Lange an Blamagen erinnern oder verdrängen?

Ich gehöre zu den Menschen, die immer alles sehr genau nehmen und die in ihrem Leben immer versuchen alles richtig zu machen. Umso peinlicher ist es mir in den meisten Fällen, wenn ich etwas falsch mache oder mich blamiere. Mir ist das so peinlich, dass ich mich meist noch sehr lange, teilweise über mehrere Monate hinweg, noch daran erinnere. Das ist natürlich nicht schön, da es immer ein unangenehmes Gefühl ist, wenn man sich an Blamagen erinnert oder daran erinnert wird. Ich glaube, dass niemand das wirklich gerne mag.

Eine Freundin von mir ist jedoch genau das Gegenteil. Sie selbst neigt eher dazu, solche peinlichen Situationen zu verdrängen. Selbst wenn man sie darauf anspricht, dann erinnert sie sich in den meisten Fällen nicht mehr beziehungsweise erst dann, wenn man die Situation genau beschreibt. Aber auch dann nicht immer. Sie verdrängt die Sachen in den meisten Fällen und kann sich nicht mehr daran erinnern - für sie ist das natürlich von Vorteil.

Ich hätte kein Problem damit, wenn es mir genau so gehen würde und ich die Sachen eher verdrängen würde anstatt sie immer wieder hoch zu holen. Wie ist es bei euch? Neigt ihr eher dazu Sachen zu verdrängen oder erinnert ihr euch auch ständig daran?

Mir geht es da ebenso wie dir und solche Blamagen bleiben mir auch meist lange in Erinnerung. Ich weiß auch heute noch, wie ich damals in der Grundschule bei einem Kennenlernen mal aus Versehen auf der Männertoilette gelandet bin und deswegen großen Ärger bekommen habe. Auch habe ich vor ein paar Jahren bei einer Weihnachtsfeier mal ein Glas umgestoßen und eine andere Frau hat davon etwas abbekommen. Mir war das auch so peinlich, dass ich es nicht vergessen konnte.

Mir sind solche Peinlichkeiten auch meist lange unangenehm, auch wenn ich mich dann entschuldigt habe und das meist mehrfach. Ich glaube, dass man so etwas meistens nicht vergisst. Selbst man es verdrängt, irgendwann fällt es einem meist doch wieder ein.

Mir sind Blamagen so ziemlich egal. Ich denke da auch nicht groß drüber nach. Für mich gehört das einfach zum leben dazu und ich bin schon lange von dem Trip runtergekommen, dass man immer alles perfekt machen muss. Meine Gedanken beschäftigen sich eher mit Dingen, die mich aktuell betreffen. Wenn man eine neue Wohnung sucht, weil man umziehen möchte, dann rückt das eben in den Fokus. Wenn man beruflich etwas erreichen möchte, dann ist es eben das. Genauso, wenn man das Thema Familienplanung in Angriff nehmen möchte oder eine große Feier plant.

Was juckt mich da eine Blamage aus der Schulzeit? Davon wird meine Heizung auch nicht warm. Ich bin eher der "Passt-Schon-Charakter" wenn es um solche Sachen geht. Wenn es einen aktuellen Nutzen hat, dann wird das auch entsprechend umgesetzt und ich wüsste nicht, warum eine Erinnerung an Peinlichkeiten bei der Planung eines Umzugs oder einer Familienfeier relevant sein sollte. Das Leben ist zu kurz um sich mit solchen Gedanken und Erinnerungen herumzuplagen.

Kein Mensch ist perfekt und dessen bin ich mir auch bewusst. Wozu sollte ich mich also daran aufhalten, dass ich mich mal blaiert habe? Das bringt nichts und wenn man immer nur perfekt sein möchte ist das auch nicht gut. Verdrängen muss ich es aber auch nicht. Wenn ich mich blamiet habe, dann denke ich in dem Moment darüber nach und dann ist es auch gut. Man ist nunmal nicht perfekt und das finde ich auch absolut in Ordnung.

Ich würde bei mir sagen, dass es der Mittelweg zwischen langem Erinnern und dem Verdrängen ist. Ich bin auch eher ein genauer Mensch und wenn mir eine Blamage passiert, dann ist mir das auch erst einmal sehr unangenehm. Aber man ist eben nicht perfekt und blamiert sich auch schon mal und das ist mir auch bewusst. Deswegen ist eine Blamage nichts, an das ich noch ewig denken würde. Verdrängen finde ich auch nicht richtig, aber ich schließe dann einfach damit ab, wenn mir das gelingt und so denke ich auch nicht mehr lange darüber nach.

Ich arbeite in dieser Hinsicht noch an meiner Einstellung. Als ich noch jünger war und mich für wichtiger genommen habe, als ich bin, haben mich tatsächliche oder vermeintliche "Blamagen" auch lange verfolgt. Meistens waren es objektiv gesehen auch tatsächlich Kleinigkeiten wie ein umgestoßenes Getränk oder eine unbedachte Bemerkung. Aber mittlerweile sind mir diese "Blamagen" schon so oft passiert, und es gab eigentlich nie nennenswerte Konsequenzen. Deswegen sehe ich es mittlerweile schon ziemlich locker, wenn ich mich irgendwie dumm anstelle.

Die meisten Menschen sind zudem verständlicherweise so sehr mit ihrem eigenen Leben und ihren Unzulänglichkeiten beschäftigt, dass es mich schon sehr wundern würde, wenn sich außer mir noch jemand daran erinnert, wie ich im Nebenjob vor 10 Jahren in eine Kiste Christbaumschmuck getreten bin. Im geschilderten Fall würde ich aber auch vermuten, dass sich die Person durchaus noch daran erinnert, wie irgend etwas schiefgegangen ist, und sie nur keine Lust hat, das Ganze noch mal durchzuhecheln und sich am Ende gar noch mal rechtfertigen zu müssen.

Da ist es bequemer, so zu tun, als sei nichts gewesen. Ich selber finde es auch nur bedingt taktvoll, irgendwelche Ungeschicklichkeiten meiner Mitmenschen hinterher noch mal aufs Tapet zu bringen, weil ich bei mir auch nicht möchte, dass man mich darauf "anspricht", dass ich mich da und dort blöd angestellt habe.

Ich erinnere mich auf jeden Fall ewig an Blamagen - ich kann mich beispielsweise noch ganz genau auf etliche peinliche Sachen erinnern, die mir so in den letzten Jahren passiert sind. Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt etwas in dieser Hinsicht vergessen habe. Ich habe ohnehin ein gutes Gedächtnis, was Erinnerungen angeht, wobei ich mich an die peinlichen und schlimmen Sachen ganz besonders gut erinnern kann.

Nur weil ich mich daran erinnern kann, bedeutet das aber nicht, dass mir die ganzen Sachen deshalb noch immer sehr peinlich sind oder mich belasten. Ich erinnere mich eben daran, aber wirklich schlimm finde ich das meiste nicht mehr. Vieles sehe ich mittlerweile neutral, da die Ereignisse wirklich lange her sind und sich wohl kaum jemand außer mir noch dran erinnern kann. Und über vieles kann ich nun auch schon lachen.

Ich denke, dass es normal ist, wenn man sich an so etwas alles noch nach langer Zeit erinnern kann. Das ist ja aber auch nicht schlimm - man sieht ja auch vieles mit der Zeit dann anders und die Sachen sind ja auch nicht mehr schlimm, wenn Gras darüber gewachsen ist. So richtig schämen muss man sich ja für das meiste von früher auch nicht mehr.

Mir sind in meinem Leben schon so viele peinliche Sachen passiert, dass es mir gar nicht mehr möglich ist, mich dabei an alle Sachen zu erinnern. Dafür sind es einfach zu viele und ich muss auch sagen, dass ich froh bin, dass ich mich nicht mehr an alles erinnere. Wenn das so wäre, dann würde ich mich wahrscheinlich den ganzen Tag nur für Sachen schämen, die mir in der Vergangenheit passiert sind beziehungsweise bei denen ich mich dumm verhalten habe.

Ich bin sehr untalentiert darin, so was zu verdrängen. Von Zeit zu Zeit kommt es immer wieder hoch und man erinnert sich dann dran. Schön ist es vor allem auch, wenn andere Leute einem dabei behilflich sind. Grade auf Familientreffen werden dann doch immer die alten Geschichten ausgepackt alá "wisst ihr noch damals" und man selbst möchte dann gerne im Erdboden versinken, weil man vielleicht genau das peinliche Erlebnis endlich verdrängt hat.