Sind Frauen mit Kopftücher erfolgreicher?
Ich lebe seit ungefähr eineinhalb Jahren in der Türkei und das liegt daran, weil hier die Familie von der Seite meines Vaters ist. Ich finde die Türkei wirklich klasse und lebe auch sehr gerne hier. Es gibt natürlich auch ein paar Unterschiede zu Deutschland, aber diese stören mich überhaupt nicht. Ein Unterschied wäre zum Beispiel, dass mehr Frauen Kopftücher tragen, als in Deutschland. Das finde ich auf gar keinen Fall schlimm, habe mir aber schon öfters folgende Gedanken gemacht.
Es ist ja oft so, dass Frauen die Kopftücher tragen, auch sehr streng muslimisch sind. Das wird dann oft damit in Verbindung gebracht, dass die Mädchen beziehungsweise Frauen was Jungs und Beziehungen betrifft, sehr zurückhaltend sind und meistens erlaubt es die Familie auch gar nicht, eine Beziehung zu haben. Das würde ja dann heißen, also für mich, dass solche Frauen sich mehr auf andere Sachen konzentrieren können, wie zum Beispiel Schule, das Studium oder so. Dann könnte man auch, wenn man das jetzt logisch betrachtet, erfolgreicher sein, da man nicht von anderen Sachen abgelenkt wird. Was haltet ihr von diesem Gedankengang?
Ich glaube nicht, dass an dem Gedankengang was dran ist, denn wenn ich an meine Schulzeit denke, waren viele Mädchen mit Kopftuch die schlechtesten Schülerinnen der Klasse, was teilweise wohl an Verständigungsschwierigkeiten lag, teilweise aber auch daran, dass sie sich einfach nicht konzentrierten.
Grundsätzlich glaube ich nicht, dass man von der Religion oder der Kleidung (Kopftuch) auf die Konzentrationsfähigkeit schließen kann. Wenn man gedanklich abwesend ist, dann kann man noch so viele Kopftücher tragen, dann schafft man es nicht sich zu konzentrieren. Für die Frauen in der Türkei wird es wohl auch einfach Normalität sein, dass sie mit Kopftuch herumlaufen müssen, ich denke das auch diese Frauen Möglichkeiten der Ablenkung finden.
Ja, wenn das Leben immer so einfach wäre, dass man alles in 1:1 Beziehungen setzen könnte, das wäre toll. Aber ich bin der Ansicht, dass gerade die Kopftuchproblematik extrem vielschichtig ist so dass man da kaum etwas über einen Kamm scheren kann.
Hier in Deutschland ist das mit den Kopftuchträgerinnen auch noch anders geartet als in der Türkei selbst. Interessant ist es, dass es in der Türkei bis vor kurzem sogar verboten war, an der Universität Kopftuch zu tragen. Inzwischen hat sich das geändert. Ich kann mir gut vorstellen, dass es noch einige Professoren gibt, die das nicht gut finden, wenn sich ihre Studentinnen verhüllen und sich zur Religion und nicht nur zu der Wissenschaft bekennen. Beweisen kann ich das allerdings nicht, schließlich bin ich kein Insider und kann mich nur auf Zeitungsartikel stützen, die ich gelesen habe.
Außerdem weiß ich nicht, ob in der Türkei trotz allem Fortschritt schon wirklich annährend so etwas wie Chancengleichheit für Frauen herrscht. Die Zahlen sprechen da eine andere Sprache. Auch wenn die Frauen da von Männergeschichten fern gehalten werden, heißt das ja nicht zwangsläufig im Umkehrschluss, dass die Eltern sich besonders um die Förderung ihrer Bildung kümmern. Genauso gut könnte man auch schlussfolgern, dass viele Eltern versuchen die Mädchen bestmöglich zu behüten und am einfachsten geht das, wenn man sie im häuslichen Umfeld hält und von zu viel Bildung möglichst fern hält.
Zudem ist meines Wissens die Situation in der Türkei extrem inhomogen. Es gibt noch extreme Unterschiede zwischen zwischen der Situation der Frauen auf dem Land und in der Stadt. Was man so liest, haben Frauen in der Stadt bessere Chancen als welche in ländlicher Umgebung. In wie fern das wieder mit der Anzahl der Kopftuchträgerinnen zusammen hängt, weiß ich nicht.
Mit der sogenannten Ablenkung kann man hier nicht direkt rechnen, denn es gibt mit Sicherheit noch ganz andere Faktoren. Einige Frauen können Wissen schon ohne jegliche Anstrengung aufnehmen und für sich verarbeiten. Andere haben dafür auch ausreichend Zeit, damit sie erfolgreich lernen können. Wieder andere Frauen bekommen beim Lernen auch viel Unterstützung von Bekannten und Freunden. Dieser gesamte Personenkreis ist dann auch sehr erfolgreich keine Frage.
Wo diese Punkte nun nicht so in Erscheinung für die Außenwelt treten, wird auch oft kein Erfolg gesehen. Dann betrachtet man sehr oft nur die Sache sehr einseitig. So wird dann wirklich nur geglaubt, dass nur ein bestimmter Personenkreis auch wirklich nur erfolgreich sein kann.
Nein, ich halte diesen Gedankengang auch nicht wirklich für logisch. Ich kenne nun keine muslimischen Mädchen oder Frauen, kann mich also nicht direkt darauf beziehen, aber wenn man sich deinen Gedankengang ansieht, müsste man ja davon ausgehen dass jede/r der keine Beziehung führt, also dadurch Ablenkung hat, erfolgreicher ist; und das sehe ich nicht so.
Es gibt viele Jungs oder auch Mädchen die lange gar kein, oder nur wenig Interesse daran haben eine Beziehung einzugehen, oder eben auch die, die einfach niemanden finden, vielleicht weil sie eher Eigenbrötler sind. Ich selber hatte auch erst relativ spät und danach auch wenige Beziehungen und war trotzdem eher schlechtes Mittelmaß in der Schule. Man könnte annehmen dass ich mich darauf besonders hätte konzentrieren können, aber nein - zu guten Noten und Erfolg gehört doch mehr als eine fehlende Beziehung.
Ablenkung gibt es immer, egal durch was. Auch kann fehlendes Interesse an der Schule zu schlechten Noten führen, es kann sogar sein dass man mangels eines Partners abrutscht, weil man sich eigentlich gerne eine Beziehung wünscht. Es gibt viele Gründe warum man nicht gut in der Schule ist, aber der Gedankengang den du hast sehe ich als falsch an.
Bei der Frage, ob jemand schulisch erfolgreicher ist als andere Schüler, gibt es ja etliche Faktoren. Kleidung mag vielleicht in einigen Einzelfällen auch ein Faktor sein, viel wichtiger sind allerdings andere Faktoren, aber darauf sind hier ja schon einige Leute eingegangen. Zwei Gedankengänge hätte ich allerdings doch noch zu der Frage, ob man vom Kopftuchtragen oder von einer größeren Sittenstrenge direkt auf einen potentiell größeren schulischen Erfolg schließen kann, oder nicht.
Ein Gedanke, der mir direkt kam, war, dass es durchaus so sein kann, dass Leute, die in der Pubertät nicht nur Liebesdinge im Kopf haben, schulisch besser dran sind, als die, die extrem verliebt sind und ihrem Partner zuliebe die Schulaufgaben vernachlässigen. Ja, ich habe es wirklich auch selbst in meiner Klasse erlebt, dass es Mädchen gab, die erst mit 18 Jahren oder später ihre ersten Beziehungen hatten, und die davor tatsächlich sehr viel Freizeit für die Schule übrig hatten, eben auch mangels zeitaufwändigen Beziehungen. Das ist sogar irgendwie logisch, denn der Tag hat nun einmal nur 24 Stunden, und eine Beziehung frisst sehr viel Zeit. Allerdings ist es nun so, dass man nicht pauschalisieren kann, dass Beziehungslosigkeit automatisch bedeutet, viel Zeit für die Schule zu haben, denn es gibt ja auch viele andere Dinge, beispielsweise unterschiedlichste Hobbies, die einem Zeit rauben.
Ein anderer Gedanke war, dass Kopftuch und strenge Eltern in der Praxis nicht unbedingt bedeuten, beziehungslos zu sein. Beziehungen kann man auch heimlich führen, was aber natürlich anstrengender ist, als wenn man eine Beziehung ganz offen und selbstverständlich führen "darf". Aber wenn die Liebe nun einmal kommt, was soll man tun? Sicherlich könnte man sich zwingen, darauf nicht einzugehen, aber für sonderlich gesund halte ich das auch nicht, sich gegen die eigenen Gefühle zur Beziehungslosigkeit zu zwingen, obwohl man jemanden liebt, und diese Liebe sogar auf Gegenseitigkeit beruht. Ehrlich gesagt finde ich so eine erfüllte Liebe auch viel zu wertvoll, um sie sich verbieten zu lassen. Natürlich kann man sagen, bei Teenies sei das ja noch nichts so Ernstes. Aber auch das lässt sich nicht verallgemeinern. Der Mann, mit dem ich mit knapp 16 Jahren zusammenkam, wurde später mein Verlobter. Wir haben acht Jahre zusammen gelebt. Das war meine erste wirkliche Beziehung und bei ihm sah das nicht anders aus. Es kann also durchaus auch etwas Ernstes sein, selbst in diesem Alter.
Daher möchte ich noch einmal betonen, dass ich es absolut nicht sinnvoll finde, extrem restriktiv auf sein Kind einzugehen und ihm Liebesbeziehungen zu verbieten, in der Hoffnung, dann wäre es besser in der Schule. Sicher ist Schule wichtig und Beziehungen können bei Teenagern sehr schnell wieder enden, aber ich halte es für seelisch sehr schädigend, Beziehungen zu verbieten. Ausnahme mag sein, wenn der Partner offensichtlich schwer drogenabhängig oder kriminell ist und das Kind da mit hinein zieht. Da sollten Eltern sich natürlich einmischen. Aber um diese Sonderfälle geht es hier ja nicht.
Ich halte diesen Gedankengang für ziemlich unlogisch. Denn das müsste dann ja bedeuten, dass alle anderen Menschen, die in einer Beziehung sind, total unerfolgreich sind - also überspitzt gesagt, alle Singles Gymnasiasten und Karreiremenschen und die aus einer Partnerschaft haben alle Hauptschulabschluss bzw. Abgangszeugnis. Ich sehe da nicht den geringsten Zusammenhang und verstehe auch gar nicht, wie man darauf kommt.
Es kann doch auch genauso gut sein, dass man durch den Partner sehr erfolgreich sein kann, weil dieser einem den Rücken frei hält. Diesen Vorteil hätten Singles so gar nicht. Ich denke, dass das eher vom Charakter abhängig ist und von der Erziehung und nicht primär von der Religion an sich.
Eigentlich braucht jeder nur Ilkay Gündogan bei Wikipedia aufzurufen und sich die Artikel diverser Zeitungen zum Thema Kontroverse auszusuchen. Dort steht eigentlich sehr klar drin, wie es in der Türkei abläuft. Wer erfolgreich sein will, muss sich mit der AKP von Erdogan arrangieren. Für Frauen bedeutet dies Kopftuch. So läuft es eben in Ländern der Dritten Welt ab.
Gündogan hat in der Türkei ein Einkaufszentrum gebaut. Zum Schutz seiner Investitionen war ein Auftritt mit Erdogan praktisch überlebensnotwendig. Ansonsten hätte es wohl zahlreiche Beschwerden seitens der Behörden für sein Projekt gegeben. Ich empfehle jedem den Artikel von der Welt "Gündogan und die Nähe zur türkischen Polit-Elite".
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