Fremden Menschen helfen und dafür Bahn verpassen?
Ich hatte vor einigen Wochen die Situation, dass ich auf einer Bank auf meinen Zug gewartet habe und dann von einer fremden Dame angesprochen worden bin. Sie war mittleren Alters und war offensichtlich Migrantin und kannte sich hier nicht so aus. Es stellte sich heraus, dass sie einen Termin in einer Klinik für eine Untersuchung hatte und leider wegen Verspätungen ihren Anschlusszug nicht mehr bekommen hatte. Daher war sie verwirrt, da ihr ganzer Reiseplan durcheinander gekommen war und sie nicht mehr wusste, welchen Zug sie nehmen muss, um ihr Ziel doch noch zu erreichen.
So wäre sie fast in den falschen Zug gestiegen, dabei kam ihre Bahn drei Minuten Später vom selben Bahnsteig. Es hat dann auch einige Zeit gedauert, bis ich ihr helfen konnte und ich erst einmal verstanden habe, was sie von mir möchte. In der Zeit ist dann meine Bahn (die, in die sie fälschlicherweise fast gestiegen wäre) weggefahren und ich habe sie verpasst. Mir war aber wichtig, dass die Frau eben vernünftige Auskunft bekommt und ein Bahnmitarbeiter war weit und breit nicht in Sicht.
Im Endeffekt ist sie dann doch in den richtigen Zug gestiegen und hat ihr Ziel hoffentlich noch erreicht. Ich habe dann einfach eine Bahn 10 Minuten später genommen und war mit dem RE sogar noch schneller zu Hause als mit der verpassten S-Bahn. Ich habe das jedoch nur gemacht, weil das nicht weit von zu Hause war. Mitten in Berlin oder München hätte ich das nicht gemacht. Wie seht ihr das? Unter welchen Umständen würdet ihr eine Bahn verpassen, um einen Menschen zu helfen? Würdet ihr dies auch für Fremde tun?
Ich wurde vor einiger Zeit in der Straßenbahn von einer älteren Dame gebeten, ihr an der nächsten Haltestelle beim Aussteigen zu helfen. Ich hatte es allerdings extrem eilig. Ich musste an dieser Haltestelle aussteigen und zum Fernbus rennen, den ich ansonsten verpasst hätte.
Da ich ein Ticket für den Fernbus hatte, das ansonsten verfallen wäre und der nächste Fernbus mehrere Stunden später gefahren wäre, war ich nicht bereit, der Dame zu helfen. Zudem muss man sagen, dass in der Straßenbahn natürlich etliche Menschen anwesend waren, die ihr stattdessen helfen konnten.
In deinem Fall hast du zehn Minuten eingebüßt, hattest es offensichtlich nicht sehr eilig und musstest nicht unbedingt diese eine S-Bahn nehmen, um zu einem wichtigen, unaufschiebbaren Termin zu gelangen. In dem Fall hätte ich auch geholfen.
Man muss halt immer abwägen, wie groß die Umstände sind, die man damit in Kauf nimmt. Ob jemand anders die Hilfe übernehmen kann, der es nicht eilig hat. Wie dringend das Problem ist, dass der Hilfesuchende hat. Aber grundsätzlich bin ich auf jeden Fall dazu bereit, mal eine Bahn zu verpassen.
Mir tun diese Personen auch immer sehr leid. Wenn man ortsfremd ist oder die Sprache nicht beherrscht, kann der Öffentliche Nahverkehr sehr verwirrend sein. Wann fahren wo die Busse, S-Bahnen oder Straßenbahnen ab? Welche Richtung ist die richtige? Welche Fahrkarte braucht man dafür? Da kann man ganz schön verzweifeln und daher helfe ich in solchen Situationen grundsätzlich gern.
Wenn ich Zeit habe, helfe ich natürlich auch grundsätzlich gern. Ich habe schon übersetzt, Fahrkarten gekauft, Fahrkarten identifiziert, Leute in Züge gesetzt, Leute an der richtigen Haltestelle wieder nach draußen befördert, Alternativrouten aufgezeigt, Gepäck und Kinderwagen transportiert und all das für lau. Kein Wunder, dass der ÖPNV es sich leisten kann, am Personal zu sparen.
All dies mache ich aber grundsätzlich nur, wenn ich dadurch nicht selber in Gefahr gerate, meine Bahn oder ähnliches zu verpassen. Als Langstreckenpendler bin ich nämlich nicht in der privilegierten Lage, dass alle 10 Minuten ein Bus geht, sondern es kann durchaus sein, dass ich eine Stunde später in der Arbeit oder daheim bin, weil irgendein Ömchen ihre Lesebrille vergessen hat oder glaubt, sie schaffe es in unter fünf Minuten von Gleis fünf auf Gleis 29. Das zahlt mir nämlich auch keiner. So weit geht meine Hilfsbereitschaft dann doch nicht. Irgendwo bin ich nämlich auch durchaus der Meinung, dass meine Mitmenschen auch ein bisschen selbstständig denken und Probleme lösen können sollten.
ÖPNV ist eindeutig nichts für die Armen im Geiste, aber wer prinzipiell keinen Fahrplan lesen kann, oder seinen megaschweren Koffer nicht selber die Treppe hoch transportieren, wenn der Aufzug mal wieder ausgefallen ist, soll entweder eine Begleitperson mitnehmen, sich an die offiziellen Mitarbeiter wenden oder in Gottes Namen Taxi fahren. Sich einfach nur blindlings darauf zu verlassen, dass einen die Mitmenschen netterweise durchschleppen, finde ich manchmal schon ein bisschen anmaßend.
Da muss ich für mich auch wieder ganz klar sagen, dass es auf verschiedene Faktoren ankommt, ob ich dann helfen würde. Ein wichtiger Faktor wäre natürlich, wann ich selber denn dann weiterfahren kann, wenn ich diese Bahn nun verpasse. Wenn das erst eine Stunde später der Fall wäre, dann muss ich sagen, dass ich vermutlich nicht helfen würde, auch wenn ich keinen wichtigen Termin habe, den ich noch erreichen muss.
Das wäre auch schon der zweite entscheidende Faktor, wo ich eigentlich hinfahre. Wenn ich nach Hause fahre und da nichts weiter vorhabe, dann würde ich natürlich eher helfen, als wenn ich einen wichtigen Termin habe, den ich versäumen könnte, wenn ich die Bahn verpasse. So würde ich es davon abhängig mache, ob ich helfe. Wenn ich zehn Minuten später zu Hause ankomme und nichts mehr vorhabe, dann würde ich sicher auch helfen.
Es kommt einfach darauf an, wie oft eine Bahn kommt, wo ich selbst hin muss und wie knapp ich dran muss. Wenn ich auf dem Weg zur Arbeit oder zu einem wichtigen Termin bin, dann würde ich so etwas natürlich nicht machen, wenn ich dann selbst entsprechend zu spät kommen würde. Das wäre es mir das natürlich nicht wert, was ja logisch ist. Da würde die Hilfe für mich auch zu weit gehen.
Wenn es um die S-Bahnen geht, kann man das bei mir in der Stadt durchaus mal machen, da diese alle zehn Minuten fahren. Bei den Zügen wäre ich etwas vorsichtiger. Manche Züge fahren nun einmal alle paar Stunden und da kann man es sich normalerweise nicht leisten, einen einfach mal zu verpassen. Genauso sieht es aus, wenn die Fahrkarte an einen bestimmten Zug gebunden ist.
Auch wenn ich mich schon mit jemandem zu einer bestimmen Zeit verabredet hätte, dann würde ich eben nur so lange helfen, bis meine Bahn dann kommen würde, da ich auch nicht zu meiner Verabredung zu spät kommen wollen würde. Ich helfe gerne, allerdings nur, wenn der Nachteil für mich persönlich dann nicht zu groß ist.
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