Trotz entgegengesetzter Lebensentwürfe zusammenbleiben?
Entgegengesetzte Lebensentwürfe in einer Beziehung können ja durchaus ein Grund dafür sein, dass eine Beziehung zerbricht. Wenn man völlig unterschiedlicher Meinung ist, was die Familienplanung, den späteren Wohnort oder das Wohnmodell angeht, kann es meistens nicht funktionieren. Trotzdem schaffen manche Paare es, zusammenzubleiben.
Getrennt zu leben und in unterschiedlichen Städten oder Ländern und eine Fernbeziehung zu führen ist dann beispielsweise eine Option, wenn beide damit einverstanden sind. Kann ein Paar eurer Meinung nach trotz völlig entgegengesetzter Lebensentwürfe (glücklich) zusammenbleiben?
Mir ist es ganz ehrlich egal, wie andere Paare leben und glücklich sind. Jemand, der dauernd in einem anderen Land lebt, führt nach meinen Vorstellungen keine Beziehung mit jemanden der eben hier lebt. Das ist dann eher eine sehr persönliche Bekanntschaft aber keine echte Paarbeziehung. Man muss auch bedenken, wie alt die Menschen sind und was sie sich vom Leben noch so wünschen.
Wenn man zum Beispiel schon ein paar Jahre vor der Rente ist, möchte man vielleicht weder seinen Job noch seine Wohnung oder Haus aufgeben und das dem anderen auch lassen. Dann käme vielleicht eine Wochenendbeziehung in Frage. Aber wenn ich jung wäre, würde ich auf Dauer solch eine Beziehung nicht für mich wünschen. Es gibt durchaus auch potentielle Partner, die den gleichen Lebensentwurf haben, wie ich.
Dann suche ich mir eben den passenden Partner. Klingt leichter als geschrieben, ist aber machbar. Das beweisen schließlich Millionen anderer Paare. Man muss eben nicht aus allem eine Wissenschaft machen. Wenn es passt, ist es toll. Wenn nicht, dann geht es eben nicht miteinander. Eine Trennung deswegen finde ich schon merkwürdig, schließlich sollte man schon am Anfang der Beziehung wissen, wohin die Reise geht. Sonst braucht man doch gar nicht erst in die Beziehung zu investieren.
Wenn beide das wollen, klappt das durchaus ohne große Schwierigkeiten. Bei meinem Gatten und mir besteht nur in einem Punkt Einigkeit: Wir wollen unser Leben gemeinsam verbringen. In allen anderen Fragen sind wir uneinig und wir sind trotzdem glücklich.
Bei uns funktioniert das ganz einfach. Der, dem eine Sache besonders wichtig ist, entscheidet diese, sofern der andere eben kein sonderliches Interesse hat. Ist eine Sache für beide wichtig, suchen wir eine Lösung, die für beide Seiten sehr gut tragbar ist. Klappt hervorragend.
Aber dazu müssen auch beide bereit sein. Der Vorgänger des Gatten entwickelte plötzlich einen Lebensentwurf, der vorher nie zur Debatte stand, und wollte mir den einfach überstülpen. Auch nur darüber zu reden war unmöglich, da blieb nur die Flucht. Bleiben wäre nur über Selbstauferlegte möglich gewesen. Dazu bin ich nicht der Typ.
Warum soll eine Beziehung nicht funktionieren, wenn ein Partner beruflich viel im Ausland ist? Das gibt und ich kenne Paare, die sehr viele Jahre so verbracht haben. Bei dem einen Paar kam der Mann halt alle zwei Wochen für ein Wochenende nach Hause. Bei dem anderen Paar waren es teilweise Monate, die der Mann im Ausland war. Trotzdem sind beide Paare noch heute zusammen, mittlerweile Rentner und auch Großeltern.
Sicherlich müssen beide Partner damit glücklich sein, sonst kann es nicht funktionieren. Und ich gebe zu, dass ich nicht mehr so leben wollte. Mein Ex-Mann war viele Jahre unter der Woche woanders zum arbeiten und kam nur am Wochenende nach Hause. Es hat damals funktioniert, aber heute möchte ich das nicht mehr haben.
Für mich zeichnen sich "Lebensentwürfe" gerade dadurch aus, dass Kompromisse nicht oder kaum möglich sind, weil hier die grundlegenden Fragen ins Spiel kommen, was der Einzelne für ein gelingendes, zufriedenstellendes Dasein braucht oder auf keinen Fall will. Also nicht "mal drei Monate Ausland" oder die Frage nach Kleinstadt A oder B als Wohnort, sondern die absoluten Basics: Kinder ja/nein, Job ja/nein (es gibt genügend Leute mit dem Lebensentwurf Elternteil/Haushaltsvorstand), eigene Wohnung, Karriere oder Broterwerb und so weiter.
In diesen Fällen kann ich mir nicht vorstellen, wie eine Beziehung wirklich dauerhaft funktionieren soll. Beispielsweise möchte ich keine Kinder. Punkt. Ein Kompromiss ist hier wohl kaum möglich, weil ich ja schlecht ein ganz kleines probeweise werfen kann, das ich dann bei Nichtgefallen wieder zurückgebe.
Oder jemand anderes möchte einen gewissen höheren Lebensstandard und ist dafür auch bereit, im Job viel zu leisten, während der/die andere lieber bescheiden lebt und dafür eine ruhige Kugel in einem wenig rentablen Sektor vorzieht. Ich bin daher der Meinung, dass zumindest ab einem gewissen Alter die absolut grundlegenden Vorstellungen vom Leben kompatibel sein müssen, weil sonst immer einer unglücklich ist.
Och nö, Gerbera, das geht schon. Der Gatte wollte ein repräsentatives Hausweibchen, das ihm den Rücken frei hält und keine Kinder. Und nun hat mich und drei Gören. Unglücklich ist er nicht, weil aus unerfindlichen Gründen meine Anwesenheit wichtiger ist als der Rest. Dafür habe ich komplett umdisponiert und war einige Jahre im Ausland. Man muss nur wollen und das Gleichgewicht muss gewahrt bleiben.
Das ist ja schön, cooper, dass es bei euch so gut geklappt hat. Vielleicht ist meine Definition von "Lebensentwurf" auch einfach zu eng gefasst. Für mich gibt es auf der einen Seite Präferenzen, Ideale oder auch Spleens, die sich im Laufe der Jahre auch ändern können oder die man für den perfekten Partner auch gerne hintanstellt. Aber andererseits kann ich mir auch nicht vorstellen, dass "nur" der/die Richtige vorbeikommen muss, und schon wird aus dem überzeugten Kinderfeind ein begeistertes Elternteil, der Stubenhocker wird zum Partyhengst oder die moderne emanzipierte Frau wandelt sich zum Heimchen am Herd.
Wie gesagt, für mich ist ein Lebensentwurf mehr als eine Präferenz oder ein "nice to have", wie man so schön sagt, sondern ein unerschütterlicher Teil der eigenen Identität. Der natürlich bei jedem anders ausfallen kann. Manche Leute lassen wegen Kindern mit sich reden, würden aber niemals ihren Job aufgeben, bei anderen ist es umgekehrt, und jemand ganz anderes ist zwar generell flexibel, möchte aber auf keinen Fall beispielsweise seine Heimat dauerhaft verlassen. Oder bin ich einfach nur unflexibel und jede/r andere schmeißt freudestrahlend alle Ideen und Vorstellungen von einem guten und schönen Leben zum Fenster hinaus, weil jemand daherkommt, der andere Vorstellungen hat?
Ich denke, dass es darauf ankommt in wieweit die Lebensentwürfe sich unterscheiden und wie die Vorstellungen sind. Wenn ein Kinderwunsch noch nicht aktuell ist, kann man vielleicht warten und weiterhin zusammen bleiben. Es kommt auch sicherlich darauf an, wie und womit man sich dann arrangieren kann und ob das eben funktioniert. Manche versuchen es vielleicht auch trotzdem miteinander und merken dann irgendwann, dass es so einfach doch nicht funktioniert.
So einfach ist es auch nicht, Gerbera. Aber ich kenne mehr als ein Paar wie uns, wo grundsätzliche Haltungen für einen ganz bestimmten Menschen einfach mal erfolgreich umgekrempelt werden. Eine gute Freundin ist seit 30 Jahren mit einem Mann glücklich, obwohl er keinen Nachwuchs wollte und sie eine Großfamilie. Geeinigt hat man sich auf zwei, dank Stillpanne wurden es drei, die letzten zwei in einem Jahr.
Es kommt eben stark darauf an, wie besonders man diesen Menschen empfindet und wie wichtig er einem ist. Dazu kommt, was die "Gegenseite" vermittelt. Der Vorgänger des Gatten hat beispielsweise plötzlich entgegen aller Äußerungen zuvor ein Hausweibchen gewünscht, das sich komplett nach ihm richtet und regelmäßig wirft. Und ich sollte diesen Traum der Fünfziger einfach nur super finden. Die Art und Weise, wie auf einmal seine neuen Wünsche wichtiger, ja sogar die einzige Möglichkeit waren, wären selbst dann zum Weglaufen gewesen, wenn ich schon immer so hätte leben wollen.
Wenn man aber jemanden zufällig auf die Art liebt, dass dessen Zufriedenheit ein sehr großer Bestandteil der eigenen ist, dann können sich solche Veränderungen von bisher in Stein gemeißelten Haltungen ergeben. Das klappt natürlich nur, wenn beide Seiten so denken und sich entgegenkommen. Wenn eine Seite bestimmte unverrückbare Bedingungen äußert, geht es nicht. Dann kann das tatsächlich funktionieren und man wird nicht unglücklich.
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