Nach Jahrzehnten noch Ängste aus dem Religionsunterricht
Mein katholischer Religionsunterricht liegt schon Jahrzehnte zurück. Trotzdem hat er noch negative Auswirkungen. Unser Religionslehrer war ein Dekan, der es geliebt hat, uns die Hölle mit allen Qualen realistisch darzustellen. Auch die Foltermethoden, denen die Märtyrer unterzogen wurden, beschrieb er uns genauestens, vom Fußnägelziehen über die Streckbank bis hin zum Augenausstechen.
Die Ängste, die diese Schilderungen auslösten, wirken immer noch nach. Die Jüngeren unter euch haben hoffentlich einen besseren Religionsunterricht genossen. Oder habt ihr auch tiefsitzende Ängste, die im Religionsunterricht begründet sind?
Ich hatte recht modernen Religionsunterricht und bin da auch froh darum. Immerhin glaube ich nicht an Gott und hatte diesen Unterricht da die Schule Evangelisch war. Was du da schilderst würde bei mir wahrscheinlich aber auch noch nachwirken, immerhin sind Kinder doch empfänglich für so etwas und stellen sich alles noch viel bildlicher vor. Das ist dann schwer solche Schilderungen zu überwinden.
Ich finde es schon krass, dass manche Religionslehrer offensichtlich so fanatisch sind, dass die Kinder traumatisiert sind. Solchen Lehrern sollte man die Lehrbefugnis entziehen, aber das ist nur meine Meinung. Ich hatte zwar auch Religionsunterricht bei einigen sehr religiösen Menschen, die tatsächlich glaubten, dass die Hölle existiert, aber da wurde das nie so dargestellt, dass man traumatisiert davon wurde.
Ich bin auch katholisch aufgewachsen, mit gestrengen, sündenorientierten Priestern. Aber derart drastisch haben die sich nicht geäußert, da war es mehr das Diffuse, Unbestimmte, irgendwie Schlimme, das aber auch mehr als beängstigend war. Ich habe erst nach Jahrzehnten gemerkt, wie sehr dieses Gefühl von Angst und Minderwertigkeit mich belastet hat (dank eines echten Aha-Erlebnisses), furchtbar.
@anlupa: Wie gehst du denn mit diesen Ängsten um? Mir haben Gespräche mit meinen Schwestern geholfen, weil wir feststellen konnten, dass es uns allen gleich erging. Hast du auch jemanden zum austauschen?
Mir hilft mein Verstand und der Gedanke, dass es damals vielen so ging, die diese Erfahrung gemacht haben. Man ist also mit diesen Gefühlen kein Außenseiter. Es ist ja auch kein richtiges Trauma wie bei solchen Menschen, die von Pfarrern körperlich misshandelt wurden. Ich denke, dass brutale Märchen auch viel Schaden anrichten können. Vielleicht bin ich da besonders sensibel. Die Vierteilung in Ali Baba und die vierzig Räuber ging mir als Kind auch nur schwer aus dem Kopf, während meine Schwester das lustig fand.
anlupa hat geschrieben:Es ist ja auch kein richtiges Trauma wie bei solchen Menschen, die von Pfarrern körperlich misshandelt wurden.
Ich würde das schon als Trauma bezeichnen. Als mir klar wurde, was mich all die Jahre unbemerkt so belastet hat, da bin ich in Tränen ausgebrochen und habe geweint wie noch nie in meinem Leben. Ich habe mich gefühlt, als wenn es mich innerlich zerreißen und neu zusammensetzen würde. So oder ähnlich haben sich viele gefühlt, mit denen ich gesprochen habe. Das ist doch furchtbar, oder?
Sicherlich gibt es auch in Märchen gruselige Schilderungen, allerdings glaube ich, dass es da leichter ist, sich abzugrenzen, weil die Geschichten ja irgendwann zu Ende sind, in der Regel auch mit einem Happy End. Die Protagonisten sind erfundene Figuren mit Allerweltsnamen, sie haben nicht einmal besonders individuelle Züge aufzuweisen. Ihre Schicksale bleiben bei ihnen, auch wenn ich als Leser oder Hörer daran Anteil nehmen kann. Das ist anders, wenn die Bedrohung mir direkt zugesprochen wird, von einer Autorität, die (aus Kindersicht gesehen) natürlich Bescheid weiß und die Wahrheit sagt - wobei ich deinen Dekan mit Verlaub gesagt für einen echten Sadisten halte!
Richtig schlimm finde ich übrigens die pädagogisch aufbereiteten neueren Märchen wie Struwwelpeter, Daumenlutscher und Co., die haben eine so subtile Art, Kindern ihre "Unarten" austreiben zu wollen, dass sie selbst meine Kinder, die durchaus mal den einen oder anderen Gruselfilm genießen, das Fürchten gelehrt haben. Leider wurde die in der Schule immer mal wieder vorgelesen, weil sie ja so lustig sind, haha...
Ich habe gar nicht so viel Religionsunterricht "genossen", weil es meistens alternative Angebote gab. Ich hatte die meiste Zeit über Philosophie und Psychologie. Wobei man sich da durchaus auch mit religiösen Themen beschäftigt hat, eben nur ohne Dogma.
Den Religionsunterricht habe ich glaube ich nie ernst genommen. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich die Lehrerin mal gefragt habe, wie sie in der Noah Geschichte verhindert haben, dass die großen Tiere die kleinen Tiere auf diesem Schiff fressen. Eine richtige Antwort darauf habe ich nicht bekommen und mir war deshalb schon sehr früh klar, dass Religion nichts anderes ist als ein Märchen, das nicht mal gut geschrieben ist.
Wie ich allerdings auf einen religiösen Sadisten reagiert hätte kann ich natürlich nicht sagen. Es gibt ja einen Grund warum es Altersfreigaben gibt die verhindern sollen, dass Kinder mit brutalen Gewaltdarstellungen in Berührung kommen. So etwas wirkt wahrscheinlich auch dann verstörend auf Kinder wenn sie wissen, dass es nur eine Geschichte ist.
Die Grundaussage deines Religionslehrers ist allerdings nicht falsch. Der christliche Gott ist ja eigentlich ein total psychopathischer Charakter, der dich nur liebt wenn du seinen Willen befolgst, ansonsten wirst du bis in alle Ewigkeit gefoltert. Ist natürlich nicht kindgerecht, aber wenn man sich nur die netten Passagen aus der christlichen Bibel heraus sucht stellt man diese Religion eigentlich völlig falsch dar.
Cloudy24 hat geschrieben:Die Grundaussage deines Religionslehrers ist allerdings nicht falsch. Der christliche Gott ist ja eigentlich ein total psychopathischer Charakter, der dich nur liebt wenn du seinen Willen befolgst, ansonsten wirst du bis in alle Ewigkeit gefoltert. Ist natürlich nicht kindgerecht, aber wenn man sich nur die netten Passagen aus der christlichen Bibel heraus sucht stellt man diese Religion eigentlich völlig falsch dar.
Jupp, und das passiert auch, wenn man sich nur auf die nicht netten Aussagen meist aus dem Alten Testament konzentriert. Entschuldige, ich lache dich nicht aus, das las sich gerade nur sehr erheiternd für mich. Ich kenne diese Ansichten ja und habe für mich selbst lange gedacht, dass Gott, so wie er im AT rüberkommt, definitiv keinen geeigneten Erziehungsberechtigten abgibt. Immer dieses Schmollen, Kaputtmachen, gegeneinander Aufhetzen und willkürlich Handeln. Da ich mich aber schon seit einiger Zeit mit der Bibel beschäftige, sehe ich manche Schilderungen jetzt in einem anderen Zusammenhang.
Dein Dilemma mit der Arche kann ich gut nachvollziehen. Es ist eine Geschichte mit kraftvollen Bildern, die nach Erklärungen rufen. Eine kindgerechte Antwort wäre sicher möglich gewesen, aber das hängt auch immer davon ab, wie gut die Lehrkraft mit dem Thema umgehen kann. Ich habe einige Jahre als Schulbegleiterin in einer Grundschule gearbeitet und dort eine Lehrerin erlebt, die sich einfach fantastisch in die kindliche Vorstellungswelt einfühlen konnte.
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