Was bringt euch dazu, euch verletzlich zu zeigen?

Eigentlich zeige ich mich nicht so oft verletzlich - zumindest nicht Fremden gegenüber oder Personen, die ich nicht so gut kenne. Gerade dann lasse ich einfach nicht so viel an mich heran und wenn ich weiß, dass ich die Personen ohnehin nie wieder sehe, geht mir vieles auch einfach nicht besonders nah. Anders ist es aber bei Personen, die mir viel bedeuten oder mit denen ich viel zu tun habe,

Was bringt euch dazu, euch verletzlich zu zeigen und in welchen Situationen ist das der Fall? Zeigt ihr euch gerne verletzlich anderen gegenüber, da ihr zu dieser Seite von euch steht oder ist euch das unangenehm, so dass ihr versucht, so etwas eher zu vermeiden?

Ich bin ein ziemlich emotionaler Mensch und lasse andere gerne wissen, wie es mir geht. dabei bleibe ich natürlich ruhig und bestimmt. Wenn ich wütend bin, dann springe ich beispielsweise nicht wie ein wild gewordenes Tier umher und schreie, sondern ich erkläre meinem Gegenüber dann ganz sachlich "Ich bin gerade sehr wütend und enttäuscht, weil bla bla bla..." Somit gebe ich meinem Gesprächspartner die Chance, zu erkennen, was er mir (unbewusst) angetan hat, denn oft merkt man das gar nicht selbst.

Bei Wildfremden sage ich zwar auch meine Meinung. Da bin ich aber nicht so emotional betroffen wie bei der Familie oder engen Vertrauten. Im Allgemeinen ist es sehr wichtig, dass man seinen Gefühlen immer Raum lässt und sie als das akzeptiert, was sie sind.

Wer auf Dauer Emotionen unterdrückt und so tut, als wäre er nicht betroffen, der bekommt irgendwann die Quittung in Form von heftigen Stimmungsschwankungen und eventuell sogar Depressionen.

Ich kann mir ehrlich gesagt nicht viel darunter vorstellen. Was heißt es, mich "verletzlich zu zeigen"? Also mal abseits der ganzen Klischees aus irgendwelchen Serien und Kitschromanen? Dass ich zeige, wenn ich wütend oder enttäuscht bin? Dass ich mein Gefühlsleben offen auf dem Revers trage, ohne Rücksicht auf Umstände oder meine Mitmenschen? Oder dass ich einem kleinen Personenkreis hin und wieder Einblicke in mein Seelenleben gewähre, indem ich zugebe, dass ich manchmal Angst habe oder dass ich bei bestimmten Kinofilmen weine?

Allem Anschein nach ist Verletzlichkeit nicht eines meiner größten Talente, oder sie kommt in meinem Alltag einfach nicht oft genug vor. Ich weiß es auch nicht. Jedenfalls kommt es bei mir nur sehr selten vor, dass ich tatsächlich "wütend und enttäuscht" bin oder derlei starke Emotionen hege. Und wenn, dann liegt es meistens daran, dass die Bahn Verspätung hat oder die Konzertkarten ausverkauft sind oder sonst ein Mechanismus nicht funktioniert, der mit mir als Person nichts zu tun hat. Soll ich mich dann der Bahn oder dem Ticketmenschen gegenüber verletzlich zeigen?

Davon abgesehen, also privat, umgeben von Menschen, die mir nahestehen, bin ich dagegen ein offenes Buch und kann mich gar nicht verstellen und hart und unbeeindruckbar geben. Da merkt jeder, ob ich gerade genervt bin oder gerührt oder vor Freude innerlich auf und ab hüpfe. Aber als "verletzlich" sehe ich das auch nicht an. Wenn ich mich nicht mal vor Familie und Freunden so geben kann, wie ich bin, weil ich sonst das Risiko eingehe, "verletzt" zu werden, ist das doch eine schlimme Sache, oder nicht?

Ich verstehe nicht, was es hierbei zu diskutieren gibt. Es ist doch völlig normal, dass man sich offener zeigt, wenn man eine Person besser kennt. Natürlich verhält man sich gegenüber Fremden viel distanzierter und oberflächlicher als gegenüber dem Partner oder den engsten Angehörigen. Aber, nur weil man offener ist, ist man doch nicht automatisch "verletzlicher".

Wobei ich mich mit dem Begriff "verletzlich" schon schwer tue. Denn ich assoziiere damit, dass jemand gekränkt, enttäuscht oder traurig ist und das auch entsprechend offen zeigt oder kommuniziert. Kränkung, Enttäuschung oder Traurigkeit sind aber Emotionen, die in meinem Alltag so gut wie gar nicht vorkommen. Ich bin kein Mensch, der wegen jedem Piep beleidigt oder gekränkt ist und enttäuscht bin ich auch so gut wie nie, weil ich keine Erwartungen habe die dann enttäuscht werden können. Wirklich traurig bin ich auch extrem selten. Daher würde ich mich auch nicht als "verletzlich" bezeichnen. Dafür bin ich viel zu rational.

Ich finde, dass man aber auch offen über sich kommunizieren kann ohne verletzlich zu sein oder das entsprechend zu zeigen. Als ob man nur seine Mitmenschen an seinen Gedanken und Gefühlen teilhaben lassen kann, wenn man sich verletzlich zeigt. Das ist doch albern und dämlich, wenn man davon ausgeht, mal ehrlich.

Ich bin nicht der Mensch, der sich anderen Leuten, vor allem fremden Leuten gegenüber, verletzlich zeigt. Das ist einfach eine Seite an mir die niemanden etwas angeht und ich glaube nicht, dass ich es jedem auf die Nase binden muss, wenn es mir wegen etwas nicht gut geht oder wenn ich traurig bin. Das sind dann Sachen, die nur mich etwas angehen und mit denen ich nicht hausieren muss. Grade in der heutigen Gesellschaft wird man dann ja sehr schnell verurteilt und gilt als "weich" oder Heulsuse, wenn man zu verletzlich ist.

Die verletzliche Seite beziehungsweise die Probleme, die ich habe, kennen also nur meine engsten Freundinnen und meine Familie. Diese wissen, was mich beschäftigt und welche Probleme ich habe und ihnen gegenüber kann ich auch offen sein, ohne, dass ich vor den Folgen Angst haben muss, dass mich jemand verurteilen würde oder irgendwas in der Art. Dementsprechend kann ich da so sein wie ich bin und auch dazu stehen, wenn es mir nicht gut geht oder offen und ehrlich sagen, wenn mich etwas verletzt hat.