Wieviel Grundwissen oder Allgemeinwissen braucht der Mensch?
Wissen, so sagen einige, sei Macht. Andere meinen, man brauche gar nicht so viel zu wissen heutzutage, nur zu wissen wo man nachschauen muss. Außerdem sehen wir uns heute mit einem so breiten Spektrum an Wissen konfrontiert, dass richtig breites Wissen quer durch alle Disziplinen (und nicht nur die Fähigkeit in der großen Suchmaschine mit dem Doppel-O nachzusehen) immer unwahrscheinlicher scheint. Sogar das herkömmliche (sozusagen Basis-) Allgemeinwissen scheint heutzutage vielen (auch auf Abiturniveau bzw. auch bei Leuten mit Universitätsabschluss, wenn auch selbstverständlich nicht bei allen!) immer mehr abhanden zu kommen. Auf der anderen Seite sind die Anforderungen im Leben im Allgemeinen stark angewachsen, und das nicht nur im Beruf, sondern auch im privaten Leben.
Deswegen stehen wir uns immer wieder von Neuem vor die Frage gestellt, welches Wissen wir uns unbedingt aneignen sollten bzw. was man getrost vernachlässigen kann? Also was die wissensmässigen "Mindestanforderungen" im Leben wären bzw. was allgemein sowie individuell darunter verstanden wird? Wobei bei dieser Frage nicht zwangsläufig nur das sogenannte intellektuelle Wissen, sondern auch die sozialen Kompetenzen gemeint sind.
Das ist eine sehr komplex Frage die auch in meinen Augen nur schwer vollständig zu beantworten ist, auch hat jeder andere Lebensziele. Ich persönlich bin ein Mensch der sehr praxisorientiert denkt und arbeitet. Dabei kommt mir aber meine doch relativ gute Allgemeinbildung sehr entgegen, so gelingt es mir doch recht einfach Verknüpfungen mit dem erworbenen theoretischen Wissen und den Praxiserfahrungen herzustellen. Auf Arbeit muss ich mich ständig weiterbilden und da ist es für mich auch sehr wichtig dass ich die oft komplizierten Zusammenhänge auch verstehe. Ohne ausreichende Schulbildung und später angeeignetes Wissen würde mir das nie in dieser Breite gelingen. Ich glaube auch dass man fehlendes Wissen und eine mangelnde Allgemeinbildung zu einem späteren Zeitpunkt nur sehr schwer nachholen kann.
Ich bin überzeugt davon dass der in den Schulen vermittelte Lehrstoff viel zu umfangreich ist. Nicht jeder braucht das theoretische Wissen eines Zehntklässlers wenn sein späterer Beruf keinerlei geistige Anforderungen stellt. Hier würde ich es wirklich begrüßen dass die Schulen für einen Teil der Schüler eher praxisorientierte Kurse schafft um sie auf das spätere Leben vorzubereiten. Überhaupt ist die Praxis ein großer Lehrmeister. Theoretische Grundlagen sind gut, aber sie können nur in der Praxis unterstützend wirken wenn man auch weiß was dahinter steht. Mein Sohn als ehemaliger Gymnasiast konnte zwar die kompliziertesten mathematischen Formeln ausrechnen, aber er wusste nicht wie viel Rauminhalt denn nun ein Deziliter eigentlich hat. Überhaupt die Generation "Taschenrechner" und "Googlesucher", ich halte es für sehr gefährlich sich nur auf diese Art Wissen zu erwerben ohne sich selbst Gedanken darüber zu machen, sei es nun mangels eigener Bildung oder nur aus Bequemlichkeit. Ich bin fest davon überzeugt dass die Bildung aus dem Netz und die Einfachheit der Suche uns spätestens bei der nächsten Generation noch sehr viele Probleme bereiten wird.
Die soziale Kompetenz erwirbt man in meinen Augen auch erst später wenn man etwas reifer ist, schon viele Niederlagen hinter sich gebracht hat und wenn man überhaupt erst auf eigenen Füßen steht. Hier muss man wirklich erst einmal die Erfahrung machen dass man für sein Handeln verantwortlich ist und was eben passiert wenn ich mich so verhalte wie ich es für richtig halte. Soziale Kompetenz kann man aber in der Schule nicht wirklich lernen, da wird auch nur versucht die Grundlagen zu legen um zu vermitteln was nun gut oder schlecht ist.
Das kann man nicht pauschalisieren und ich denke, dass das immer vom Einzelfall abhängig ist. Unter manchen Umständen ist eben mehr Allgemeinwissen notwendig als in anderen Situationen. Aber was auf jeden Fall unverzichtbar ist, ist soziale Kompetenz und emotionale Intelligenz. Es bringt schließlich nichts, wenn man sehr viel Allgemeinwissen hat, aber man benimmt sich total asozial und man wird daher von der Gesellschaft gemieden.
Ich finde, es kommt darauf an, wie man "brauchen", und wie man "Allgemeinwissen" definiert. Wenn es nur darum geht, gehorsame Befehlsempfänger und willige Arbeitsdrohnen heranzuziehen, die nicht nach links und rechts schauen, sondern tun, was man ihnen sagt, ist jede Art von Bildung, die über das rein Praktische, was man zum Leben und Arbeiten braucht, natürlich eher schädlich. Man kann im Büro oder Labor seinen Mann/seine Frau stehen, Kinder großziehen und brav sein Geld so ausgeben, wie es die Wirtschaft gerne hätte, ohne jemals von Mozart gehört zu haben, oder zu wissen, wo Indonesien liegt, wer Buddha war, oder was die Vor- und Nachteile von Atomenergie sind.
Aber ich finde so ein Leben ehrlich gesagt wenig interessant und erstrebenswert. Selbst wenn man irgendwelches Schul- oder Faktenwissen nicht jeden Tag braucht, so lernt man doch, dass es "da draußen" mehr gibt als das kleine Einmaleins und die Benzinpreise. Außerdem lernt man durch den Erwerb von Allgemeinbildung im Idealfall überhaupt, wie man Wissen erwirbt und sich zu allen möglichen Themen informieren kann, und das ist heute wichtiger denn je.
Als "Mindestanforderungen" würde ich alles definieren, was man braucht um ein selbständiges, unabhängiges Leben führen zu können. Zum Beispiel so viel Mathematik, dass du deine Finanzen geregelt bekommst. Oder so viel Deutsch, dass du Formulare ohne Hilfe ausfüllen kannst und verstehst, was in deinem Arbeitsvertrag steht.
Alles andere hängt wahrscheinlich davon ab, was du für Erwartungen an dein Leben hast. Wenn ich keine Lust habe mich auf Partys stundenlang mit anderen Frauen über Schminke und Promiklatsch zu unterhalten brauche ich zwangsläufig ein gewisses Allgemeinwissen damit ich die Leute verstehe, die sich über Politik oder Wissenschaft unterhalten.
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