Zum Renteneintritt einen Neuanfang planen?
Ich habe einen sehr netten Kollegen den wir jetzt zu seinem 65. Geburtstag in den Ruhestand verabschiedet haben. Bei seiner Abschiedsrede teilte er den verblüfften Zuhören mit dass er seine Zelte hier abbrechen wird und weit entfernt in den Süden Deutschlands zieht. Er verkauft sein Haus und seinen liebgewonnen exotischen Garten, verlässt seine Freunde und Organisationen wo er mitwirkte und baut ein neues Haus. Die Kinder sind natürlich schon groß und gehen ihre eigenen Wege und sind kein Grund hierzubleiben. Ihn interessieren die Gegend und die kreativen Möglichkeiten die sich bietet.
Ich halte den Schritt in diesem Alter für sehr mutig. Mal abgesehen von dem Stress eines Hausbaus und einer kompletten Neueinrichtung sehe ich doch einige andere Probleme. Die langgewachsenen Freundschaften oder der kleine Plausch mit Bekannten die man auf der Straße trifft sind einfach nicht mehr, dort wo er hinzieht wird man als Hinzugezogener für mindestens die nächsten dreißig Jahre scharf beäugt. Manche Rentner fallen in ein tiefes Loch wenn sie auf einmal nicht mehr zur Arbeit gehen müssen, das können fast immer nur die Freunde oder die Hobbys kompensieren. Alles was man hier in den letzten vierzig Jahren aufgebaut hat lässt man damit hinter sich, mich würde das sehr schmerzen.
Ich persönlich würde mir auch einen solchen Schritt generell nicht zutrauen, was haltet ihr aber davon?
Das ist sicher ein mutiger Schritt. Aber das ist ja ähnlich dem, was auch viele andere Rentner machen, die dann den sog, Lebensabend im südlichen Ausland verbringen wollen und die Zelte in Deutschland abbrechen und eben sogar dem Land den Rücken kehren.
Wieso aber es jetzt glaubt, wirklich ein neues Haus bauen zu müssen, ist hier der einzige Punkt, bei dem ich einhaken würde. Es ist natürlich niemandem zu wünschen, aber auch er hat ja nicht die Gewähr, dass er in 5 Jahren noch immer so fit ist, wie er sich u.U. jetzt fühlt. Und dann hätte er mit der Aktion viel Geld und Kraft falsch investiert. Außerdem ist es unwahrscheinlich, dass er den Platz braucht, wenn die Kinder aus dem Haus sind und er nicht plant, die Enkel bei sich groß zuziehen.
Vernünftiger wäre daher, sich eine Wohnung zu mieten oder - weil das Geld vermutlich vorhanden ist - sich eine Gartenwohnung zu kaufen. Natürlich könnte er auch ein bestehendes Haus kaufen, was immer noch (wahrscheinlich) stressfreier sein dürfte, als eines zu bauen. Wobei da ja immer noch die Frage im Raum steht, wozu er den Platz benötigen würde. Es macht vermutlich sogar eher Trübsinnig, allein in einem Palast zu wohnen.
Was das Beziehungsgeflecht angeht, traue ich hingegen jedem zu, genügend neue Bekanntschaften zu schließen. Wobei man das natürlich als Rentner dann wesentlich aktiver angehen muss, als wie ein Angestellter. Schließlich fallen die erzwungenen Bekanntschaften (Kollegen) weg. Aber durch Engagement in den örtlichen Vereinen oder Initiativen, die VHS oder ähnliches sollte auch im fortgeschrittenen Alter das Kennenlernen von anderen, über die dann wieder neue Leute kennen gelernt werden, leicht möglich sein.
Wie fest die aktuellen Beziehungen und Freundschaften sind, kann man dann auch schlecht einschätzen. Immerhin verändert sich hier der Mensch, der plötzlich eben nicht mehr bzgl. eines aktiven Arbeitslebens mitreden kann. Evtl. lösen sich so die Freundschaften/Bekanntschaften über kurz oder lang sowieso. Ist ja ähnlich wie die Beziehungen von Studenten untereinander. Da mag man über zig Semester eine Freundschaft aufbauen. Aber wenn dann einer eben frühzeitig sein Studium abbricht oder beendet und ins Berufsleben startet, ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Beziehung auseinander driftet. Eben allein auf Grund der persönlichen Veränderung.
Warum nicht? Wenn einem danach ist, spricht doch gar nichts dagegen. Es gibt ja auch viele Menschen, die nach Renteneintritt dann zum Beispiel auswandern und von mir aus nach Malle gehen, weil es ihnen dort so gut gefällt. Wenn die Kinder groß sind und man nicht mehr räumlich gebunden ist, kann man doch machen was man möchte. Wichtig ist nur, dass die Entscheidung gut durchdacht ist und hinterher nicht bereut wird.
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