Scheitern leichter akzeptieren, wenn man alles gegeben hat?
Manchmal gelingt einem etwas auch dann nicht, wenn man sich extrem viel Mühe gegeben und alles gegeben hat. Eigentlich kann man sich da ja nicht so viele Vorwürfe machen, als wenn man sich in so einer Situation erst gar nicht angestrengt und nichts oder kaum etwas dafür getan hat. Da ist es nämlich verständlicher, dass man dann sauer auf sich ist, weil man ja weiß, dass es vielleicht geklappt hätte, wenn man sich mehr Mühe gegeben hätte.
Doch auch wenn ich alles gegeben und mir viel Mühe gegeben habe, mache ich mir dennoch oft Vorwürfe und bin dann teilweise auch ziemlich sauer auf mich, auch wenn ich dann nicht wüsste, was ich besser hätte machen können. Fällt es euch leichter, euer Scheitern zu akzeptieren, wenn ihr alles gegeben habt?
Ein Scheitern ist aus meiner Sicht nie leicht zu akzeptieren und es beschäftigt einen meistens noch eine Zeit. Wenn man bei einer Sache wiederholt gescheitert ist, dann kommt man irgendwann an einen Punkt, wo es einen nicht mehr beschäftigt. Es kommt immer darauf an bei was man gescheitert ist. Bei der einen Sache kann man es schneller akzeptieren, bei einer anderen dauert es länger. Aber das man ein Scheitern leichter akzeptieren kann, weil man alles gegeben hat ist glaube ich nicht so, weil das empfinden darüber oft gleich ist.
Ist das nicht eher eine Frage des Charakters? Ich bin ein Mensch, der sich Niederlagen nicht sehr zu Herzen nimmt. Das liegt einfach daran, dass ich Entscheidungen so fälle, dass ich sie hinterher nicht bereue. Ein Beispiel: Würde ich es bereuen, wenn ich XY mache oder würde ich es bereuen, wenn ich es nicht tue oder zumindest versuche? Wenn ich scheitere ist das nicht schlimm, weil es mich viel mehr mitgenommen hätte, wenn ich es gar nicht erst versucht hätte. Das hätte mich deutlich mehr beschäftigt, als endlich Gewissheit zu haben, ob es klappt oder nicht.
Wenn ich an etwas scheitere, dann hake ich das einfach ab und mache weiter. Oft ist es ja so, dass viele Wege nach Rom führen und dann gehe ich eben einen Umweg. Wenn die Vordertür verschlossen ist, nehme ich die Hintertür oder probiere es durch einen Seiteneingang. Manchmal entdeckt man so auch interessante neue Geheimtüren und man kommt trotzdem zum Ziel, auch wenn einem die anderen Wege und Möglichkeiten im Moment des Scheiterns gar nicht bewusst sind. Ich bin ein Mensch, der nicht Niederlagen hinterher trauert. Das bringt doch nichts. Ich sehe das positive in einer Situation und mache das beste draus und wenn etwas so gar nicht klappen wollte, dann sollte es eben nicht sein und ich bin ohne den Sieg einfach besser dran. Diese Einstellung hilft sehr.
Bei mir ist das eigentlich gar nicht so. Ich tendiere dazu zu sagen, dass all die Mühe umsonst war, wenn ich daraus keinen Erfolg gezogen habe. Ich bin dann richtig niedergeschlagen und denke mir, dass es sich nicht lohnt sich anzustrengen, was mich im Kopf ziemlich mürbe macht. Natürlich reagiere ich nicht immer so, aber hin und wieder kommt das schon vor.
Scheitern gehört im Leben dazu und ist auch für keinen Menschen angenehm. Ich fühle mich dabei aber wirklich besser, wenn ich alles versucht habe und alles gegeben habe, was mir möglich war. Perfekt ist niemand und wenn man es dann nicht geschafft hat, ist es doch einigermaßen okay. Mehr als alles geben kann man ja nicht. Letztendlich möchte ich aber auch nicht ewig irgendetwas hinterher trauern, sondern schaue dann einfach nach vorne.
Scheitern kann man lernen und mittlerweile bin ich in dem Alter, wo ich erkannt habe, dass es immer jemanden gibt, der etwas schneller, klüger, besser ist als ich. Zwar nicht in jeder Hinsicht. In einer oder vielleicht sogar mehreren Dingen mag ich der Überflieger sein. Aber in allen anderen Dingen kann ich mir doch nur von Menschen, die mir überlegen sind, abschauen, was ich dazu lernen kann.
In meinem Beruf genieße ich es, von Kolleginnen die schon jahrelang im Dienst sind, zu lernen, mir etwas abzuschauen , mir etwas erzählen zu lassen. Das tolle finde ich an meinem Beruf, dass man selbst von Kindern noch so viel lernen kann, weil sie so gnadenlos ehrlich zu einem sind.
Ich denke, dass man das Scheitern leichter akzeptieren kann, wenn man weiß, dass jeder Mensch irgendwann irgendwo einmal gescheitert ist, oder scheitern wird. Niemand ist perfekt, auch wenn sich nach außen hin manche Menschen so geben als wären sie es.
Was heißt schon "alles gegeben"? Das Leben ist kein Hollywoodfilm und oft genug kann man "alles geben", und jemand anderem bricht für die gleiche Leistung oder das gleiche Ergebnis nicht mal der Schweiß aus. Ich halte es daher für sinnlos, sich etwas darauf einzubilden, alles gegeben zu haben und eine wie auch immer geartete Gegenleistung dafür zu erwarten. Und sei es auch nur das gute Gefühl, alles gegeben zu haben, auch wenn das Ergebnis zu wünschen übrig lässt.
Auch Scheitern ist in meinen Augen eher Einstellungssache, und ich weiß auch nicht, wie oft ganz normale Leute in ihrem Alltag "scheitern". Wenn ich vor 20 Jahren nicht an meiner Traum-Uni studieren konnte, ist das nicht schon längst Schnee von gestern? Oder bringt es irgendwem irgend etwas, wenn ich darunter leide, dass der Chef zur hart verhandelten Gehaltserhöhung "Nö" gesagt hat?
Ich bin natürlich auch nicht happy und voller Energie, wenn ich mir bei etwas Mühe gegeben habe, und es klappt dann doch nicht. Aber bei mir macht es eigentlich keinen Unterschied, ob ich mich voll ins Zeug gelegt oder nur spaßeshalber etwas probiert habe. Dafür sind immer zu viele andere Faktoren im Spiel als meine persönliche Anstrengung. Ich kann 120 Prozent geben und abblitzen, weil jemand anders schlecht geschlafen hat. Was soll daran tröstlich oder hilfreich sein?
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