Hat MeToo eure Wahrnehmung und Bewertung beeinflusst?

vom 22.12.2018, 15:07 Uhr

Was genau die Mee Too Debatte bezüglich sexueller Belästigung bedeutet, muss ich vermutlich nicht mehr erklären, ich gehe davon aus, dass jeder davon gehört hat. Im Zuge dessen, als man ständig darüber hörte und las, haben viele Frauen sicherlich auch ihr eigenes Leben Revue passieren lassen und im Gedächtnis gekramt und manche haben Dinge vielleicht sogar anders oder neu bewertet.

Wenn man mich vor einigen Jahren zu dem Thema gefragt hätte, wäre ich der Meinung gewesen zum Glück nie etwas wirklich Schlimmes erlebt zu haben. Hinsichtlich meiner körperlichen Integrität und Unversehrtheit stimmt das auch weitgehend. Aber wenn ich so zurückdenke, ist die letzte Belästigung gar nicht so lange her. Und ausgehend von diesem Opa im Park, der mein Vater hätte sein können, kann ich auf eine Reihe von Ausfällen und Auswüchsen zurückblicken, die bis in mein vierzehntes Lebensjahr reichen. Manches hatte ich als das übliche Ärgernis eingeordnet, was man so wenig verhindern kann wie den fiesen Pickel vorm Vorstellungsgespräch oder ein verpasster Bus. Dinge, die fast jedem mal passieren, aber denen man abseits dieses Tages keine weitere Beachtung schenkt.

Manche Freundinnen, die etwas älter sind, behaupten sogar steif und fest, dass sie nicht im Ansatz irgendeine solche Erfahrung gemacht haben und verschließen sich dem Thema komplett. Hat die Debatte eure Wahrnehmung und Beurteilung verändert? Seht ihr manche Situationen jetzt in einem neuen Licht? Haben Frauen das Thema zu lange schulterzuckend als nicht änderbar hingenommen?

» Verbena » Beiträge: 4921 » Talkpoints: 0,32 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Ich muss sagen, dass es bei mir nichts beeinflusst hat. Ich denke schon seit Jahren, dass jeder Mensch eine andere Grenze hat und diese Grenze nicht allgemein festgelegt werden kann. Was für den einen noch harmloses Flirten ist, ist für den nächsten schon eine Form von Belästigung. Das kann niemand von vornherein wissen und dementsprechend ist es auch wichtig, dann auf sich aufmerksam zu machen - den Gegenüber wissen lassen, dass seine Annäherungen unerwünscht sind und im Zweifel auch andere Leute darauf aufmerksam machen, dass man sich in der Situation bedrängt und unwohl fühlt.

Aber vielleicht hat die Debatte auch insofern etwas gebracht, dass die Leute aufmerksamer auf ihre Mitmenschen achten und vielleicht auch Hilferufe beziehungsweise Leute, die Hilfe suchen, ernster nehmen oder auch unterschwellige Signale erkennen. Man muss ja nicht immer gleich über reagieren und die Polizei rufen, aber wenn einem jemand verängstigt oder bedrängt vorkomme, schadet es nicht, hinzugehen und zu fragen, ob alles in Ordnung ist. :)

» Hufeisen » Beiträge: 6056 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


Ich denke, dass es normal ist, dass man dann schon mehr darüber nachdenkt, ob einem selbst so etwas auch schon mal passiert ist. Mir fallen zwei Situationen ein, wobei ich eine schon als sehr schlimm erlebt habe und es auch körperlich wurde und nicht nur verbal. Ich glaube, dass sich manche gar nicht so bewusst darüber sind, wann da schon eine Grenze überschritten wurde. Das sieht vielleicht auch jeder anders oder wie du schon sagst, wird das auch oft einfach verdrängt und nicht mehr darüber nachgedacht.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Die kritische Auseinandersetzung von unangebrachtem Männerverhalten hat bei mir schon wesentlich früher stattgefunden. Neu ist, dass das Thema in allen Kreisen der Bevölkerung und in den Medien ernster genommen wird. Alice Schwarzer wurde früher entweder lächerlich gemacht oder abgrundtief gehasst. Meine Mutter hat sich immer über ihr Aussehen lustig gemacht und gemeint, dass sie so sei, wie sie ist, weil sie keinen Mann abbekommt.

Es war allerdings bei mir ein langer Prozess, bis ich kapiert habe, dass sexuelle Belästigung kein normales Verhalten ist, das man als Frau eben tolerieren muss. Es war eben normal, dass einem die Bauarbeiter auf den Baustellen hinterherpfiffen und anzügliche Bemerkungen machten, selbst als meine Schwester und ich erst zwölf und dreizehn Jahre alt waren, dass einen auf Schützenfesten fette besoffene Männer umarmten und in den Hintern kniffen und so weiter.

Es ist gut, dass das heute anders ist. Viele machen den Frauen ja den Vorwurf, dass die sich so spät erst zu Wort melden. Aber das liegt meiner Meinung daran, dass solche Verhaltensweisen früher gesellschaftlich akzeptiert waren, Belästigungen Kavaliersdelikte waren und bei Vergewaltigungen die Frau selber schuld war. Vergewaltigung in der Ehe war sogar erlaubt. Gut, dass die Zeiten heute andere sind.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



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