Welche Ereignisse als sozialen Tod bezeichnen?

vom 16.04.2018, 10:15 Uhr

Ich habe vor kurzem gelesen, dass bei einem Missgeschick die Rede von sozialem Tod gewesen ist. Es ging wohl um einen peinlichen Moment, der einer jungen Frau passiert ist. Sie war damals dann wohl längere Zeit das Gesprächsthema Nummer eins an ihrer Schule. Sie sprach dann davon, dass so etwas ihren sozialen Tod bedeuten würde.

Sie meinte damit wohl, dass sie zwar im Gespräch wäre, aber sicherlich kaum jemand nach diesem Ereignis noch etwas mit ihr zu tun haben wollte und ihre sozialen Kontakte darunter leiden würden. Sie hatte die Befürchtung dann auch nicht mehr von anderen eingeladen zu werden und bei Aktivitäten eben ausgeschlossen zu werden.

Welche Ereignisse würdet ihr als sozialen Tod empfinden? Ist es euch schon mal so ergangen? Würdet ihr da durchaus von sozialem Tod sprechen? Oder findet ihr, dass das viel zu übertrieben ausgedrückt wäre?

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Ich kann mir eigentlich gar kein Missgeschick oder keine Peinlichkeit vorstellen, die einem so krass zum sozialen Außenseiter machen. Ich kenne einen jungen Mann, der einmal im Klassenraum ganz laut gepupst hat, wobei er dann damit auch Wochen und Monate aufgezogen wurde. Er bekam auch einige fiese Spitznamen, wobei ihn niemand so richtig ausgegrenzt hat.

Ich habe mir bei dem Thema ganz andere Dinge vorgestellt, sprich wenn eine sexuelle Präferenz oder Neigung ans Tageslicht kommt. Wenn die streng religiöse Gemeinde herausfindet, dass man beispielsweise homosexuell ist oder wenn ein Lehrer oder Sozialarbeiter Interesse für kinderpornographische Medien zeigt.

Oder wenn jemand auffällig geworden ist und im Gefängnis saß, aus welchen Gründen auch immer.

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» soulofsorrow » Beiträge: 9232 » Talkpoints: 24,53 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Für mich ist das ehrlich gesagt eine Redewendung, wegen einer Blamage direkt vom sozialen Tod zu sprechen. Ein sozialer Tod impliziert für mich, dass das soziale Netzwerk zusammenbricht und man gar keine sozialen Kontakte mehr hat, egal worum es geht. Das wird aber wohl kaum durch eine Blamage herbei geführt, sondern hat eher andere Gründe. Selbst bei Kriminellen ist es so, dass es immer Menschen geben wird, die zu ihnen halten.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Es scheint da verschiedene Definitionen zu geben. Die einen sehen das als den Verlust von sozialen Kontakten, die anderen als Verlust von sozialem Status. Wobei das eine aber wahrscheinlich das andere zumindest teilweise bedingt. Wenn jemand seinen sozialen Status verliert weil er bei einer Straftat erwischt wird werden ihn sicher viele Freunde und Bekannte nicht im Gefängnis besuchen.

Ich denke bei dem Thema aber nicht an Missgeschicke sondern wirklich an wesentlich drastischere Geschichten. Ich habe kurz vor Weihnachten zum Beispiel von Freunden erfahren, dass jemand, der mit uns in der Klasse war, wegen Veruntreuung von Geldern im Gefängnis sitzt. Der wird wahrscheinlich nie wieder als Anwalt arbeiten können und die Freunde aus dem schicken Golfclub werden sicher nicht Schlage stehen an Besuchstagen.

Er kann eigentlich nur noch wegziehen und versuchen woanders neu anzufangen wenn er aus dem Gefängnis raus ist. Denn über den Fall wurde anscheinend groß in den Lokalzeitungen berichtet, da dürfte es schwer sein sich wieder einen sozialen Status aufzubauen und neue soziale Kontakte zu knüpfen.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Für mich ist die Benennung "sozialer Tod" auch etwas heftig, aber es ist hier doch eindeutig das Ansehen in der Gesellschaft gemeint, was sozusagen zu einem Schwinden an soziale Kontakten führt. Übertrieben deswegen, weil meist doch einige Kontakte bleiben, es ist selten die totale Auslöschung. Wir hatten vor ein paar Jahren hier mal einen Fall, der wohl in größeren Gemeinden kein großes Aufsehen erregt hätte.

Auf dem Land hingegen, kann es da schon zu einem unangenehmen Ausschluss aus der Gesellschaft kommen. Es handelte sich um einen ganz simplen Ehebruch, bei dem die leidtragende Betrogene bereits mehrere Schicksalsschläge hinter sich hatte und mit dem 4. Kind schwanger war, als es zum Ehebruch kam. Die Dame, die damals den Ehemann um den Finger gewickelt hatte, wurde daraufhin doch sehr rüde behandelt und auch die liebste Freundin tat plötzlich so, als würde sie die Dame kaum kennen.

Den Totalausfall hatten wir hier aber auch schon und ich denke der gilt auch für Ballungsgebiete, nämlich Straftaten. Vergewaltiger, Mörder, Pädophile und Betrüger dürften so ziemlich überall ausgeschlossen werden, wenn die Straftat nachgewiesen wurde. In unserer Umgebung wird ein Kinderschänder jedenfalls nicht zum Kaffeekränzchen eingeladen, jemand der mal laut pupsend die Kirchenbank erschütterte hingegen schon.

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» Pikalina » Beiträge: 790 » Talkpoints: 6,08 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Klar, zu Schulzeiten ist die Katastrophe schon perfekt, wenn einem ein Tampon aus der Tasche fällt oder wenn man dem "Schwarm" vor die Füße stolpert, weil man mit dem Absatz hängengeblieben ist. Und in dem Alter neigt man sowieso zur Dramatik und glaubt, dass alle Welt für immer deswegen mit dem Finger auf dich zeigt und dir nur noch das Zeugenschutzprogramm bleibt. :D

Aber im wirklichen Leben kommt es glücklicherweise nicht so schnell vor, dass man aus der Gesellschaft ausgestoßen wird und nur noch am Rande, ignoriert und verachtet, vor sich hin vegetiert. Hier kommt es meines Erachtens auf unterschiedliche Faktoren an. Noch bis vor nicht allzu langer Zeit war ein uneheliches Kind in bestimmten Gesellschaftskreisen der sichere Weg in den Abgrund. Noch nicht ganz so lange her sind unterschiedliche Krankheiten, sodass es bis heute nötig ist, gegen die Stigmatisierung der Betroffenen anzukämpfen. Stichwort "Schwulenpest". Oder schwul zu sein generell war sicher auch nicht immer ein Garant für die gesellschaftliche Akzeptanz.

Heute habe ich eher Alkohol und andere Drogen im Verdacht sowie natürlich die Gefahr des Jobverlustes aus genannten oder auch ganz "unschuldigen" Gründen. Arbeit und Geld sind wichtige Faktoren für das soziale Standing und wer sich nicht gerade in Hippie-Kreisen bewegt, bei denen Geld keine große Rolle spielt, bei dem reicht bestimmt auch eine Zeit der Arbeitslosigkeit oder Entlassung aus gesundheitlichen Gründen, damit sich "Freunde" und Bekannte abwenden und man alleine dasteht.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Ich würde ein Missgeschick oder eine Blamage nun auch nicht direkt als sozialen Tod bezeichnen. Sicher kann es sehr unangenehm sein, wenn einem so etwas an der Schule passiert und das entsprechend viele Mitschüler mitbekommen. Allerdings ist es ja "nur" die Schule. Die Freunde aus dem Sportverein, die Geschwister und die Nachbarn wissen ja dann nicht unbedingt davon, so dass man diese Personen ja trotzdem noch hat. Und zur Not kann man auch die Schule wechseln.

Für mich ist ein sozialer Tod durchaus drastischer - dann beispielsweise, wenn sich nicht nur die Personen, die man aus der Schule oder Arbeit kennt von einem abwenden, sondern Leute, die man aus verschiedenen Bereichen kennt, beispielsweise die Nachbarn, Arbeitskollegen und Freunde und man dann plötzlich mehr oder weniger allein dasteht.

Das ist dann der Fall, wenn man etwas verbrochen hat und zu Recht im Gefängnis landet oder wenn man jemanden mies betrogen hat und das quasi jeder mitbekommt. Teilweise bleibt einem dann ja wirklich nichts anderes übrig, als in eine andere Stadt zu ziehen, sich einen neuen Job zu suchen und noch einmal von vorn anzufangen, wenn einen die Menschen da noch nicht kennen.

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge



Was jemand als „den sozialen Tod“ empfindet ist wohl Definitionssache. Es gibt genügend Menschen die es als sozialen Tod empfinden wenn Sie den Status in ihrem eigenen sozialen Umfeld verlieren. Dies kann durch ein bestimmtes Ereignis geschehen wie einen Skandal oder ähnliches. Das jemand wegen einem vermeintlichen Skandal aus der Gesellschaft bzw. der jeweiligen Szene ausgeschlossen wird hört man jedoch meistens nur von den oberen Zehntausend. Als Otto Normal Bürger wüsste ich nicht was ich alles anstellen müsste um bei meinen Freunden und Bekannten so sehr unten durch zu sein, dass niemand mehr was mit mir zu tun haben wollen würde. Bei der High Society reichen oft schon sehr kleine Dinge aus um nicht mehr „dazu zu gehören.“

Wenn man mit dem sozialen Tod meint das man nach einem bestimmten Ereignis überhaupt keine sozialen Kontakte mehr hat, ist das natürlich ein anderes Thema. Ehrlich gesagt fällt mir jedoch nichts ein was so gravierend sein könnte, dass man anschließend keine sozialen Kontakte mehr hat. Außer natürlich man begeht eine abscheuliche Straftat oder ähnliches. Allerdings sind diese Leute wohl in der Unterzahl. Jemand der sich nichts zu schulden kommen lässt und auch ansonsten sozial agiert, muss meiner Meinung nach keine Angst davor haben, einmal komplett ohne soziale Kontakte dazustehen. Natürlich kenne ich auch Menschen die sehr wenige soziale Kontakte pflegen, jedoch kenne ich niemanden, der keinen einzigen sozialen Kontakt pflegt.

» Anijenije » Beiträge: 2730 » Talkpoints: 53,02 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


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