Ehrgeiz bei Frauen eher negativ ansehen?
Ich las kürzlich ein Interview mit einer Historikerin, die der Ansicht war bzw. ist, dass Ehrgeiz bei Frauen eher negativ angesehen wird während ehrgeizige Männer ein positives Bild in der Gesellschaft hätten. Wie denkt ihr darüber? Empfindet ihr ehrgeizige Frauen als negativ oder ist das für euch etwas völlig neutrales und normales? Bei uns in der Abteilung sind wir überwiegend Frauen, daher ist es für mich ganz normal ehrgeizige Frauen um mich zu haben, die auch höhere Hierarchie-Ebenen inne haben. Wie ist das bei euch?
Ich bin mir in diesen Fragen immer nicht ganz sicher, weil einerseits offensichtlich etwas Wahres dran ist, aber andererseits springe ich als Feministin auf solche Fragen natürlich ganz besonders an und übertreibe vielleicht (wahrscheinlich) mehr oder weniger maßlos.
Aber selbst vorsichtig ausgedrückt finde ich schon, dass Männer sich zumindest weniger rechtfertigen müssen, wenn sie im klassischen Sinne, also in Bezug auf Job, Prestige und Einkommen, "Ehrgeiz" zeigen. Natürlich kann man auch den Ehrgeiz haben, dass der selbstgebackene Apfelkuchen besonders gut gelingt oder dass Sohnemann das schönste Pausenbrot der Klasse dabei hat, aber das ist hier wohl weniger gemeint.
Meiner Erfahrung nach kommt es eher selten vor, dass ein Mann, der sich eine tolle Beförderung erarbeitet hat oder sich erfolgreich selbstständig gemacht hat, unterschwellig vorwurfsvoll gefragt wird, ob er dafür nicht Haushalt und Kinder vernachlässigen musste. Da wird eher akzeptiert, dass Familie und Privatleben hinter dem persönlichen Ehrgeiz zurückstecken, während Frauen eher als egoistisch gelten, wenn sie es für sich selber zu etwas bringen möchten und nicht darin aufgehen, ewig die zweite Geige zu spielen. Der Nachteil ist ja, dass viel Arbeit liegenbleibt, wenn frau allzu ehrgeizig ihre eigenen Ziele verfolgt, und das soll natürlich nicht sein.
Ich glaube nicht, dass Ehrgeiz bei Frauen heutzutage einen negativen Beigeschmack hat. Nur einige wenige Beispiele: In der Schule haben ehrgeizige Mädchen unter ihren Mitschülerinnen oft weniger zu leiden als ehrgeizige Jungen, die von ihren Geschlechtsgenossen oft als Streber abgetan werden. Im Studium ist mir auch nicht aufgefallen, dass Frauen mit hohen Ziele schlecht angesehen werden. Im Bereich des Sports werden ehrgeizige Frauen von allen Geschlechtern bewundert, wie zahlreiche Beispiele aus dem Frauenfußball, dem Skilauf und dem Tennis beweisen. Auch in der Politik gibt es viele ehrgeizige Vorbilder, wie etwa Frau Merkel, Frau Nahles, Frau Beer oder Frau Baerbock.
Leider ließen sich früher Karriere und Beruf meist schlecht vereinbaren. Auch heute ist es je nach Partner nicht immer einfach. Frauen mit großem Engagement für ihren Beruf haben dann entweder auf Kinder verzichten oder konnten nicht so schnell auf der Karriereleiter voranschreiten. Sie mussten sich vielleicht auch eine gewisse Härte zulegen, ihre Ziele gegen die männlichen Netzwerke zu erreichen. Das macht sicherlich manchen Männern Angst. Aber ich glaube nicht, dass das heutzutage noch eine große Rolle spielt und ehrgeizige Frauen schlecht angesehen werden. Ich glaube leider mittlerweile, dass die Frauen negativer angesehen werden, die ihre Kinder zuhause erziehen möchten und keinen beruflichen Ehrgeiz haben, während Männer, die sich Zuhause um die Kinder kümmern, oft für ihren Rollentausch bewundert werden.
Ich kenne darüber nun keine Studien oder etwas in der Art, aber ich würde allgemein nicht sagen, dass Ehrgeiz bei Frauen als etwas negatives wahrgenommen werden würde, während es bei Männern vollkommen normal ist, dass sie ehrgeizig sind. Sicher kann es sein, dass es von manchen Menschen so bewertet wird, aber in meinem Umfeld habe ich etwas derartiges noch nicht mitbekommen und ich würde auch sagen, dass es in der heutigen Zeit nicht angemessen ist, Ehrgeiz bei Frauen als etwas negatives zu bewerten.
Gibt es diese klassische Karriereleiter denn überhaupt noch? Also ich kenne das auch der bisherigen Berufspraxis - und ich hatte schon einige Jobs - nicht, dass man als kleiner Mitarbeiter irgendwo einsteigt und dann immer weiter aufsteigt. Gerade als Akademiker - da hat man eine Stelle inne und bleibt auf der Stelle. In manchen Firmen kann man maximal so etwas wie Teamleiter werden, aber da hat man auch nicht viel davon. Dort, wo ich früher gearbeitet habe hat der Abteilungsleiter gerade mal zweihundert Euro brutto mehr verdient, dafür aber einiges an Stress zusätzlich - das lohnte sich ja gar nicht.
Und ich würde mal die These aufstellen, dass es so etwas wie eine wirkliche Karriere so gut wie nie gibt. Man kann sich beruflich verbessern, wenn man den Job wechselt, aber in den meisten Firmen hat man intern keine wirklichen Karriereoptionen - außer man sieht solchen Quatsch wie 200 Euro mehr als Abteilungsleiter als Karriere an, aber für mich ist das keine Karriere.
Die meisten Menschen, die ich kenne (darunter sicherlich auch ehrgeizige Männer und Frauen) können so fleißig sein wie sie wollen, die steigen in einem Unternehmen nicht auf, weil das die Firmenstruktur gar nicht vorsieht.
Wenn man sich aber verbessert, indem man den Job wechselt oder beispielsweise selbstständig wird, dann muss man dafür ja nicht großartig ehrgeizig sein. Was braucht man Ehrgeiz, sich woanders zu bewerben? Dafür muss man eine Bewerbung schreiben und beim Vorstellungsgespräch einen guten Eindruck machen, das hat aber nichts mit Ehrgeiz zu tun.
Auch in der Selbstständigkeit - da spreche ich aus Erfahrung - ist es häufig besser, wenn man nicht danach strebt, besonders gut und toll zu sein, sondern wenn man viele Aufträge abarbeiten kann und da geht es eher darum, mit wenig Aufwand viel zu schaffen und nicht darum, der Beste zu sein. Der Glaube, dass der Beste von seinen Bestleistungen besonders viel hätte, ist auch verfehlt.
Männer wie Frauen, die sich - häufig auch umsonst - besonders in die Arbeit knien und dann frustriert sind, weil sie davon wenig haben und das irgendwann dann merken, sind mir beiderlei Geschlechts nicht sympathisch. Ich mag Männer nicht, die denken, sie seien der Kind und ich mag Frauen nicht, die sich dominant und „durchsetzungsstark“ verhalten.
Ehrgeiz ist in meinen Augen eher eine negative Eigenschaft, bei Männern und Frauen. Ehrgeizige Menschen machen oft mehr als nötig uns nerven ihre Umwelt damit, weil sie das auch von anderen fordern und dann Bewunderung wollen, die sie nicht kriegen und dann sind sie brüskiert. Ehrgeizige Menschen denken, sie würden einen großartigen Nutzen davon haben, alles möglichst gut zu machen und irgendwann merken sie dann, dass das Leben aber nicht so funktioniert wie im Karriereratgeber aus dem Studium. Ich habe in meinem Beruf genug Leute kennengelernt, die so ehrgeizig waren, dass es nervte, aber die haben absolut nichts davon, die verdienen auch nicht mehr als ich, die haben nur mehr Stress dadurch.
Natürlich ist Ehrgeiz bei Frauen immer noch schlecht angesehen. Da wo Männer als ehrgeizig und zielstrebig gelten, bekommen Frauen schnell den Stempel, verbissen zu sein. Das ist genauso wie Männer sich Luft machen, wenn sie auf den Tisch hauen, Frauen sind dann hysterisch.
Gerne gelten Frauen auch als aufdringlich, wenn sie nur ihren Job machen, und als dominant, wenn sie ihren Standpunkt vertreten. Ehrgeiz bei Frauen ist nur so richtig in Schönheit und bei Haushalt und Familie akzeptiert. Anlupas Schulbeispiel zeigt das gut. Natürlich dürfen Mädchen in der Schule gut, aber die sollen auch bescheiden sein und sich nicht von der Gruppe abheben. Streberinnen schaffen das besser als Streber.
Und das gruseligste ist, dass Frauen Ehrgeiz meist auch negativ sehen. Auch die haben das Bild der verbissenen, einsamen Karrierefrau im Kopf und wollen nicht so sein. Als ob das zwangsläufig passieren würde. Die Argumentation in vielen Firmen bei Beförderungen ist abenteuerlich. Er muss befördert werden, denn er muss eine Familie versorgen. Sie kann nicht befördert werden, sie braucht Zeit für die Familie.
Dass es positiv wäre, wenn ein Mann mal „auf den Tisch“ haut, finde ich überhaupt nicht. Wer als Mann im Job die Beherrschung verliert und „auf den Tisch haut“ oder laut wird, der gilt doch super schnell als cholerisch und aggressiv, wird gemieden und ausgegrenzt. Bei einer Frau würde man denken, die hatte mal ihren emotionalen Moment und das eher verzeihen, aber ein cholerischer Mann ist doch im Team unten durch.
Und welcher Mann versorgt denn heute noch eine Familie? Es ist doch Standard, dass beide arbeiten gehen und nicht nur der Mann. Ich habe das noch nie gehört, dass eine Frau nicht befördert wird, weil sie sich angeblich um die Familie kümmern soll. Vielleicht in irgendwelchen katholischen Enklaven, die im 19. Jahrhundert stecken geblieben sind, aber ich habe von solchen Phänomenen noch nie etwas mitbekommen.
Ich frage mich eher, ob manche Frauen, die wirklich verbissen sind, das nicht darauf schieben; ob eine Frau, die tatsächlich andere zu sehr wegbeißt, das dann vor sich selbst rechtfertigt und sich das schönredet und darauf schiebt, dass andere ihr die Karriere neiden oder ihren Ehrgeiz negativ betrachten würden.
Von meinem letzten Job kenne ich es sogar eher umgekehrt. Die Frau in der höheren Position wurde immer unterstützt, wenn sie etwas nicht perfekt machte und ihr wurde geholfen und alle waren nett. Der Mann in der gleichen Position wurde bei Fehlern viel härter beurteilt und ständig kritisiert. Ich glaube, dass Frauen in Führungspositionen häufig viel besser ankommen als Männer und dass man ihnen Fehler eher verzeiht als einem Mann.
Zitronengras, wo habe ich gesagt, dass es "besser" sein oder überhaupt erstrebenswert sein, wenn ein Mann auf den Tisch haut? Ich sagte nur, wie das Verhalten meist bewertet wird, Und das ist eben auch heute noch mehrheitlich so.
Und was hat die Grundhaltung, dass Männer eine Familie zu versorgen haben, mit den Tatsachen zu tun? Im Westen der Siebziger haben Frauen für die gleiche Tätigkeit oft gerade einmal ein Drittel erhalten, weil sie eben keine Familie versorgen mussten sondern nur "dazuverdienten". Ob das so war, das hat keinen interessiert. So etwas wirkt bis heute nach.
Und ich hatte knapp nach dem Jahrtausendwechsel folgende Situation: Ein Schulfreund und ich wurden gleichzeitig eingestellt. Es gab Tariflohn, aber er bekam 100 Euro Zuschlag. Man kannte sich, also redete man auch über Geld. Da sagte mein damaliger Chef locker flockig, das sei, weil der als Mann eine Familie versorgen müsse. Der Chef war damals Ende 30 und der Kollege Single. Da meinte ich nur trocken, dass ich verheiratet sei und einen Mann zu versorgen hätte. Und es geht doch, ich bekam dann auch die im Unternehmen sogenannte Familienzulage.
Außerdem warum sollte es die Karriereleiter nicht mehr geben? Man wird in der Regel nicht als Oberindianer eingestellt. Ich habe ich den letzten Jahren bei meinen Kunden erlebt, wie die Projektbetreuerin es in zehn Jahren zur Geschäftsführerin gebracht hat oder die Uni-Praktikantin mittlerweile das gesamte Projektmanagement beaufsichtigt.
Was im Westen der 70er Jahre war, kann ich nicht beurteilen. Erstens komme ich aus dem Osten und ich habe keine Ahnung von den Zuständen im Westen und zweitens sind die 70er Jahre so lange her, da gab es mich noch lange nicht. Das war doch vor 50 Jahren! Für mich in meiner heutigen Lebenswelt ist es aber normal, dass Mann und Frau arbeiten gehen und dass Frauen genauso die gleichen Positionen erreichen können wie ein Mann auch.
Ich halte die klassische Karriereleiter nicht für komplett ausgestorben. Aber ich denke, die ist heute nur noch in wenigen Fällen vorhanden. Denn es muss er erstmal ein sehr großes Unternehmen sein, damit man da überhaupt mehrere Stufen hat, die man eventuell aufsteigen kann und es stellt sich auch immer die Frage, ob man von einem Aufstieg auch irgendwas hat. Denn wie in dem Beispiel was ich genannt habe, wo der Abteilungsleiter gerade mal 200 € mehr bekommt dafür aber viel mehr Stress hat, frage ich mich schon, ob z.b. ein Projektleiter wirklich viel davon hat, Projektleiter zu sein, oder ob der nur minimal mehr verdienen dafür aber viel mehr Stress hat, was eigentlich gar nicht erstrebenswert wäre.
Ich kenne das mit der Karriere leider so nicht, weder von dir noch auf meinem Umfeld. Das mag es in sehr großen Konzern geben, aber die meisten Menschen arbeiten nicht in irgendwelchen Konzern, sondern im kleinen und mittelständische Unternehmen und da kann man nicht wirklich viel aufsteigen , da kann man eben maximal Leiter von dem kleinen Team werden, was ist ein Endeffekt auch nicht so wahnsinnig viel bringen wird.
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