Unheimlich, wenn Menschen Emotionen unterdrücken?
Es gibt so viele Menschen und jeder von uns ist anders. Manche Menschen wollen mehr über ihre Emotionen reden oder zeigen sie ganz offen. Andere blocken da jedoch ab und setzen eine Art Maske auf und zeigen keine Emotionen. Wissenschaftler wollen herausgefunden haben, dass Testpersonen bei einem Versuch die Menschen als viel sympathischer empfunden haben, die offen ihre Emotionen gezeigt haben.
Mich würde mal interessieren, wie ihr das seht. Findet ihr Menschen sympathischer, die ihre Gefühle zeigen oder die, die sich im Griff haben? Sicherlich sind beide Extreme nicht besonders gut und ich könnte mir vorstellen, dass eine Heulsuse genauso anstrengend sein kann wie ein eiskalter Klotz. Wann findet ihr Menschen in dieser Hinsicht unheimlich und warum? Oder kann man das gar nicht so pauschal sagen?
Mir sind Leute, die die Balance zwischen Emotionen und Selbstbeherrschung halten können und sich dem Zusammenhang angemessen verhalten, meistens am sympatischsten. Meinetwegen muss man kein besonders übersprudelnder Zeitgenosse sein, der praktisch noch stolz darauf ist, kaum über Selbstkontrolle zu verfügen und immer gleich "auszurasten". Aber in jeder Situation mit steinerner Miene dazusitzen finde ich auch nicht besonders attraktiv.
Ich selber bin zwar auch eher der stoische Typ, aber hin und wieder erachte ich es schon für angemessen, wenn jemand Gefühle zeigt. Wenn ich immer nur den Eindruck bekomme, mein Gegenüber langweile sich, frage ich mich früher oder später schon, wieso die Person überhaupt Zeit mit mir verbringt. Und in Extremsituationen aller Art ist es schließlich auch nicht hilfreich, wenn jemand auf dem Sofa sitzt und sagt: "Von dem Geheule wird deine Oma auch nicht mehr lebendig!", oder "Kannst du versuchen, dich etwas weniger laut zu freuen?"
Unheimlich finde ich es allerdings nicht, wenn Menschen ihre Gefühle im Griff haben. Gerade Männer haben es von der Erziehung her oft genug noch mitbekommen, dass ein echtes Mannsbild in jeder Situation eherne Contenance bewahrt und Heulen nur was für schwache Mädchen ist. Und wenn man es nicht anders gelernt hat, ist es schwierig, mit Gefühlen angemessen umzugehen. In vielen Berufen und Alltagssituationen ist es zudem durchaus empfehlenswert, sich halbwegs im Griff zu haben.
In dieser Hinsicht können wir alle froh sein, wenn beispielsweise die Rettungssanitäterin, die uns aus dem Autowrack zerrt, dabei nicht weint und zittert oder der Taxifahrer uns wutanfallfrei durch den Stadtverkehr lotst. Dass Gefühle an sich immer eine gute Sache sind, und man ihnen tunlichst freien Lauf lassen soll, weil man ja nur so individuell seine Persönlichkeit ausleben kann, finde ich somit eher nicht.
Es kommt sicherlich auch immer auf den Rahmen an. Wenn nun jemand völlig unkontrolliert immer beim Arbeiten losheult, ist das sicherlich absolut unangebracht. Wenn man allerdings bei Freunden oder einfach weil man diese Gefühle an der Stelle nicht unterdrücken kann, zeigt was einen bewegt finde ich das nicht schlimm. Generell sind mir Menschen lieber, bei denen ich weiß woran ich bin, die also sagen was los ist und dementsprechend ist mir jeder emotionale Mensch lieber als ein Kopfmensch, der immer nur alles unter Kontrolle haben will.
Das kommt doch vor allem darauf an, in welchem Kontext man einem Menschen begegnet. Ein Arzt, der völlig ausflippt, weil er so etwas ihm Dargebotenes noch nie gesehen hat und seinen Schock, Ekel, Irritation oder seine Faszination offen zum Ausdruck bringt, wird seinen Patienten meist keinen Gefallen tun, wohingegen eine ostentativ zur Schau gestellte fehlende Emotionalität, wo sie gar nicht nötig wäre, sehr befremdlich bis unsympathisch und in einigen Fällen nahezu autistisch wirkt.
Abgesehen davon, dass letzteres auch nur eine Taktik sein kann, weil man nämlich vielleicht sonst in Wahrheit von Gefühlen nur so geflutet würde und man sich selbst einredet, alles im Griff zu haben. So oder so, es wirkt in beide Richtungen stockig und seltsam. Der ideale Mittelweg wäre, Gefühle zu haben, zu spüren, sie auch benennen zu können und ihrer gewahr zu sein, aber sie trotzdem noch regulieren zu können und auch zu wissen, wann wie viel gezeigte Emotion angemessen ist. Erwachsene Leute, die im gestandenen Alter noch Wutanfälle wie Kleinkinder bekommen und vor Geifer spucken mit maximalem Drama sind genauso anstrengend wie emotional anderweitig nicht richtig ausgewuchtete Menschen irritierend wirken.
Sympathisch sind am meisten die, die noch am ehesten in sich ruhen, wobei gezeigte vermeintliche Schwächen und eine gewisse Emotionalität schon authentisch wirken und mich mehr ansprechen als Leute, die scheinbar frei von Emotion durch die Weltgeschichte stapfen.
Das hängt doch vom Kontext ab und auch von der Art der Emotionen, oder? Jemand, der in einer lustigen Situation herzlich lachen kann, auch über sich selber, ist natürlich sympathisch. Aber würde es mich sympathisch machen wenn die Bahn mal wieder Verspätung hat und ich meine Verärgerung darüber laut zum Ausdruck bringe? Eher nicht.
Im sozialen Miteinander ist es einfach oft nötig, dass man seine Emotionen für sich behält und es ist in schwierigen Situationen ja auch ein Selbstschutz weil man überhaupt nicht mehr in der Lage wäre irgendwas zu machen wenn man alle Emotionen zulassen würde.
Man sieht das ja immer wieder an Menschen, die irgendwas ganz tragischer erlebt haben und erstaunlich gelassen damit umgehen. Wahrscheinlich wird irgendwann der Zusammenbruch kommen, aber erst mal schaffen sie es eben weiter zu funktionieren indem sie ihre Gefühle unterdrücken.
Für mich kommt es auch darauf an, in welchem Kontext das passiert und wie man zu der Person steht. In manchen Berufen ist Selbstbeherrschung ja sehr wichtig und niemand dürfte ja von einem Arzt erwarten, dass er anfängt bitterlich zu weinen, wenn er einem eine schlimme Diagnose mitteilt. Und genauso wird niemand von seinem Arzt erwarten, dass er in Freudentränen ausbricht, wenn er einem zur Schwangerschaft gratuliert. Ärzte sind ja sehr sachlich, was sie ja aber auch sein müssen.
Manchmal sind Emotionen einfach fehl am Platz - auch außerhalb des Berufsalltags. Manchmal macht man sich selbst und anderen keinen gefallen, wenn man gerade sehr sauer, traurig oder wütend ist und sollte daher versuchen, sich möglichst im Griff zu haben.
Ich finde es also grundsätzlich nicht unheimlich, wenn Menschen ihre Emotionen durchaus mal unterdrücken und würde es wesentlich schlimmer finden, wenn jeder immer allen seinen Emotionen freien Lauf lassen würde. Bei meinen Freunden und generell bei Menschen die mir nahe stehen erwarte ich aber natürlich schon, dass sie durchaus zum Ausdruck bringen, wenn sie etwas bewegt oder erfreut und sich dann auch mal für mich freuen können, wenn ich ihnen etwas Positives von mir erzähle.
Zwischen Eisklotz und Heulsuse gibt es doch noch jede Menge Graustufen. Ich bin kein Eisklotz und auch keine Heulsuse. Aber ich besitze jede Menge Empathie und kann mich gut in mein Gegenüber einfühlen. Emotionen lasse ich da raus, wo sie angebracht sind. Das ist meistens eher nur im privaten Bereich. Ich mag Menschen mit Humor sehr. Und das Ergebnis von Humor ist ja mindestens ein Lächeln.
Auch das ist ein Ausdruck von Emotionen. Im Kollegenkreis gibt es viele Kollegen, die ihre Emotionen eher unterdrücken und ich unterstelle viele von ihnen Schauspielerei. Aber sollen sie ruhig, es ist ihre Persönlichkeit, der sie da etwas vormachen.
Ich gehe mit denen sachlich um, unheimlich sind sie mir nicht. Dienst ist eben Dienst und seine Kollegen kann man sich nicht aussuchen. Ich selbst gehe auch nicht pfeifend über den Büroflur sondern halte meine Emotionen auch eher unter Kontrolle. Ich denke, dass das auch eine Gabe ist, dass das mehr gelingt, je älter man wird.
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