Sind Migranten nur Deutsche bei guter Leistung?

Mesut Özil ist in den Schlagzeilen wegen seinem Statement gestern Abend und seinem darauf folgenden Rücktritt aus der Fußballnationalmannschaft. Er wird zitiert mit den Worten "In den Augen von Grindel (DFB-Präsident) und seinen Helfern bin ich Deutscher, wenn wir gewinnen, aber ein Immigrant, wenn wir verlieren". Das erinnerte mich an ein Zitat, das ich von Einstein mal gelesen habe und das dazu passt:

Wenn ich mit der Relativitätstheorie recht behalte, werden die Deutschen sagen, ich sei Deutscher, und die Franzosen, ich sei Weltbürger. Erweist sich meine Theorie als falsch, werden die Franzosen sagen, ich sei Deutscher, und die Deutschen, ich sei Jude.

Ich finde nun nicht, dass Einstein mit anderen Worten das aussagt, was Özil sagen möchte. Denn Einstein stammt aus einer jüdischen Familie, die schon seit vielen Generationen in Süddeutschland gelebt hat. Die wurden schon ewig nicht mehr als Migranten angesehen, es störte nur der Glaube. Nach rund 200 Jahren gehört man nämlich dazu.

Einstein hat die Staatsbürgerschaft gewechselt wie andere die Unterhosen. Er war zwischendurch staatenlos und ist nach der Machtergreifung ausgebürgert worden, obwohl er vorher selbst verzichtet hat.Wenn Einstein das so gemeint hätte, dann hätte er auch auf Österreich, die Schweiz oder die USA anspielen müssen, deren Staatsbürgerschaft er auch zeitweise hatte. Er spielt aber auf die Feindschaft zwischen Deutschland und Frankreich an und auf die Tatsache, dass man im Dritten Reich bei genug Erfolg über den jüdischen Glauben hinweggesehen hat. Die jüdischen Deutschen waren schließlich keine Migranten, die hatten den "falschen" Glauben.

Generell wird man nicht mehr als Migrant angesehen, wenn sich eine Gesellschaft nicht mehr an die Herkunft erinnert. Nimm das Ruhrgebiet vor gut 100 Jahren. Was hat man sich über die "Pollacken" aufgeregt. Die hatten die deutsche Staatsbürgerschaft. Trotzdem wurden Vereine und Versammlungen überwacht, Polnischunterricht verboten und gezetert wie später bei den türkischen Gastarbeitern und heute bei den Flüchtlingen.

Und heute? Schaut man in ein Telefonbuch im Ruhrgebiet, denkt man, man lebt in einer polnischen Enklave. Dabei haben viele ihre Namen eingedeutscht. Aber niemand hält diese Familien heute für zugezogen. Es wird auch niemand mehr schief angesehen, weil er katholisch ist. Bleibt die frühere Herkunft dagegen richtig sichtbar, wird das immer für Irritationen sorgen. Wer dunkelhäutig ist, kann seit Jahrhunderten hier leben. Es wird hierzulande immer angenommen werden, dass er sozusagen erst gestern aus Afrika gekommen ist.

Inzwischen will der liebe Herr Özil heiraten. Ehrengast soll laut einer türkischen Zeitung Erdogan sein. Es gibt sogar schon wieder ein schönes Foto mit Erdogan im Wahlkampf. Meiner Ansicht nach hat Özil es leider geschafft, hier viele Gutgläubige zu täuschen. Die Kritik war nur vorgeschoben.

Aber im Kern hatte er denke ich schon nicht Unrecht mit seiner Kritik. Es ist ja doch schon so, dass es viele Deutsche gibt, die dauernd über Migranten meckern und sie als Ausländer bezeichnen und das schon vor der Flüchtlingswelle und dann aber die ersten sind, die den Sportler zujubeln wenn sie gewinnen. Man muss sich doch nur anschauen, wer bei Weltmeisterschaften oder olympischen Spielen alles so Medaillen für die Bundesrepublik Deutschland holt. Das ist ja ein bunter Haufen aus aller Herren Länder mit Sportler, die sogar teilweise nur wegen ihrem Sport eingebürgert werden. Und da gibt es dann eigentlich so gut wie nie irgendwelche Sprüche, wenn die dann Medaillen holen. So ganz weit hergeholt ist die Kritik also nicht.

Wobei man natürlich genauso dazu sagen muss, das Özil wohl jetzt nicht so der Vorzeigemigrant ist, wie er sich da gerne hinstellen würde. Er hat ja scheinbar genauso berechnend agiert als er die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen hat und sich für die deutsche Nationalmannschaft entschieden hat. Und auch sonst hat Mesut Özil glaube ich so richtig gar keine Vorstellung wie es sich als Migrant in Deutschland lebt. Er hatte sich doch als Jugendlicher schon vom Durchschnittsleben in Deutschland verabschiedet und hat wohl seit 20 Jahren nicht mehr in einem deutschen Arbeiterviertel gelebt.

Der Fall Özil ist doch nur das negative Sahnehäubchen nach einer Reihe von Ereignissen: die Drohungen bei der Armenierresolution, die Erziehung durch die DITIB, die Spionagevorwürfe oder die Gebete für Afrin und vor allem die 65 Prozent zum wiederholten Male für Erdogan. In Wahrheit ist die Integration der Türken gescheitert und viele wollen es nicht wahr haben.

Wenn man ab 2014 gefragt hätte, wer in Deutschland für eine gelungene Integration steht, wäre der Name Özil wohl am Häufigsten aufgetaucht. Und wie sieht es jetzt aus? Wie im Fall Mustafa Erkan hat man schnell mal die Seiten gewechselt als es mal nicht so lief. So etwas stärkt das Vertrauen in unsere türkischen Mitbürger ungemein und zeigt doch, dass unsere Vorstellungen von Staatsbürgerschaft und Integration nicht funktionieren. Da nun die Jahrgänge kommen, wo ganze Klassen nicht mehr deutscher Herkunft sind, stellt sich die Frage nach der Besetzung sicherheitsrelevanter Posten wie zum Beispiel bei der Polizei.