Warum lügen manche Menschen beim Arzt?
Wenn man krank ist, geht man zum Arzt, doch der kann nur helfen, wenn man auf bestimmte Fragen auch ehrlich antwortet. So eine Frage ist zum Beispiel „Nehmen sie regelmäßig Tabletten“? Das ist doch wichtig, um Wechselwirkungen zwischen Medikamente zu vermeiden. Oder andere Fragen, wie z.B. ob man Sport treibt, wie viel Alkohol man trinkt, wie viele Zigaretten man am Tag raucht oder wie viel Zucker man zu sich nimmt.
Diese Fragen sollte man doch immer ehrlich beantworten, damit der Arzt, den Patienten auch ein gewisses Krankheitsbild zuordnen kann. Aber gerade bei solchen Fragen, da wird laut Studien gelogen, dass sich die Balken biegen. Aber warum lügen manche Menschen eigentlich beim Arzt? Machen sie das aus Scham oder schon mehr unbewusst, weil sie sich schon eine Art „Schutzmechanismus“ angewöhnt haben, wenn sie mit Fragen zu ihrem Lebenswandel konfrontiert werden?
Ich denke viele Menschen lügen in dieser Hinsicht, weil sie eigentlich schon selbst wissen, was sie falsch machen und ändern müssten. Mein Partner ist da ein gutes Beispiel. Er hat Diabetes und weiß genau, dass er kein Cola trinken sollte. Machen tut er es trotzdem regelmäßig im Bewusstsein dass es falsch ist. Es ist also einfacher solche Negativ-Faktoren auszublenden als vom Arzt nochmal vor Augen geführt zu bekommen was da Falsch läuft. Und manche Menschen sind wohl auch zu naiv und es ist ihnen gar nicht bewusst, wie viel Einfluss solche Faktoren auf die Diagnose haben können.
Ich denke, dass einfach keiner gerne zugibt, wissentlich gesundheitsschädliche (oder sonstige) Fehler zu machen, und dass der kindliche Instinkt, den Konsequenzen aus dem Weg gehen zu wollen, tief in uns allen drinsteckt und schwer zu überwinden ist. Es passt schließlich schlecht zum selbstoptimierten Weltbild eines gut informierten, selbstdisziplinierten Zivilisationsmenschen, sinnlos vor der Glotze Schokolade in sich hineinzustopfen, also lügt man diesen unattraktiven Teil seiner Persönlichkeit einfach weg, vor sich selbst und anderen.
Außerdem finde ich, dass gerade ein Gespräch beim Arzt nicht gerade eine Situation darstellt, in der es leicht ist, zwanglos "ganz man selbst" zu sein. Auch hier spielen mit Sicherheit Kindheitserinnerungen eine Rolle. Wie viele Eltern haben damit gedroht, dass der Zahnarzt "bohrt", wenn man zu viele Süßigkeiten isst, oder dass man eine Spritze bekommt, wenn man das oder das macht? Auch wenn sich die Zeiten geändert haben, diese Erfahrungen mit medizinischem Fachpersonal prägen fürs Leben. Und ein Arzt oder eine Ärztin kann ja auch schlecht locker mit einem Lächeln sagen: "Dann sauf eben weiter deine Cola, ich amputiere dir dann die Zehen!" oder "Lungenkrebs hat bestimmt auch Vorteile!"
Ich lüge beim Arzt aus 2 Gründen:
1. Weil ich so erfolgreicher an eine Krankmeldung komme.
2. Weil ich keine Lust auf irgendwelche Diskussionen beim Arzt habe. Lieber sage ich, dass ich zuhause einen gültigen Impfausweis habe und regelmäßig zur Vorsorge gehen als das ich die Wahrheit sage und mich Vorträge anhören muss wie wichtig Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen doch sind (für den Geldbeutel des Arztes).
Bei manchen Fragen, wie zum Beispiel Medikamente, ist einem manchmal gar nicht wirklich bewusst, dass es an dem ist. Das ging mir viele Jahre so, als ich noch die Pille genommen habe. Das war so ein normales Ritual geworden, dass ich das nicht mehr wirklich als Medikament angesehen habe.
Genauso wenn nach der Menge der Zigaretten gefragt wird. Sorry, aber ich zähle die nicht jeden Tag nach. Es gibt Tage, wo es einfach mehr sind, als der übliche Durchschnitt. Wenn mich heute ein Arzt danach gefragt hätte, wären es auch wesentlich mehr gewesen, als an einem durchschnittlichen Wochentag.
Ich lüge nicht, ich schätze höchstens. Beim Gewicht zum Beispiel ziehe ich immer drei Kilogramm ab. Das ist eben so und das werde ich mir auch nicht mehr abgewöhnen. Allerdings gab es wegen drei Kilogramm noch nie Zweifel von Seiten der Arzthelferin. Ich versuche nun schon seit vielen Jahren endgültig das Rauchen zu lassen und höre damit auf und fange irgendwann eben wieder damit an.
Daher ist es halt auch nicht gelogen, wenn ich vor vier Monaten sagte, dass ich mit dem Rauchen aufgehört habe. Das kann halt nur im Dezember wieder anders aussehen. So ist es doch auch sicher bei vielen mit dem Weinkonsum. In der brütenden Hitze wird man eher den Alkohol für einige Zeit meiden, sofern man nicht alkoholkrank ist.
Und wenn es irgendwann wieder kühler ist und die Abende länger sind, trinkt man vielleicht eher ein Gläschen obwohl man im Juli beim Arzt angab, derzeit keinen Alkohol zu trinken. Mein Arzt übrigens hat offensichtlich auch einige Kilogramm zu viel und Nichtraucher ist der auch keiner. Wir haben also ein recht entspanntes Arzt-Patienten-Verhältnis.
Das mit den regelmäßigen Medikamenten hätte ich tatsächlich auch schon mal fast falsch gemacht wenn eine Assistenzärztin nicht so etwas wie "die Pille gehört auch dazu" gesagt hätte. Irgendwie hatte ich Verhütungsmittel einfach nicht als Medikamente abgespeichert.
Und was den Lebenswandel betrifft - man weiß doch genau, welches Verhalten gut ist und welches eher nicht und welches Verhalten erwünscht ist und welches eben nicht. Wer gibt schon gerne Fehler zu? Vor allem Fehler, die gerne mal als Willensschwäche oder andere persönliche Makel gewertet werden? Und außerdem will man ja wirklich mit dem Rauchen aufhören / mehr Sport machen / abnehmen.
Ich habe nie einen Arzt belogen weil der mir wahrscheinlich nicht ohne Grund genau diese und keine anderen Fragen stellt und die Antworten somit für seine Arbeit relevant sind. Ich habe es jedenfalls noch nie erlebt, dass mich ein Orthopäde gefragt hat ob ich Rauche oder Alkohol trinke, weil das meinen Bändern wahrscheinlich ziemlich egal ist. Dafür fragt der dann nach dem Beruf, was wiederum dem Arzt, der die fiebrige Halsentzündung behandelt, egal ist, weil man damit eh ins Bett gehört.
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