Identifiziert ihr euch mit eurem Arbeitsplatz und Firma?
In heutigen Zeiten erwartet man ja vermehrt von den Arbeitnehmern eine möglichst 100-prozentige Identifikation
mit der Firma. Gerade auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten setzt man da natürlich auch oftmals eine gewisse Opferbereitschaft (gerade bei Arbeitszeiten und Lohnverzicht) voraus. Ich für meinen Teil sehe das nicht so wirklich ein und lasse das unternehmerische Risiko bestimmt nicht auf meine Knochen abwälzen.
Und wenn mein Arbeitsplatz dann futsch ist, dann ist es halt so, auch auf die Gefahr hin, dass man mir vorwirft ich würde nicht hinter meiner Firma stehen. Wie seht ihr denn einen derartigen Sachverhalt? Inwieweit identifiziert ihr euch mit eurem Arbeitsplatz und Firma, würdet ihr in Krisenzeiten auch gravierende Verschlechterungen nur des Firmenerhalts wegen schlucken?
Identifikation auf einer Seite ja. Ich empfehle unsere guten Produkten auch meinen Freunden. Aber das die Mitarbeiter Risikobereitschaft der Firma auffangen sollen, finde ich jetzt übertrieben. Da kann ich mich ja gleich selber Selbständig machen. Die meisten Arbeiten ja in einer Firma damit sie nicht dieses Risiko haben.
Ich habe mich früher sehr stark mit meinem Arbeitgeber identifiziert und bin sehr gerne zur Arbeit gegangen. Ich hatte auch gerne mit den Kollegen zu tun und die Aufgaben an sich haben mir sehr viel Spaß gemacht, sodass es mir gar nicht wie Arbeit vorgekommen ist. Es war eher so als ob man für ein Hobby bezahlt wird.
Aber seit fast einem Jahr ist alles anders, seit wir die neue Leitung haben, die alles auf links gekrempelt hat. Ich arbeite nicht mehr mit den bestimmten Kollegen zusammen wie früher und bin quasi von der Projektebene auf die administrative Ebene verfrachtet worden und ich hasse administrative Aufgaben. Ich sehe jetzt zu, dass ich so oft wie möglich Außendienste mache und sehe zu, dass ich Land gewinne. Nach außen hin tue ich so als fände ich alles toll, aber innerlich werde ich die nächste Gelegenheit zum Absprung ergreifen.
So halbwegs, würde ich sagen. Es ist schon ganz angenehm, wenn man sich für den Job nicht allzu sehr verstellen muss, Loyalität heucheln und so tun, als seien die im Unternehmen vertretenen Werte und Ideale auch die eigenen, obwohl man sie zum Erbrechen findet. Aber letzten Endes geht es mir ums Geld, und ich finde daran auch nichts Verwerfliches. Meinem Arbeitgeber geht es dagegen um meine Leistung, und so entsteht ein halbwegs(!) fairer Kuhhandel. Das meiste Drumherum, dass man sich "identifizieren" muss und so weiter, ist sowieso nur Heuchelei, und das wissen normale Vorgesetzte genauso wie die Belegschaft. Ich betrachte dies sozusagen als offenes Geheimnis.
Umgekehrt identitfiziert sich das Unternehmen ja auch schon lange nicht mehr mit seinen Mitarbeitern. Die Zeiten sind lange vorbei, als man sich stolz als "Kruppianer" oder "Siemensler" gesehen hat und dem Patriarchen treu ergeben war, der sich wiederum "väterlich" um seine Mannen gekümmert hat. Würde ich heute tot umfallen, säße in sechs Wochen jemand anders an meinem Platz und nur meine drei unmittelbaren Kollegen würden den Unterschied überhaupt merken. Deswegen würde ich auch nur dann "Opfer" für den Laden bringen, wenn ich wirklich keine andere Alternative sehe und mir ohne den Job die Obdachlosigkeit droht oder ähnliches.
Gerbera hat geschrieben:Die Zeiten sind lange vorbei, als man sich stolz als "Kruppianer" oder "Siemensler" gesehen hat und dem Patriarchen treu ergeben war, der sich wiederum "väterlich" um seine Mannen gekümmert hat.
Zu Beginn meines Berufslebens habe ich tatsächlich als Siemensianer angefangen, und in den allerersten Jahren fühlte es sich auch fast so an, als ob man zu einer großen Familie gehören würde. Doch dann begannen die Einsparmaßnahmen, die jedes Jahr gravierendere Ausmaße annahmen, bis schließlich die Leute reihenweise ihre Jobs verloren. Das dem Arbeitgeber entgegengebrachte Loyalitätsempfinden hatte keine Gegenliebe erzeugt.
Inzwischen habe ich längst einen anderen Arbeitgeber, aber ein echtes Gefühl der Identifikation stellt sich nicht mehr ein. Mir ist viel zu bewusst, dass ich letztlich für den Arbeitgeber nur ein winziges Bausteinchen bin, das jederzeit ersetzt werden kann. Dementsprechend hält sich meine Loyalität in Grenzen.
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