Trotz guten Freundschaften anonymen Zuhörer aufsuchen?
Ich habe zwar sehr gute Freunde, die für mich da sind und mich auch durch eine schwere Zeit begleiten, allerdings habe ich nicht immer Lust mit meinen Freunden über meine Probleme oder Gedanken zu sprechen. Deswegen gehe ich auch mal in die anonyme Chatberatung oder schreibe hier im Forum. Früher habe ich auch mal bei Kummer die Telefonseelsorge angerufen, aber im Moment schreibe ich viel lieber.
Zum Teil kann ich mir schon denken, was meine Freunde mir antworten oder welchen Rat sie mir geben wollen. Außerdem möchte ich auch nicht, dass sich meine Freunde ständig um mich Sorgen machen müssen, vor allem wenn sehr negative Gedanken bei mir aufkommen. Zwar habe ich auch sehr nette Freunde, die mich ablenken und mir Gutes tun, aber nicht jeder davon ist auch ein perfekter Zuhörer. Das kann auch nicht jeder und das respektiere ich.
Ich schätze meine Freunde wirklich sehr, sie sind mir wahnsinnig wichtig und ich bin dankbar für die Hilfe, aber manchmal fühle ich mich bei einem anonymen Rat wesentlich besser. Die Neutralität und die Distanz bewirken auch wahre Wunder. Irgendwie ist es ein Nachteil, wenn ein völlig Fremder mich als Person und die ganzen Umstände nicht kennt, aber man kann das auch als Vorteil sehen.
Nutzt ihr trotz guten Freundschaften einen anonymen Zuhörer? Aus welchen Gründen sucht ihr euch einen anonymen Zuhörer aus? Oder könnt ihr euch bei fremden Leuten nicht so gut öffnen, weswegen ihr lieber in eurem Freundeskreis nach einem Zuhörer schaut?
Natürlich schreibe ich hier auch über Dinge, die mich bewegen, aber ich rede durchaus auch mit meinen Freunden darüber. Gerade die Meinung meines besten Freundes ist mir sehr wichtig und deswegen frage ich ihn bei Problemen grundsätzlich zuerst. Wir schreiben eh fast jeden Tag und da bietet es sich einfach an über alles zu reden, schreiben und so weiter. Wobei ich durchaus auch manchmal daran interessiert bin, wie die Leute hier das machen würden und das sehen.
Ich kann schon verstehen, dass man bei manchen Dingen einfach lieber mit einer fremden Person spricht. Ich denke, dass es immer darauf ankommt um was es sich handelt. Ich schreibe mir manche Dinge auch lieber von der Seele, wenn mich eben niemand kennt. Aber bisher habe ich noch keinen Gebrauch von einer Telefonseelsorge gemacht. Allerdings würde ich auch niemanden verurteilen, der dies eben mal nutzt.
Es sollte doch erlaubt sein, was einem hilft, sich besser zu fühlen. Ich denke, dass fremde Menschen auch unvoreingenommener sind und sich daher durchaus auch ein ehrliches und neutrales Urteil bilden und dementsprechend dann auch Ratschläge geben.
Natürlich gibt es Dinge die man nicht mit seinen Freunden besprechen möchte, sondern sich dann lieber einen entsprechenden anderen Zuhörer sucht der das ganze auch mal aus der Distanz mit beurteilen kann und damit komplett unvoreingenommen ist.
Freunde sind zwar nett zu haben, aber diese sagen auch nicht immer die komplette Wahrheit zu einem Thema, denn sie sind auch darauf bedacht die Freundschaft damit nicht zu gefährden. Entsprechend bei brisanten Themen kann man davon also nicht viel erwarten, einem Fremden ist das in erster Linie egal mit dem Verhältnis und spricht dann auch mal unangenehme Wahrheiten aus.
Es gibt durchaus Themen, die würde ich mit Freunden nicht unbedingt besprechen wollen, die mir Kummer bereiten. Beispielsweise nach einer Fehlgeburt würde ich nicht mit Freunden aus dem Freundeskreis darüber reden wollen. Solche immer noch Tabu Themen sind für mich schwierig. Auch weil das Gegenüber teils nicht so recht weiß, wie man reagieren soll und peinlich betretenes Schweigen hilft auch nicht weiter.
Vor allem dann, wenn den Freunden so ein Vorkommnis noch nicht selbst untergekommen ist, wird es doppelt schwer. Da sind anonyme Bekannte in Foren für Gleichgesinnte schon viel eher ein Trost, einfach weil man sich schon in den absoluten Grundproblemen verstanden fühlt. Das ist schon unheimlich viel wert. Außerdem ist es da viel leichter, sich über Gefühle zu äußern, die einen tiefen Seelen Striptease benötigen und die teils für unerfahrene außenstehende irrational wirken können, aber für andere Betroffene absolut bekannt sind.
Auch bei Krankheiten rede ich nicht so gerne über das, was mich betrifft, was Freunde angeht. In der Familie ist das schon wieder anders. Aber auch da kommt es darauf an, wer es ist. Während man seiner eigenen Stammfamilie leichter irgend etwas erzählt, bin ich bei der angeheirateten Familie da diskreter und gehe nicht in Details. Einfach weil ich davon ausgehe, dass irgendwelche Phänomene meiner Verdauung oder irgendwelche Infektionen da eher Ekel auslösen können, als zum Beispiel bei Verwandten, die einen von Kindertagen an kennen.
Mit Freunden rede ich auch über Probleme. Aber dann eher über welche, die man mit dem Chef hat. Oder dass es Probleme mit der Kinderbetreuung gibt, oder dass das Kind krank ist, dass man mit der Autowerkstatt unzufrieden ist und so weiter. Eher so unverfängliche Alltagssachen, wo man manchmal auch Zuspruch brauchen kann und manchmal Tipps aus der Schwarmintelligenz.
Mit meiner allerbesten Freundin war das damals aber ganz anders. Leider nur ist sie mittlerweile schon tot. Mit ihr konnte ich alles besprechen wie mit einer Schwester, während wir nebeneinander auf der Couch saßen und einen Tee getrunken haben. Da hatte ich auch nie das Gefühl, dass man sich da irgendwie einen Maulkorb anlegen sollte, das war schon besonders. Leider findet man für so besondere Freundschaften nur schwer wieder Ersatz in der Nähe des eigenen Wohnortes.
Ich muss sagen, dass ich nicht wirklich gut darin bin, mich fremden Menschen gegenüber zu öffnen und eben über meine Probleme zu reden. Darum rede ich eben doch lieber mit meinen Freunden, die mich kennen. Aber bei manchen Problemen verstehe ich es auch gut, wenn man eine andere Person fragt, die unvoreingenommen an die Sache herangehen kann und von der man vielleicht eher einen objektiven Rat bekommt. Das muss man dann eben einfach abwägen, was einem wichtig ist.
soulofsorrow hat geschrieben:Zum Teil kann ich mir schon denken, was meine Freunde mir antworten oder welchen Rat sie mir geben wollen.
Ich finde, dass du hier einen sehr wichtigen Punkt angesprochen hast. Irgendwann kennt man sich gut genug, dass man eben weiß, was die Freunde sagen oder wie sie reagieren würden. In manchen Situationen oder bei manchen Problemen wäre aber ein anderer Denkansatz durchaus interessant. Fremde Menschen, mit denen man dann darüber spricht, können einen neuen Impuls liefern und eine völlig neue Sicht eröffnen, die durchaus vorteilhaft sein kann. Daher finde ich es nicht schlimm, wenn man nicht alles mit Freunden besprechen möchte.
Ich glaube, dass es immer darauf ankommt, ob man sich lieber bei seinen Freunden oder bei anonymen Leuten ausheult. Je nachdem, wie die Situation ist, kann man sich manchmal gar nicht mit den Freunden darüber unterhalten, so schade es auch ist, weil es entweder sie selbst auch betrifft oder weil sie vielleicht schon "befangen" sind, entweder im positiven oder im negativen Sinne. Für manche Entscheidungen braucht man einfach jemanden, der einem mit Rat und Tat zur Seite steht, der die ganzen Leute nicht persönlich kennt und dementsprechend eine Entscheidung treffen kann, die unbefangen ist.
Ansonsten kann ich nur sagen, dass ich es doch bevorzuge mich bei meinen Freundinnen auszuweinen, wenn ich etwas habe. Ich habe doch ein paar sehr gute Freundinnen, die sich untereinander nicht oder nur kaum kennen, das kann ich dann dafür nutzen, wenn ich eine neutrale Einschätzung haben möchte. Diese Leute kennen dann zwar nicht die anderen Leute, um die es geht, aber sie kennen mich und können in einem gewissen Rahmen einfach einschätzen, was für mich und meine derzeitige Situation am besten ist. Obwohl die Anonymität auch Vorteile hat, so wird sie nie den Rat eines wirklich guten Freundes ersetzen können.
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