Macht Sesshaftigkeit sich besser bei Bewerbungen?
Ich habe vor einigen Wochen einen sehr interessanten Zeitungsartikel gelesen, der mich seitdem noch immer etwas beschäftigt. Es ging in dem Artikel um den "Trend", so viel erleben zu wollen wie nur möglich, wobei es dazu gehören würde, möglichst viel Auslandserfahrung zu sammeln. Gerade bei Studenten sei dieser "Trend" weit verbreitet. Es sei angesagt, sofort nach der Schule von zu Hause auszuziehen, an möglichst vielen Orten zu wohnen und möglichst viel Erfahrung im Ausland zu sammeln. Wer nach der Schule noch jahrelang am gleichen Ort wohnen würde, würde schnell als langweilig angesehen werden.
Die Autorin des Artikels schrieb, dass dieser "Trend" nun langsam im Rückzug sei. Entgegen der Annahme, möglichst viele Umzüge und Auslandserfahrungen würden für Anpassungsfähigkeit, Offenheit und Weiterentwicklung stehen, würden sie zeigen, dass man einfach schnell gelangweilt von einem Ort und damit auch von einer Arbeit sei. Wenn man so wechselhaft sei, würde das bedeuten, dass man sich noch nicht selbst gefunden und sich im Leben noch nicht richtig "ausgetobt" hätte. Von daher würde es nun immer besser bei Bewerbungen ankommen, wenn man sesshaft sei und schon seit einigen Jahren am gleichen Ort leben würde, ohne ständig umgezogen zu sein.
Was haltet ihr von diesen Aussagen? Denkt ihr, dass sich Sesshaftigkeit tatsächlich besser bei Bewerbungen macht, als jede Menge Umzüge und Auslandserfahrungen?
Also ich finde wenn man viel Erlebt hat ist das besser. Ich meine es zeigt ja schon ein gewisses Maß an Reife, wenn man schon an vielen verschiedenen Orten der Welt war und dort alleine zurecht gekommen ist. Ich würde viel darum geben mal ein Jahr in die USA zu können. Schwärm
Ich denke es kommt darauf an, um welchen Job es sich handelt. Wenn man für die UNO oder WHO oder andere internationale Organisationen arbeiten möchte, sind Auslandserfahrungen und damit verbundene Sprachkenntnisse garantiert von Vorteil. Da wird es bestimmt nicht gut ankommen, wenn man dann die ganze Zeit "sesshaft" an einem Ort verbringt und auch nicht weg will wegen was auch immer.
Wir hatten mal in einem Berufsfeldseminar einen Mann zu Besuch, der für die UNO gearbeitet hat und von seinem Job erzählt hat und der hat eben auch erzählt, wie viel er unterwegs ist und ständig in anderen Ländern zu tun hat. Er hat auch kritisiert, dass es sehr problematisch ist, unter solchen Umständen eine eigene Familie zu haben, da die Kinder schlecht alle paar Monate eine neue Kita besuchen können.
Wenn man Diplomat einer Botschaft sein möchte dann ist das auch nur bedingt von Vorteil. Da sind Auslandserfahrungen schon sinnvoll, aber nur wenn es eben nicht so viele waren und dann auch noch langfristig der Fall war. Eine Freundin von mir hat eine Zeit lang mit dem Gedanken gespielt, Diplomatin im Ausland zu werden. Für welche Botschaft weiß ich nicht, da sie mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt.
Aber sie hat dann herausgefunden, dass sie dann mindestens 12 oder 15 Jahre im jeweiligen Land leben müsste und dass das eine obligatorische Voraussetzung für diesen Beruf ist. Da kommt es sicherlich gut an, wen du sehr lange an einem Ort bleiben und dich eben anpassen kannst anstatt wie ein "Grashüpfer" alle paar Monate das Land zu wechseln.
Ich frage mich gerade, ob man wirklich aus bisher fehlender Sesshaftigkeit schließen kann, dass man sich selbst noch nicht gefunden hat, nicht ausdauernd ist oder ähnliches. Das empfinde ich doch als sehr zweifelhaft. Gerade Studenten nutzen vielleicht die Studienzeit für viele Erfahrungen, wohlwissend dass später so viele Wohnortwechsel eher schwierig sind.
Prinzipiell ist aber die Frage der Sesshaftigkeit aus meiner Sicht weniger spannend in der Bewerbung. Es ist ja auch denkbar, dass man über viele Jahre bei einem Arbeitgeber beschäftigt ist, privat aber häufig den Wohnort wechselt. Das bekommen die wenigsten Arbeitgeber einfach so mit, wenn der Arbeitnehmer das nicht möchte. Umgekehrt kann man auch lange an einem Wohnort verweilen, aber häufig den Arbeitgeber wechseln. Das bleibt bei einer Bewerbung nun einmal nicht verborgen, muss aber auch nicht in der Person des Bewerbers begründet liegen.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Sesshaftigkeit bei der Auswahl von Bewerbern in den meisten Fällen eine, wenn überhaupt, untergeordnete Rolle spielt. Viel eher kommt die Frage, ob man bereit sei, zum Arbeitsort zu ziehen, wenn man sich einfach weiter entfernt vom bisherigen Wohnort bewirbt. Bei verschiedenen Berufsgruppen ist auch die Frage der Reisebereitschaft für den Arbeitgeber von Interesse.
Kommt es nicht eher darauf an, wie oft man den Standort wechselt? Ich meine, wenn man gefühlt alle zwei Monate umzieht und den Job wechselt, dann kommt das sicherlich nicht gut an. So wirkt man nicht gerade ausdauernd und als würde man (vermutlich) bei jeder Kleinigkeit direkt hinwerfen wollen. Aber wenn man einige Jahre am selben Standort verbringt ist das doch was völlig anderes.
In meiner Branche ist man oft befristet eingestellt und dann noch für bestimmte Projekte. Da kann es sein, dass man nach jedem Projekt, also alle 3 Jahre ungefähr, umziehen muss. Ich wüsste nicht, was daran so negativ sein soll. Manchmal sind es eben die Umstände, die einen dazu zwingen. Daher sollte man das immer vom Einzelfall abhängig machen und nicht pauschal ein Urteil bilden.
Da spielt so vieles eine Rolle. Manche Berufsfelder erfordern Auslandserfahrungen und die Bereitschaft zu reisen, andere wiederum nicht. Ein Auslandssemester kann bestimmt nicht schaden, bringt aber außer guten Sprachkenntnissen des jeweiligen Landes nicht die riesengroßen Vorteile, die man sich davon erhofft. Auch spielt wahrscheinlich die Länge der Auslandsaufenthalte eine Rolle. So pauschal kann man das nicht sagen.
Trends und Statistiken sind das eine, aber meiner Erfahrung nach kommt es immer auf die konkreten Werte und Vorlieben des jeweiligen Arbeitgebers, manchmal sogar der konkreten Person, die deine Bewerbung durchliest oder mit dir spricht, an. Für den einen sind Auslandsaufenthalte oder längere Reisen kindischer Firlefanz, weil er/sie mit 16 ganz unten angefangen hat und "das gab es bei uns alles nicht, und wir sind trotzdem was geworden". Andere waren vielleicht im Studium auch in Kanada und finden dich alleine deswegen spontan sympathisch, auch wenn diese spezielle Erfahrung deiner Arbeit an sich nicht viel bringt.
Generell habe ich sowieso den Eindruck, dass für manche Branchen es als zwingend notwendig vorausgesetzt wird, dass man etwas von der Welt gesehen hat, aber in vielen anderen Branchen es mehr als nette Zugabe gesehen wird. Mittlerweile ist es gerade im Studium wahrhaftig kein Alleinstellungsmerkmal mehr, mit dem man zukünftige Chefs beeindrucken kann.
Die wissen alle mittlerweile, dass ein Semester ERASMUS in vielen Fällen Party und eventuell marginal verbesserte Sprachkenntnisse bedeutet, was im Fall von Englisch auch nichts mehr heißen mag. Das kann wirklich jeder. Da ist es vielleicht sogar besser, wenn jemand statt dessen nachweisen kann, dass er/sie das Studium straff durchgezogen und nebenbei noch interessante private Projekte oder Praktika in der Heimat übernommen hat, während sich andere in der Zeit irgendwo im Ausland vergnügt haben.
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