Hartz4 Sanktionen und Strafen für unzulässig erklären?

vom 05.04.2019, 10:54 Uhr

Da sich die Sozialgerichte scheinbar außerstande sehen, diese Frage abschließend zu beantworten, wurde die Entscheidung darüber an das Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe weitergegeben. Zu klären wäre somit, ob man Hartz4 Beziehern überhaupt die Leistungen kürzen darf, weil die Grundsicherung ja eine Art Existenzminimum darstellt.

Die Meinungen darüber sind erwartungsgemäß zweigeteilt und währen d die Befürworter argumentieren, dass man unmotivierte und unwillige Leistungsbezieher ja wohl auch mal sanktionieren dürfe, argumentieren die Gegner, dass eine Leistungskürzung nicht rechtens ist, weil das Existenzminimum darf nicht unterschritten werden. Für welches Lager bei dieser Frage würdet ihr euch denn entscheiden und welche Argumente könntet ihr denn dafür vorbringen?

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» mikado* » Beiträge: 3037 » Talkpoints: 1.002,67 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Was soll man da noch kürzen? Ich kenne die Sanktionen vom Arbeitslosengeld in Österreich. Das ist ja soweit ich weiß eine Versicherungsleistung und keine Sozialleistung. Wie es beim Hartz 4 ist weiß ich nicht. Doch es ist eigentlich eh schon gering. Wenn jemand mit diesem klar kommt, dann ist das schon eine Leistung.

Auch bei uns wird diskutiert die Mindestsicherung zu kürzen. Wenn man beispielsweise nicht ausreichend Deutsch kann. Ich kenne persönlich Menschen wo ich das als sinnvoll empfinde, weil sie überhaupt nichts tun wollen nur kassieren. Bei anderen ist es ziemlich unfair und hängt oft zu sehr von der Entscheidung des Betreuers ab.

Ich denke aber nicht das Kürzungen hier noch was bringen. Das tut ihnen zwar am meisten weh, aber wie gesagt viel zu kürzen ist da nicht mehr. Sie sollten meiner Meinung nach andere Strafen bekommen. Wie einfach mehr Sachleistungen. Also Kleidergutscheine oder die Miete direkt an den Vermieter. Dadurch bleibt das Geld was sie bekommen erhalten und die Existenz gesichert, doch wenn sie wieder Bares wollen müssen sie ihre Auflagen erfüllen.

» TinaPe » Beiträge: 456 » Talkpoints: 15,33 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Das ist eine ganz schwere Entscheidung. Auf der einen Seite möchte man den Leuten natürlich auch zeigen und muss denen zeigen, ihr müsst euch an gewisse Spielregeln halten, um das Existenzminimum im Grunde geschenkt zu bekommen. Auf der anderen Seite kann man aber das „Minimum“ an Existenz nicht einfach mal eben kürzen und dann sich wundern, dass mehr von den Leuten in die Obdachlosigkeit rutschen. Es wird der Mensch dahinter vergessen und das von einem Sozialstaat.

Es sind viele Menschen einfach auch nicht in der Lage, sich an gesellschaftliche Themen zu halten. Einen Termin verschlafen? Passiert. Sich nicht melden sollte man zwar nicht, um vielleicht Glück zu haben, das entschuldigt zu wissen, aber wir reden oftmals auch von Menschen mit Süchten, psychischen Problemen und mehr. Darauf wird aber nicht eingegangen und manchmal bekomme auch ich beruflich mit, mit welcher Willkür und mit welchem Wollen die Job Center Mitarbeiter es den Leuten schwerer machen, als es sein muss.

Hartz4 Sanktionen muss man auch anwenden, keine Frage, aber es geht auch um das Menschliche im Sozialstaat. Wer nicht fördert und die Probleme der Leute mal genauer betrachtet, wird nicht zum Erfolg kommen.

Was erwarten denn die Job Center bei meinen Patienten u.25 eigentlich? Wer da ein Termin nicht mitkriegt, kriegt sofort die volle Kürzung. Das Leben hat sich bei den Leuten aber vollkommen aus den Bahnen gelenkt. Schule? Nicht gegangen. Ärger gab es nicht. Zu Hause Regeln? Wozu, Eltern Alkis, Drogis, nicht da gewesen usw. Kinderbedürfnisse gegen 0 gehalten. Usw. Da kriegt man auch einiges eben nicht so leicht hin.

Freifahrtscheine darf es aber nicht geben. Man muss statt Strafen aber auch mal fördern. Man muss schauen, wo die Schuhe drücken, wo man helfen kann und ähnlich. Einige der Mitarbeiter der Job Center sind das Letzte und ich habe mit genug wegen einigen meiner Leute zu tun! Schrecklich sind die. Das wirkt oftmals wie eine Quotenerfüllung, egal was gesagt wird, egal was bewiesen wird, Sanktion hier, Meckern dort, Auswege keine und Lösungen auch nicht.

Zu Zeiten des Sozialamtes sah das aber ganz anders aus. Noch heute merkt man, wer im Job Center vorher im Sozialamt tätig war und da habe ich viele meiner „Patienten“ untergekriegt. Das merkt man auch an deren Entwicklung verdammt deutlich.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Kätzchen hat vieles schon gesagt. Es ist etwas komplizierter, aber auch ich bin gegen unnötige Sanktionen. In vielen Fällen bringen sie nichts. Niemand, der gerade mal 3 oder 6 Stunden arbeiten kann, wird dadurch arbeitsfähiger. Sanktionen heilen keine chronische Krankheiten.

Erinnern wir uns doch mal an die Anfänge 2005. Damals gab es über 5 Millionen Arbeitslose und Riesenproteste gegen Hartz IV. In Saarbrücken hat zuerst sogar der jetzige Außenminister Heiko Maas mitgewettert und vor 1.500 Leuten gesprochen. Und warum wurde Hartz IV eingeführt? Unser Sozialstaat sollte gerettet werden. Arbeitslose sollten schneller vermittelt werden. Angeblicher Sozialmissbrauch sollte energischer bekämpft werden. Damals wurde noch eine Zahnbürstenkontrolle gefordert.

Und wie sieht es heute aus? Die Arbeitslosenzahl hat sich halbiert. Dank der demographischen Entwicklung und der guten Wirtschaftsentwicklung hätte dies wohl auch ohne Hartz IV stattgefunden. Die einzige Regelung, die ich gut finde, ist die schnellere Vermittlung. Und was haben die verschärften Sanktionen gebracht? In meinen Augen treffen sie die Falschen. Chronisch Kranke mit allen möglichen Handicaps werden damit nur depressiver und arbeitsunfähiger gemacht.

Warum zwingt man die Leute zu Ein-Euro-Jobs? Bei uns in der Stadt haben solche Kräfte eine Skateranlage errichtet. In einer anderen Stadt würde das Friedhofspersonal entlassen und dürfte kurze Zeit später als Ein-Euro-Job die gleiche Arbeit machen. Aber solche gemeinnützigen GmbHs sind eine gute Möglichkeit, verdienten Parteisoldaten einen Geschäftsführerposten zu verschaffen. Die Widerspruchsmöglichkeit gegen eine solche Maßnahme sind gleich Null. Bei Nichtantritt gab es direkt Sanktionen. Mit Ein-Euro-Job hat man schlechtere Chancen als ohne.

Sanktionen bringen nur dann etwas, wenn die entsprechende Person überhaupt noch Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt hat. Wer nach 20 oder 30 Berufsjahren chronisch krank irgendwo ausfällt, wird oftmals bis zur Rente in Hartz IV verbleiben. Daran ändern auch Sanktionen nichts.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



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