Wann ist eine psychische Störung für euch eine Stärke?
Mit psychischen Störungen wird ja normalerweise etwas Negatives assoziiert, als wäre man unnormal, krank und man müsse unbedingt „repariert“ werden. Jedenfalls stolperte ich vor kurzem eher zufällig über das Buch „Nicht normal, aber ziemlich genial: warum unsere psychischen Störungen unsere Stärken sind“ von Dr. Dale Archer.
Der Titel klingt schon ziemlich provokant wie ich finde und ich denke, dass man darüber gut diskutieren kann. Wann ist für euch persönlich eine psychische Störung eine Stärke? Oder meint ihr, dass der Autor in dieser Hinsicht unrecht hat und nur versucht, psychische Störungen schönzureden?
Ich habe einen sehr guten Freund, der Borderline hat. Wenn ich mir ansehe, was das im Alltag alles so für Probleme macht und dennoch rafft er sich jedes Mal wieder auf und kämpft weiter. Er führt kein leichtes Leben, das sehe ich immer wieder, jeder Tag ist ein Kampf und das finde ich unglaublich stark. Er wollte ein paar Mal aufgeben, aber hat es immer wieder geschafft sich aus so einem riesen Tief heraus zu arbeiten. Ich finde ihn da schon deutlich stärker als mich, weil ich könnte das sicherlich nicht alles so bewältigen.
Der Klappentext sagt ja im Prinzip nur das, was ich auch immer predige: Gesund ist nur schlecht untersucht. Sprich, der Autor vertritt die These, dass jeder von uns irgendwie mehr oder weniger "gestört" ist, und dass ein gewisses Level(!) an "nicht normal" auch seine Vorteile haben kann.
Und diese These finde ich nicht gerade provokant, da er ja offensichtlich nicht behauptet, schwere Depressionen mit Selbstmordgedanken seien eine gute Sache, weil man in dem Zustand so gut traurige Gedichte schreiben kann oder was auch immer. Für mich liest es sich eher wie ein fluffiger Selbsthilfe-Ratgeber mit der Botschaft: Steh zu deinen Macken und mach das Beste daraus!
Ich selber bin auch der laienhaften Meinung, dass eine gewisse Variabilität in Sachen Psyche und Verhalten auch Vorteile für die Gesellschaft hat. Beispielsweise gab es bestimmt schon in der Steinzeit Menschen, die partout nicht stillsitzen konnten, aber dafür auf die höchsten Bäume geklettert sind und umgekehrt die extrem Ruhigen, die dafür tagelang an einem Faustkeil gebastelt haben, um ihn zu perfektionieren. Das kann man als krankhaft ansehen, muss es aber nicht.
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