Trotz hoher Bildung und gutem Job keine Lust auf Arbeit?
Mein Studium ist nun schon etwa fünf Jahre her und ich habe mir im Studium immer ausgemalt, dass ich später mal was ganz Tolles mache und viel Geld verdienen werde. Das kommt ja auch ungefähr hin und der Verdienst ist auch ok, aber ich habe inzwischen gar nicht mehr so richtig Lust auf das Arbeiten, weil man sich immer an gewisse Bedingungen halten muss und ich eigentlich eher so ein Freigeist bin und auf diese klassische Arbeitsrolle habe ich inzwischen gar nicht mehr so richtig Lust.
Ein Beispiel ist etwa die Tätigkeit, die ich hauptberuflich mache. Was mich da stört, ist diese Regelmäßigkeit. Man muss früh zu einer bestimmten Zeit da sein und um 7 Uhr aufzustehen macht mir nicht gerade Spaß, ich bin eher so ein nachtaktiver Mensch und wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich nicht vor nicht vor 10 Uhr aus dem Bett kommen. Ich bin dann immer noch so müde. Nun könnte man sagen, ich soll halt eher ins Bett gehen, aber ich möchte eben manchmal noch so gerne den Abendfilm sehen oder abends was machen. Außerdem kann ich gar nicht so früh einschlafen.
Mich stört auch, dass man sich immer an feste Termine halten muss. Ich muss peinlich genau darauf achten, dass ich pünktlich da bin, denn sonst meckert mich jemand an. Selbst wenn ich nur fünf Minuten zu spät kommen würde, würde schon gemeckert werden. Obwohl man ja auch fragen kann, was man denn in fünf Minuten schon Großartiges schaffen soll, dass das nun eine wesentlichen Unterschied macht. Aber ok, da ich keine Ärger will, gebe ich mir Mühe, pünktlich zu sein, auch wenn das für mich anstrengend ist. Und dann muss ich auch zwischendurch pünktlich zu bestimmten Terminen sein. Wenn ich etwa 15 Uhr wo sein soll und ich muss vielleicht nochmal auf Toilette, dann muss ich mir das verkneifen, weil ich dann nicht pünktlich wäre. Ich mache das dann auch so, damit ich pünktlich bin, aber ich finde es anstrengend.
Zudem mag ich es nicht, mich mit anderen abstimmen zu müssen oder mich nach andern richten zu müssen. Man hat ja aber leider hierarchische Strukturen und wenn mein Chef sagt, das ich etwas auf eine bestimmte Weise machen soll, dann muss ich mich ja danach richten auch wenn ich es lieber anders machen würde. Oder wenn ich Urlaub haben will, muss ich mich selbst darum kümmern, dass mich jemand vertritt und da muss ich dann die Leute fragen, ob sie Zeit hätten. Das ist auch anstrengend.
Ich finde die eigentlichen Tätigkeitsinhalte ganz ok, also das, was ich im Kern mache, das ist schon gut so und ich denke, ich werde in meinem Fachbereich auch nichts viel Besseres finden, aber diese organisatorischen Rahmenbedingungen, mit denen die meisten Jobs verbunden sind, die gefallen mir nicht. Mir wäre das lieber, wenn es keine festen Termine gäbe, wenn man sich nicht nach anderen richten müsste und einfach nur so vor sich hin arbeiten könnte.
Dann habe ich noch zwei Nebenjobs, u.a. an einer Uni und das ist die einzige Tätigkeit, die mir wirklich gefällt. Ich bin da an einem Institut, das bestimmte Veranstaltungen organisiert und für das Unimarketing zuständig ist und hier macht jeder die Woche über sein eigenes Ding und ab und an treffen wir uns mal und besprechen das dann. Bei den Treffen gibt es zwar eine konkrete Zeit, also beispielsweise dass man 19 Uhr da sein soll, aber es kommen alle mehr oder weniger zu spät, weil ja manche vorher noch woanders arbeiten oder irgendwas vorhatten und wenn dann eine Stunde später alle da sind, ist das schon gut. Aber das macht nichts, weil man dann mit dem Thema, was eine noch fehlende Person betrifft, so lange wartet, bis der da ist und wenn jemand nicht da war, kann der nachher alles im Protokoll nachlesen. Ansonsten kommunizieren wir über eine Web-Plattform oder per Mail und das funktioniert auch super.
Das ist das einzige, was ich gerne mag, weil es meinem Freigeistertum am ehesten entspricht. Man muss sich nicht so pingelig an Termine halten, man kann Dinge machen, wie man, will, so lange das Ergebnis funktioniert und man hat auch keine klare hierarchische Struktur und muss sich von anderen nichts sagen lassen. Leider ist nicht das ganze Berufsleben so. Es gibt aber keine Alternative, man braucht ja Geld und die Stelle an der Uni ist nicht einträglich genug, um nur davon zu leben.
Stören euch im Beruf auch diese organisatorischen Anforderungen? Eigentlich hat man ja als Akademiker meistens schon bessere Arbeitsbedingungen als andere Berufsgruppen, aber trotzdem hat man Termine und Vorgesetzte usw. Aber was bleibt einem übrig, man muss ja an Geld kommen?
Ich kann einen Teil deiner Probleme nachvollziehen; mit anderen wiederum habe ich keine Probleme. Ich habe vor allem Probleme mit starren Vorgaben in der Arbeitsweise, die nur geschaffen wurden, damit Außenstehende (vor allem Manager ohne Fachkenntnisse) die Arbeit besser kontrollieren können. Das kostet nur Zeit und bringt keinerlei sichtbaren Nutzen.
Auch mit den starren Arbeitszeiten habe ich ein Problem, wobei es bei mir nicht um das früh Aufstehen, sondern um ein ausgeprägtes Mittagstief geht. Ich bin normalerweise früh und spät am Tag sehr produktiv, während ich nachmittags oft keine anspruchsvolle Arbeiten erledigen kann. Zum Glück kann ich wenigstens meine Arbeitsweise darauf anpassen, weil ich in diesem Rahmen meine Aufgaben selbst planen kann. Allerdings finde ich es trotzdem ärgerlich, dass ein hoher Teil meiner Produktivität verloren geht.
Anders sehe ich das Thema Pünktlichkeit. Ich habe damit keine Probleme, da ich meine Termine immer im Kopf habe. Ich plane einfach genug Zeit ein und nehme mir vor dem Termin keine aufwändigen Tätigkeiten mehr vor. Und wenn ich einen Puffer von zwei Minuten einplane, kann ich auch noch schnell auf die Toilette, ohne dass ich zu spät komme. Fünf Minuten sind vielleicht nicht viel, aber bei drei Terminen in der Woche kommt da insgesamt schon eine Stunde zusammen, die Kollegen auf dich warten müssen.
Über das Jahr gesehen hättest du dann schon anderthalb Arbeitstage verschwendet. Allerdings ist es eben so, dass einige Menschen einfach nicht das Zeitgefühl haben und nicht fähig sind, Termine einzuhalten. Das kann man - genauso wie das früh Aufstehen - trainieren, aber man muss eben auch seine innere Einstellung anpassen.
Ich denke es hindert niemanden daran, einen Job zu suchen, der seinen Vorlieben am besten entspricht. Es gibt natürlich viele Jobs, bei denen man eigenverantwortlich arbeiten kann und seine Zeit so flexibel planen kann, dass man lang schlafen kann und man nur wenig Termine hat. Es gibt inzwischen sogar eine ganze Gruppe von Menschen, die sich sogar von der Ortsabhängigkeit gelöst haben und von jedem Ort der Welt arbeiten können. Diese Menschen nennt man "digitale Nomaden".
Auch wenn man die Ortsunabhängigkeit nicht wünscht, sind die Komponenten flexible und eigenständige Arbeitsplanung auch dort ein wichtiges Thema und deshalb kann man sich sicherlich einige Komponenten von den digitalen Nomaden abschauen. Meistens verdient man dann weniger als mit einem guten Akademikerjob. Trotzdem man hat auch die Möglichkeit, reich zu werden, wie es Timothy Ferris, einer der Vorreiter der Szene, vorgemacht hat.
Ich finde es schon schwierig, wenn du schreibst, dass du dich prinzipiell bei deiner Arbeit nicht wohlfühlst. Ich denke, dass das schon wichtig ist, um eben nicht nur Leben zu können, sondern auch geistig zufrieden zu sein und ausgeglichen zu sein. Nun ist die Frage, was man machen kann und wo man seine Werte setzen muss.
Ich bin ein Mensch, der lieber ein paar Euro weniger bekommt und dafür dann gerne zur Arbeit geht, deswegen wäre mein Ratschlag ganz ehrlich, dass du das was dir Spaß macht zu deinem Job machst. Man kann sich ja auch selbstständig machen, seinen eigenen Weg finden und dann gehst du auch gerne hin und verdienst dein Geld gerne, was dich auch in der Freizeit ausgeglichener und glücklicher macht. Natürlich heißt das auch Verzicht, wenn man weniger Geld verdient, aber wichtig ist doch auch, dass es der Seele gut geht. Wobei ich mich schon frage warum man etwas studiert, bei dem man ja eigentlich weiß, dass man damit nicht glücklich wird.
Zufriedenheit ist in meinen Augen eine wichtige Sache. Wobei man sich eben auch die passenden Rahmenbedingungen selber schaffen kann. Man kann sich nun ja auch weiterbilden, etwas Neues beginnen und einfach schauen wie das läuft, zurück oder etwas Ähnliches finden, wie das was man hatte geht sicherlich immer.
Ich kann das durchaus nachvollziehen und fühle ähnlich. Mich stören allerdings nicht die Arbeitszeiten und auch nicht die Abstimmung zwischen den Kollegen. Mich nervt, dass ich es niemandem auf Arbeit recht machen kann und ständig an mir rumgemeckert wird. Dabei handelt es sich nicht mal um Fehler, sondern um Dinge, die eben jeder anders macht.
Darauf habe ich auch keinen Bock und nicht wirklich viel Freude an meiner Arbeit. Eine Arbeit wie dein Nebenjob klingt schon toll, auch wenn mir wiederum die Pünktlichkeit deiner Kollegen nicht passen würde. Gibt es denn für dich keine Möglichkeit, das als Haupttätigkeit weiterzuverfolgen?
Meiner Ansicht nach ist Lustlosigkeit bei der Arbeit eher ein Indikator dafür, dass die Arbeit keinen Spaß macht und man entweder den falschen Job erwischt hat oder der Arbeitgeber der falsche ist. Ich beobachte das immer wieder, dass die Menschen wirklich gerne zur Arbeit gehen, wenn der Job für sie perfekt ist und sie Spaß daran haben. Das hat aber primär mit der Bildung gar nichts zu tun.
Du hast damit durchaus recht. Ich hatte damals einen Job, den ich viel zu lange behalten habe und der mir keinen Spaß gemacht hat. Das, was ich damals geschrieben habe, dass ich nicht gerne früh aufstehe und mir der zeitige Arbeitsbeginn zu früh ist und ich es nervig finde, wegen 5 min Verspätung angezickt zu werden, ist nach wie vor so. Ich bin kein Frühaufsteher und ich trödel gerne mal etwas. Aber inzwischen habe ich meine Promotion erfolgreich abgeschlossen und mache diesen damaligen Job nicht mehr; ich habe mir was gesucht, wo ich nicht so früh raus muss und wo man unpünktlich sein darf und auch wenn es dann mal was anderes zu kritisieren gibt, bin ich damit ganz zufrieden aktuell.
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