Mit Wissenslücken in bestimmten Fächern kokettieren?
Mir hat neulich jemand im Spaß vorgeworfen, dass ich mit meinem Mangel an geografischen Kenntnissen kokettiere. Das stimmt sogar, denn ich habe wirklich Defizite in Erdkunde und weiß nie so ganz genau, wo welches Land oder welches Gebirge liegt. Manche Leute erwähnen bei vielen Gelegenheiten, dass sie mathematisch unbegabt seien oder beispielsweise in Physik immer gefehlt haben.
Gebt ihr auch eure Wissenslücken oder fehlenden Begabungen auf mehr oder weniger spaßhafte Weise zu und kokettiert sogar damit oder verschweigt ihr das verschämt?
Erdkunde ist doch weit mehr als reine topografische Kenntnisse. Daher verstehe ich nicht, wie man das in einen Topf werfen kann. Nur, weil man in der Schule topografische Karten ausfüllen musste und Länder auswendig lernen musste mit ihren Hauptstädten? Das ist Unsinn. Ich kenne einige, die Erdkunde studiert haben und die sagen alle, dass das Auswendiglernen von Ländern und ihren Positionen sowie Hauptstädten gar nicht Inhalt des Studiums ist.
Ich persönlich muss nicht alles wissen und habe auch keine Probleme damit, das offen zuzugeben, gerade wenn es um Bereiche geht, von denen ich so gar keine Ahnung habe. Was ist so schlimm daran? Man kann schließlich nicht alles wissen, selbst Genies wie Einstein hatten sicherlich viele Wissenslücke in anderen Bereichen, die nicht ihren Fachbereichen entsprochen haben.
Wenn ich etwas nicht weiß, dann stehe ich dazu. Kein Mensch kann alles wissen und so finde ich es vollkommen in Ordnung, wenn man dazu steht nicht alles wissen zu können. Überspielen muss ich das nicht, das fällt doch auch auf. Dennoch habe ich Interesse daran zu erfahren was mein Gegenüber da so erzählt und lerne auch gerne dazu, das sage ich dann auch offen. Immerhin wird ein Thema ja nicht umsonst angesprochen und da kann man seine Wissenslücken ja dann füllen.
Ich würde auch sagen, dass man einfach nicht alles wissen kann und dass es auch keinen Sinn macht, es zu überspielen, wenn man etwas nicht weiß. Dann fällt es doch erst recht auf und das ist dann auch nicht angenehm. Also stehe ich dann schon dazu, wenn ich auch nicht von kokettieren sprechen würde. Ich gebe es dann einfach zu, dass ich etwas nicht weiß und dann ist es doch auch gut.
Ich kokettiere, wenn man das so nennen will, schon hin und wieder mal damit, dass ich nicht Anglistik studiert habe, weil ich immer so gut in Mathe war. Bei mir war das Gefälle aber auch extrem zwischen recht guten Leistungen in den meisten Fächern und massivem Talent- und Interessemangel in Naturwissenschaften und Sport. Aber je länger meine Schulzeit zurückliegt, desto weniger fällt auf oder kommt zur Sprache, worin ich vor 25 Jahren gute Noten hatte und wo es gehapert hat. Irgendwann gibt es Wichtigeres im Leben.
Dass ich wie alle anderen Leute auch heute noch mehr nicht weiß als ich weiß, ist in meinen Augen jedoch kein Grund, eigens darauf aufmerksam zu machen oder sich gar dafür zu schämen. Jeder hat in vielen Bereichen massive Wissenslücken, vor allem die, die glauben, sich in allem gut auszukennen und entsprechend groß aufsprechen. Zwar halte ich meine Allgemeinbildung für durchaus passabel, und wenn ich etwas nicht weiß, kann ich ja jederzeit googeln und merke mir die entsprechenden Informationen auch noch ganz gut. Aber ich finde es eigentlich nicht bemerkenswert, etwa wenig Ahnung von klassischer Musik zu haben und dem gezielt Aufmerksamkeit zu schenken.
anlupa hat geschrieben:Gebt ihr auch eure Wissenslücken oder fehlenden Begabungen auf mehr oder weniger spaßhafte Weise zu und kokettiert sogar damit oder verschweigt ihr das verschämt?
Meistens weder noch. Entweder habe ich mich damit abgefunden, dass mir vermutlich die meisten Achtklässler noch etwas erzählen können (Physik) oder ich finde es so unglaublich langweilig und unwichtig, dass ich mich auch hundert Mal damit beschäftigen könnte und es mir doch niemals behalten werde, wie zum Beispiel Flaggenkunde, Sport, moderne Kunst usw. Eine Liste würde hier jeden Rahmen sprengen.
Bei manchen Fächern hat es ja an Schule oder Uni schon fast zum guten Ton gehört, darin schlecht zu sein oder lachend zuzugeben, dass man in Statistik I mit Pauken und Trompeten durchgefallen ist. Eigentlich komisch, denn kaum jemand würde zugeben, schon wieder eine Klausur mit dem Vermerk endlich an der völlig katastrophalen und indiskutablen Rechtschreibung zu arbeiten, wiederbekommen zu haben.
Es gibt manchmal schon Dinge, wo ich mich frage, ob ich nicht mehr darüber wissen sollte, gerade im Bereich der Innenpolitik und der Namen vieler Politiker habe ich in meinen Augen noch zu viele Mängel. Damit zu kokettieren finde ich aber schon albern, ich kenne eine Frau, die das als Stilmittel gegenüber Männern nutzt und immer flötet, wie unglaublich wenig Ahnung von Politik sie doch hat. So als würden sowas nur die großen und starken Männer wissen.
Komischerweise fällt mir insbesondere beim Themengebiet Erdkunde auf, dass viele Menschen mit einer gewissen "Ahnungslosigkeit" zu kokettieren scheinen. Jedenfalls höre ich relativ häufig, dass sich jemand speziell bei diesem Thema fehlendes Wissen bescheinigt. Vielleicht fällt es mir aber nur deswegen besonders stark auf, weil Erdkunde immer eines meiner Lieblingsfächer war. Das Blättern im Atlas hat mir schon als Kind Spaß gemacht, und auch im Abitur gehörte Geografie zu meinen wichtigsten Prüfungsfächern.
Meine eigenen Wissensschwächen würde ich leider eher in Bereichen wie Sport, Mathematik und Physik sehen, aber ich kokettiere nicht damit, weil es mir peinlich ist.
lascar hat geschrieben:Komischerweise fällt mir insbesondere beim Themengebiet Erdkunde auf, dass viele Menschen mit einer gewissen "Ahnungslosigkeit" zu kokettieren scheinen.
Das ist kurios, denn mir selbst ist das in dem Bereich noch nie aufgefallen, dafür habe ich gefühlt schon Dutzende Male oder mehr gehört, was Geschichte doch für ein überflüssiges Fach ist, oder dass es sogar abgeschafft werden könnte. Vielleicht liegt diese Wahrnehmung wirklich daran, was einen selbst interessiert oder begeistert.
Nicht, dass ich von Geschichte maximal mehr wüsste als magere zehn Prozent dessen, was ich mal in der Schule gelernt habe, aber ich falle immer gefühlt vom Glauben ab, wenn jemand Geschichte doof und unwichtig findet und dann auch noch lachend erzählt, überhaupt keine Ahnung davon zu haben. Mich selbst ärgern meine ganzen Wissenslücken in der Sache vielmehr, als dass ich damit kokettieren würde. Es wäre toll, wenn man Zugriff auf jegliches jemals gelerntes Wissen hätte und nicht soviel vergessen hätte.
Verbena hat geschrieben:Das ist kurios, denn mir selbst ist das in dem Bereich noch nie aufgefallen, dafür habe ich gefühlt schon Dutzende Male oder mehr gehört, was Geschichte doch für ein überflüssiges Fach ist, oder dass es sogar abgeschafft werden könnte. Vielleicht liegt diese Wahrnehmung wirklich daran, was einen selbst interessiert oder begeistert.
Als Schüler hat mich Geschichte leider auch nicht interessiert, aber später als Erwachsener habe ich das fehlende Wissen als wirkliches Manko empfunden. Inzwischen interessiere ich mich immer mehr für Geschichte, und ich halte es auch für ein sehr wichtiges Fach. Nur mit Hilfe guter Geschichtskenntnisse kann man meiner Ansicht nach unsere moderne (derzeit noch stabile) Demokratie, die Einhaltung der Menschenrechte, die Nachkriegsordnung in Europa etc. wirklich schätzen.
Daher würde ich mit meinen immer noch vorhandenen Wissenslücken im Bereich Geschichte sicher nicht kokettieren, sondern lieber versuchen, sie nachzulesen und mich weiterzubilden.
Ich verstehe den Sinn von so einem Verhalten nicht. Das würde ja praktisch bedeuten, dass ich irgendwie stolz darauf bin, dass ich mir keine Geschichtsdaten merken kann, dass bei mir selbst die bekannten Eselsbrücken versagen. Mir waren die Zusammenhänge immer wichtiger als die Zahlen und ich hatte nie einen Lehrer, der Zahlen abgefragt hat.
Mir ist das nicht peinlich, ich erkläre das auch gerne jedem, der mich danach fragt, aber ich verstehe nicht warum ich auf Wissenslücken stolz sein oder damit gar irgendwie angeben sollte. Es ist doch keine Leistung wenn man etwas nicht weiß. Ich habe das nicht aktiv unter großen Anstrengungen vergessen, ich habe es einfach nie gelernt.
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