vollkommen zu. Ich bin ein richtiger Tollpatsch, so dass mir in meinem Leben unzählige Peinlichkeiten passiert sind. Ich weiß, dass mich das als Schülerin teilweise so extrem mitgenommen hat, dass ich mich teilweise oft nicht mehr richtig in die Schule getraut habe und am liebsten geschwänzt hätte. Ich konnte dann tagelang an nichts anderes mehr denken, wenn mir etwas Peinliches passiert ist.

Mittlerweile ist mir in dieser Hinsicht einfach schon so dermaßen viel Blödes passiert, dass ich das eher locker nehme. Ich sehe solche Situationen einfach viel entspannter und mache mir nicht mehr viel draus. Vor allem dann, wenn ich die Personen nie mehr wieder sehen werde, denke ich mir einfach, dass es zwar peinlich, im Grunde genommen aber egal ist.

Über viele peinliche Situationen kann ich nun auch selbst lachen. Oder ich gebe ganz offen zu, dass mir das alles schrecklich peinlich ist und ich mich am liebsten in Luft auflösen würde. Das entschärft die Situation meistens und ist einfach wesentlich besser, als mit hochrotem Kopf schnell davonzuhuschen.

Benutzeravatar

» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge



Ich glaube das liegt eher an der Lebenserfahrung. Als Teenager findet man es schrecklich peinlich wenn man dem Schwarm mit Fleck auf dem T-Shirt begegnet. Aber irgendwann lernt man, dass auch der tollste Typ nicht perfekt ist und sich mal Eis auf sein T-Shirt tropft und, dass den meisten Leuten ein kleiner Fleck auf dem T-Shirt eh nicht auffällt.

Selbstironie und die Fähigkeit über sich selber zu lachen und sich selber nicht so ernst zu nehmen sind wahrscheinlich schon irgendwo vom Charakter abhängig, aber auch das entwickelt sich wahrscheinlich zumindest ein Stück weit im Laufe des Lebens.

Und was den Beruf angeht, klar gibt es Berufe, in denen man es sich ganz schnell abgewöhnen muss bestimmte Sachen peinlich zu finden weil man sonst direkt einpacken kann. Als Schauspielerin muss man zum Beispiel damit rechnen nicht bekleidet oder selber albern bekleidet vor Publikum zu treten. Und in vielen anderen Berufen muss man vor anderen Menschen sprechen und kann es sich nicht leisten sich anzustellen wegen peinlicher Versprecher oder Fehler. Passiert mal. Korrigiert man und macht weiter.

Benutzeravatar

» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^