Als Realschüler heutzutage Komplexe haben?
Eine Arbeitskollegin von mir hat nach dem Realschulabschluss eine Ausbildung gemacht und arbeitet bei uns im Büro. Meine anderen Kollegen haben zumindest Abitur, die meisten aber auch nach dem Abi studiert. Ich habe den Eindruck, dass die Kollegin mit Realschulabschluss Komplexe hat und dadurch ständig versucht sich zu beweisen.
Oft versucht sie mich als Neue zu korrigieren und verschlimmbessert meine Arbeit. Aber Hauptsache, sie konnte noch etwas an meiner Arbeit aussetzen. Beispielsweise hat sie sich letztens beschwert, dass ich in einer internen Mail an das Team einen Rechtschreibfehler eingebaut habe. Dann musste ich ihr erstmal über Duden Online beweisen, dass ich Recht hatte und es sich nicht um einen Rechtschreibfehler handelte. Als sie merkte, dass ich im Recht war, wurde sie ziemlich still.
Habt ihr auch den Eindruck, dass durch die in Teilen überflüssige Akademisierung von Berufsgruppen Leute mit einer geringeren formalen Bildung Komplexe bekommen? Wie geht ihr damit um?
Von einer einzigen Kollegin auf alle Menschen mit geringer formaler Bildung, zu denen ich auch gehöre, zu schließen, halte ich für überzogen. Und wenn wir uns mal Menschen mit Komplexen widmen, werden wir erkennen, dass die sich eher bedeckt halten. Ein mit Komplexen beladener Mensch ist ja wohl eher introvertiert und sich seiner wahren Gaben eher nicht bewusst. Mir ging das früher so, dass ich aufgrund eines Handicaps, überzeugt war dumm zu sein.
Erst als mich mehrere Menschen um Rat fragten mit der Einleitung: "Du bist doch intelligent...", wurde mir irgendwann bewusst, dass ich gar nicht dumm war. Ehrlich, so war es. Die beschriebene Dame aber tut sich einfach gern wichtig und ist überzeugt von ihrer Intelligenz, die sie eventuell Menschen mit höherer Bildung abspricht. Dass was die wissen, weiß sie doch schon längst und vor allem noch viel besser. Davon ist sie schwer überzeugt und diese Überzeugung lebt sie aus. Und was im Duden steht, muss längst nicht mehr stimmen; ist leider so.
Ich denke jetzt nicht, dass sich solche Komplexe, wie du sie beschreibst, in der Form äußern würden. Da bin ich eher der Meinung, dass die Menschen, die aufgrund einer geringeren Bildung Komplexe haben, ruhig sind und eher zurückhaltend, weil sie denken, dass sie den Mitarbeitern so oder so nicht gewachsen sind.
Ich nehme auch nicht an, dass man von einer Person auf die Allgemeinheit schließen kann, aber es kann sicher solche einzelnen Personen geben. Das möchte ich auch nicht abstreiten. Ich denke aber nicht, dass solche Personen die Regel darstellen.
Denke nicht das sie deswegen Komplexe hat. Vielleicht hat sie einfach ein anderes Problem mit dir oder anderen. Oder wird bei euch die Schulbildung von jedem an seine Bürotür gehangen? Versteht ihr euch denn sonst? Denn wenn ihr euch auch sonst nicht so versteht, dann wird es wohl nicht an Komplexen liegen. Und ein Bildungsstand sagt heute ja nun auch nicht mehr zwingend was aus. Sicherlich gibt er eine Richtung vor.
Aber zwischen Realschulabschluss und Abitur liegen ja oft keine weiten Wege. Von daher würde ich sie mal darauf ansprechen. Vielleicht ist es ihr ja gar nicht richtig bewusst was sie macht. Oder sie möchte Aufmerksamkeit von euch, weil sie gerne mit euch befreundet sein möchte. Nicht alles immer nur gerade aus sehen, auch mal links und rechts gucken. Dann kann man solche Probleme auch lösen.
Ich finde den Unterschied zwischen Realschule und Abitur gar nicht so groß. Ob man nun zwei Jahre länger zur Schule geht oder nicht, verändert ja nicht viel. Bisher hatte ich auch nie den Eindruck, dass ich aufgrund meines Abiturs mehr Allgemeinwissen als Realschüler hätte. Ich denke, dass man sich da auch nicht unbedingt klein vorkommen muss, wenn man kein Abi hat.
Nur aus der Bildung irgendwelche Komplexe abzuleiten finde ich ehrlich gesagt ziemlich kurzsichtig. Es gibt doch genug Menschen, die wegen ihrem Aussehen, wegen der Figur oder irgendwelcher körperlichen Makel Komplexe entwickeln. Oder weil ihre sportlichen Leistungen nicht so toll sind. Manche Menschen haben Komplexe, weil Papa immer den Bruder oder die Schwester bevorzugt hat und man selbst sich fühlte wie auf dem Abstellgleis. Gründe für Komplexe gibt es viele, daher wäre ich vorsichtig mit Pauschalisierungen.
Ich würde bei der Kollegin nicht unbedingt von der Schulbildung auf ihr Verhalten schließen. Außerdem würde ich auch vermuten, dass sie sich dann gerade ruhig und zurückhaltend geben würde, wenn sie Komplexe hätte. Sicher verstehe ich es, dass dich das Verhalten deiner Kollegin nervt. Allerdings kann das doch die unterschiedlichsten Gründe haben und ohne weitere Beispiele würde ich nicht davon ausgehen, dass das an ihrem Schulabschluss liegt.
Nur weil man letztendlich nicht studiert hat muss man ja nicht schlechter in seiner Arbeit sein. Ganz im Gegenteil, wenn man eine Ausbildung gemacht hat und arbeitet dann, dann wird man eben auch schon eine Weile in dem Job arbeiten bis dann der Studierte kommt. So hat man deutlich mehr Erfahrung, auch wenn der Student vielleicht per se mehr Wissen hat. Ich denke, dass man nicht unbedingt Komplexe bekommt nur weil man schlechter gebildet ist. Das ist auch eine Typfrage und nicht nur abhängig vom Bildungsgrad und wie man dann damit umgeht ist auch eine Frage des Typs und nicht bei jeder Person gleich.
Ich würde das nie so verallgemeinern, da das immer ganz klar auf die jeweilige Person an sich ankommt. Sicherlich gibt es Realschüler, die irgendwelche Komplexe haben, allerdings wird es doch auch Hauptschüler, Leute ohne Schulabschluss, Abiturienten und auch Uni-Absolventen geben, denen es doch geht. Es gibt doch grundsätzlich immer Menschen, die besser sind als man selbst, egal wie viel man erreicht hat. Und auf die kann man im Prinzip immer neidisch sein.
Es kommt ja auch darauf an, wie zufrieden man mit sich und seiner Leistung ist. Hat jemand nur mit sehr viel Mühe und Fleiß seinen Realschulabschluss geschafft, wird er darauf vielleicht sehr stolz sein. Wenn jemand mit Uni-Abschluss oder abgeschlossener Promotion hingegen nach mehr strebt und mit Menschen zusammenarbeitet, die genau das schon geschafft haben, kann es durchaus sein, dass er dann auch Komplexe hat.
Komplexe hat man ja dann, wenn man mit sich nicht zufrieden ist und gerne etwas an sich ändern würde und auf das neidisch ist, was andere haben. Das kann aber jeden betreffen und nicht nur im Speziellen Realschüler. Es kommt eben auch völlig au den Typ Mensch an.
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